- Von Lorenz Klein
- 01.11.2022 um 13:16
Ausgerechnet zu Halloween hat die Finanzaufsicht Bafin ihren langerwarteten Merkblatt-Entwurf vorgelegt – und so manchem Lebensversicherer dürfte nach der Lektüre des 20-seitigen Dokuments das kalte Gruseln überkommen (Download hier).
Das am Abend des 31. Oktober veröffentlichte Merkblatt zu den „wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ ist von einem regelrechten „Schluss mit Lustig“-Jargon durchzogen. So macht die Bafin in bemerkenswert klarer Sprache deutlich, dass man alle Lebensversicherungsunternehmen (LVU) „näher überprüfen“ wolle, die „durch hohe Aufwendungen für Versicherungsvermittler und insbesondere Zahlung hoher Abschlussprovisionen auffallen“. Konkret betrifft das alle Anbieter, deren Hauptverkaufsprodukte Effektivkosten im oberen Viertel der Branchenwerte aufweisen – Unternehmen, die gewissermaßen zu den „Top-25-Prozent“ teuersten gehören, dürften also künftig häufiger Besuch von der Bafin erhalten.
Provisionsrichtwerte der Bafin vom Tisch?
Für Bafin „nicht akzeptabel, auf Normalisierung der Inflation zu wetten“
Inflation fordert Lebensversicherer nun auch auf der Kostenseite heraus
Zudem verlangt die Behörde, dass die Produkte zur Altersvorsorge einen „angemessenen Kundennutzen“ aufweisen müssen. Dieser sei erst dann erfüllt, wenn die Produkte eine Rendite oberhalb der langfristigen Inflationserwartung erzielten. Die Bafin nennt dies einen „realen Anlageerfolg“. Sprich: Bei einer langfristigen Inflationserwartung von 2 Prozent, wie sie von der Bafin im Papier genannt wird, müssen die Lebensversicherer eine Rendite von 2 Prozent plus x nach Kosten erwirtschaften – und die muss obendrein auch bei einer „weniger günstigen Marktentwicklung“ erreicht werden. Da die Unternehmen die Kosten im Rahmen ihrer Produktherstellung – anders als die Inflation – selbst beeinflussen können, käme den Kosten „aufsichtsrechtlich eine besondere Bedeutung zu“, betont die Bafin im Papier.
Im Klartext: Wenn die Inflation die realen Ersparnisse der Kunden massiv anknabbert, müssen die Lebensversicherer ihren Kunden eben auf der Kostenseite entgegengekommen, so die Botschaft der Aufseher. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht der Bafin, hatte den Lebensversicherern kürzlich bereits nahe gelegt, „die richtigen Schlüsse“ aus der hohen Inflation zu ziehen (wir berichteten).
Doch dieser Erwartung nachzukommen, dürfte sich in vielen LVUs als knifflig erweisen, wie die im Bafin-Papier vorgelegten Szenario-Berechnungen nahelegen. Betragen die Effektivkosten des Lebensversicherers zum Beispiel 4 Prozent, würde bereits in einem „mittleren“ Kapitalanlage-Szenario keine Rendite nach Kosten oberhalb der langfristigen Inflationserwartung (2 Prozent) mehr erreicht. Ein „angemessener Kundennutzen“ liege damit nicht vor, gibt die Bafin zu bedenken.
Ein starkes Neugeschäft könnte künftig verdächtig wirken
Der Branche wird nun Zeit bis zum 15. Januar 2023 eingeräumt, um zu dem Papier Stellung zu beziehen. So viel ist klar: Es dürften schon in Kürze so einige Reaktionen in Frankfurt eintrudeln – zumal die Bafin im Merkblatt gleich viermal über „aggressive Verkaufspraxis“ schreibt, der man einen Riegel vorschieben wolle. Bemerkenswert ist dabei, welche „Risikoindikatoren“ aus Sicht der Bafin für eine „aggressive Verkaufspraxis“ sprechen könnten – und somit eine nähere Untersuchung zur Folge haben könnten. Neben hohen Stornoquoten wird künftig wohl schon ein starkes Neugeschäft den Argwohn der Prüfer wecken. Konkret heißt es im Entwurf auf Seite 19:
„Ein hohes Neugeschäft kann Ausdruck einer aggressiven Verkaufspraxis sein, bei der im Interesse des Absatzerfolges keine interessengerechte Beratung stattfindet. Ein erhöhtes Storno kann ebenfalls Ausdruck einer aggressiven Verkaufspraxis sein, bei der im Interesse des Absatzerfolges keine interessengerechte Beratung stattfindet. Ein erhöhtes Storno kann auch Ausdruck davon sein, dass das in Rede stehende Produkt die Erwartungen der Kunden im Hinblick auf seinen Nutzen nicht erfüllt.“
Außerdem könnten hohe Abschlusskostenquoten (= Abschlussaufwendungen in Prozent der verdienten Beiträge) auf die „Zahlung hoher Abschlussprovisionen hinweisen, mit denen gegebenenfalls ein (Fehl-)Anreiz für eine aggressive Verkaufspraxis durch die Versicherungsvermittler gesetzt wird…“
Dass die Bafin Kritik übt an aus ihrer Sicht zu hohen Effektivkosten und Vertriebsvergütungen bei kapitalbildenden Lebensversicherungen – und vor allem an Fondspolicen – ist nicht neu. Der Ton ist mit dem nun veröffentlichten Merkblatt allerdings nochmal deutlich rauer geworden.
Inzwischen hat sich der Votum Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen in Europa zum Bafin-Entwurf geäußert – nicht immer schmeichelhaft. Den gesamten Kommentar finden Sie hier.
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