Martin Stenger, Director Sales, Business Development Insurance und Retirement Solutions – Germany, Austria und Switzerland bei Franklin Templeton. © Franklin Templeton
  • Von Oliver Lepold
  • 06.02.2025 um 11:20
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lesedauer Lesedauer: ca. 02:40 Min

Ein kompromissloser US-Präsident Trump, die anstehende Bundestagswahl und ein scheinbar nachlassendes Interesse an ESG-Themen. Mit welchen Folgen müssen Berater und Anleger in diesem Jahr rechnen? Kapitalmarktexperte Martin Stenger von Franklin Templeton erläutert die wichtigsten Punkte.

Pfefferminzia: In den USA ist Donald Trump erneut Präsident. Welche Auswirkungen auf die Kapitalmärkte erwarten Sie dadurch kurz- und mittelfristig?

Martin Stenger: Die spannende Frage ist: Wird die Inflation weiterhin sinken mit entsprechenden Reaktionen der Notenbanken oder kommt es zu einem Gegeneffekt? Da Trump nun tatsächlich mit den Strafzöllen Ernst macht, wird das inflationär wirken. Das ist kontraproduktiv für seine Wahlversprechen, das Preisniveau zu senken. Alles in allem erwarten wir für 2025 eher ein aktienfreundliches Umfeld, auch wenn die durch Trump bedingte wirtschaftliche Euphorie Ende des Jahres ein bisschen abebben wird. Anleger müssen jetzt generell mit noch mehr Volatilität rechnen.

Bekanntlich hält Trump nicht viel vom Klimawandel oder von Nachhaltigkeit. Inwieweit kann dies ESG-Investmentkonzepten schaden?

Stenger: Auch hier sind wir recht entspannt, er kann zwar einigen Schaden anrichten, aber das heißt noch lange nicht, dass jeder US-Bundesstaat ihm folgen wird. Im Factsheet des Weißen Hauses lässt sich erkennen, dass zwei Drittel der Projekte, die im Rahmen des Inflationsreduktionsgesetzes ESG-Technologie in die USA angesiedelt haben, in republikanischen Bundesstaaten liegen. Das bedeutet, viele republikanische Senatoren haben ein Interesse daran, dass diese Projekte weiterlaufen. Der Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen wird zudem erst 2026 gültig. Und wenn Trump „Drill baby drill” ruft, muss er exportieren, weil das geförderte Öl im Inland gar nicht in Gänze verbraucht werden kann. Er kann damit nicht den Preis erzielen, den er bräuchte, um in einem kompetitiven Umfeld zu bestehen.

Hierzulande steht die Bundestagswahl an. Die geplante Reform der Altersvorsorge fand nicht statt. Bedauern Sie das?

Stenger: Auf Veranstaltungen erlebe ich, dass vielen Vermittler gar nicht klar ist, dass alle drei Säulen der Reform nicht umgesetzt wurden, also weder die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent, noch das Betriebsrentenstärkungsgesetz, noch die private Altersvorsorge in neuer geförderter Form. Falls die neue Regierung nichts unternimmt, wird der Beitragssatz laut Rentenversicherung auf über 22 Prozent steigen, ohne dass Rentner auch nur einen Euro mehr an Rente erhalten. Das muss verkäuferisch der Ansatz für die private Altersvorsorge sein! Wir hätten natürlich gern eine geförderte kapitalgedeckte private Altersvorsorge gesehen, in allen Spielarten, also auch mit Versicherern als Partnern. Deutschland ist im Vergleich zu Skandinavien oder den Niederlanden klar abgehängt in der Nutzung des Kapitalmarktes zum Aufbau der Altersvorsorge.

Welche Schwierigkeiten sehen Sie bei Vertrieb und Kunden, falls in der neuen Legislatur eine Aktienrente käme?

Stenger: Die Branche war bereits auf das geplante Altersvorsorgedepot vorbereitet. Die oft kolportierte Risikoaversion der Deutschen können wir bei der jüngeren Generation nicht erkennen. Das sehen Sie schon am Zulauf der Online-Broker. Wir können es uns einfach nicht mehr leisten, auf andere Weise zu sparen. Die Schließung der teils erheblichen Versorgungslücken im Alter ist ohne eine Kapitalmarktbindung nicht möglich. Wichtig ist dabei, dass Nachhaltigkeit in der Beratung zu einem harten wirtschaftlichen Kriterium werden muss. Die CO2-Vermeidung löst Gewinne in der Zukunft aus, die Kosten für zu viel ausgestoßenes Karbon sind siebenmal höher, als wir bisher dachten. Das bewertet die Politik mittlerweile auch schon bei Investitionsprojekten mit. Auch für unsere ist das eine immer wichtiger werdende Bewertungsüberlegung.

Die von der EU eingeführte verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitskriterien gilt als viel zu komplex. Welche Änderungen sind hier zu erwarten?

Stenger: Die regulatorische Umsetzung im Kundengespräch wurde in die Komplexität getrieben. Die Aufsicht hat aber das Problem verstanden und vergleichsweise schnell den Review-Prozess gestartet. Ich sitze beim Fondsverband BVI im Ausschuss Nachhaltigkeit und im Vorsorgeausschuss. Wir haben den laufenden Review-Prozess ausführlich diskutiert und halten die geplanten Änderungen für sinnvoll. Es wird klare Kategorien für die Produkte geben, sodass der Kunde künftig nicht mehr erst am Point of Sale über seine Einstufung entscheiden muss. Stattdessen werden die Berater übersichtliche und klare Kategorien erläutern, zum Beispiel eine mit Transformation, eine mit Impact und so weiter. Kunden werden sich hier künftig wesentlich einfacher positionieren können. So wird Nachhaltigkeit auch wieder attraktiv im verkäuferischen Sinne. Wir erwarten diese regulatorischen Änderungen noch in diesem Jahr.

>> Mehr zum Thema Assekuranz der Zukunft finden Sie hier. 

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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