- Von Lorenz Klein
- 10.02.2022 um 14:51
Bieten die Lebensversicherer in Deutschland noch klassische Produkte für die Altersvorsorge im Neugeschäft an? Das wollte die Assekuranz-Ratingagentur Assekurata in Erfahrung bringen – und erhielt eine Antwort von insgesamt 46 Unternehmen, die einen Marktanteil von 73 Prozent ausmachen (nach Prämieneinnahmen). Das Ergebnis: 21 der 46 teilnehmenden Unternehmen – und damit weniger als die Hälfte (46 Prozent) – haben noch klassische Produkte im Angebot, allerdings bedienen sie nicht die gesamte Produktpalette. Beispielsweise führen nur noch 13 der 46 Gesellschaften (28 Prozent) klassische Kapitallebensversicherungen im Neugeschäft – und nur noch drei sind nach eigenen Angaben in der Riester-Rente aktiv.
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„Das geringe Angebot verdeutlicht, wie stark das einstige Flaggschiff der Lebensversicherer in der Gunst der Anbieter mittlerweile gesunken ist“, kommentierte Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will die Auswertung am Donnerstag im Rahmen eines Pressegesprächs. Zugleich sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, so Will, dass viele Versicherer „noch große klassische Bestände in den Büchern haben, für deren Kunden die Überschussbeteiligung noch immer eine hohe Bedeutung hat“.
Laufende Verzinsung nur marginal gesunken
Und diese Überschussbeteiligung kann sich nach wie vor sehen lassen, wie die Experten mit Blick auf die laufende Verzinsung der klassischen Lebens- und Rentenversicherungen befinden. Demnach sei die laufende Verzinsung, die von den Gesellschaften bis Ende vergangenen Jahres für 2022 deklariert wurden, „über alle analysierten Produktarten und Tarifgenerationen im Marktdurchschnitt nur marginal um 0,03 Prozentpunkte auf 2,61 Prozent gesunken“.
Dabei gilt, dass bei den jüngeren Tarifgenerationen ein leichter Rückgang zu verzeichnen sei, während die Gutschriften für die Kunden mit älteren Verträgen stabil geblieben seien. „Grund hierfür sind die vertraglichen Garantien, auf die die Kunden mit Vertragsabschluss einen Anspruch erwerben, so dass die Überschussbeteiligung nicht darunter sinken kann“, wie Reiner Will erklärt. Zugleich hätten auch bei den jüngeren Tarifgenerationen viele Anbieter ihre Überschussbeteiligung konstant gehalten, so dass sich der Abwärtsdruck bei den Deklarationen mittlerweile deutlich verlangsamt habe, so der Experte.
Breiter Rückzug aus hundertprozentiger Bruttobeitragsgarantie
Darüber hinaus haben die Kölner Analysten wieder das Segment der sogenannten Neuen Klassik untersucht. Neue klassische Tarife basieren demnach wie klassische Versicherungen auf einer konventionellen Überschusssystematik sowie dem Ausgleich im Kollektiv und der Zeit. „Ein zentraler Unterschied liegt jedoch in der Ausgestaltung der Garantien, die grundsätzlich niedriger als in der Klassik ausfallen, um den Kunden dadurch eine höhere Rendite in Aussicht zu stellen“, erläutert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata, den Zusammenhang.
Inzwischen seit sich, dass die Anbieter kaum noch in der Lage sind, im Neugeschäft eine vollständige Beitragsgarantie darzustellen. Der Grund: Zu Jahresbeginn wurde der gesetzliche Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung von 0,9 auf 0,25 Prozent gesenkt. Das hatte zur Folge, dass viele Anbieter ihre neuen klassischen Tarife zum Jahreswechsel überarbeitet haben – wenngleich sich die meisten Unternehmen bereits im Vorjahr vom damaligen Höchstrechnungszins als Garantiezins gelöst hätten, wie es bei Assekurata heißt. So lege die Mehrheit bei ihren Tarifen mittlerweile einen individuellen Garantiezins zugrunde, der unter 0,25 Prozent liege und häufig mit 0 Prozent nur noch einen Erhalt des Sparbeitrags darstelle. Vereinzelt werde auch ganz auf einen Garantiezins verzichtet, hieß es.
Und von den 23 Anbietern, die nach Angaben von Assekurata mit einem neuen klassischen Tarif an der Studie teilgenommen haben, seien inzwischen „fast alle von dem Versprechen der hundertprozentigen Bruttobeitragsgarantie abgewichen“. Während neun Unternehmen komplett auf fixe Beitragsgarantien verzichteten, gelte das Leistungsversprechen der restlichen 13 Gesellschaften nur für einen bestimmten Anteil der eingezahlten Bruttobeiträge, der zumeist aber noch um die 90 Prozent betrage.
Kürzere Mindestlaufzeit bei Tarifen
„Eine vollständige Bruttobeitragsgarantie scheint wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll darstellbar zu sein“, schlussfolgert Lars Heermann – und fügt hinzu, dass im Gegenzug für einige Tarife nun jedoch eine deutlich kürzere Mindestlaufzeit gelte. Demnach liegt die Mindestvertragslaufzeit für einen (teilweisen) Beitragserhalt aktuell zwischen zwei und 15 Jahren, wohingegen sie im Vorjahr noch bis zu 35 Jahre betrug.
Bemerkenswert ist zudem, dass die laufende Verzinsung für die im Neugeschäft angebotenen Tarife bei klassischen Tarifen mit durchschnittlich 2,15 Prozent etwas höher ausfalle als in der Neuen Klassik. Aus Sicht von Heermann verwundere das aber „nur auf den ersten Blick“, wenn man bedenke, dass eine höhere Überschussbeteiligung das wichtigste Verkaufsargument der Neuen Klassik ist.
„Vergleicht man jedoch ausschließlich diejenigen Anbieter, die in ihrem Neugeschäft parallel für die Klassik und die Neue Klassik deklarieren, zeigt letztere einen leichten Vorsprung.“ Dabei hätten nur noch sieben Teilnehmer ihr Neugeschäft parallel für beide Produktkategorien geöffnet – im Vorjahr waren es noch 13. Hier liegt die durchschnittliche laufende Verzinsung Assekurata zufolge mit 2,16 Prozent aktuell geringfügig über dem Wert der klassischen Tarife, die bei 2,09 Prozent notieren. „Eine konventionelle Anlage im Deckungsstock mit reduzierten Garantien hat somit nicht immer eine höhere Verzinsung zur Folge“, resümiert Experte Heermann.
Die „Assekurata-Marktstudie zu Überschussbeteiligungen und Garantien 2022“ kann hier bezogen werden (kostenpflichtig).
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