- Von Lorenz Klein
- 10.08.2021 um 12:59
Das ZDF-Wirtschaftsmagazin „WISO“ hat Menschen getroffen, die auf die Riester-Rente gesetzt haben und lässt sie in der rund 45-minütigen Dokumentation „Ärger mit der Rente: Ist Riester noch zu retten?“ (siehe auch Video oben) ausführlich zu Wort kommen – zum Beispiel Manfred Siebert, der in zwei Jahren in den Ruhestand geht. Er meint: „Für mich ist die Riester Rente gescheitert. Leider hat man keine andere Chance, als sein mühsam angespartes Kapital den Banken und Versicherungen zu schenken.“
„Er hat einen viel zu teuren Vertrag abgeschlossen“
Ähnlich ernüchternd schaut die junge Familie Michaelis aus Hamburg, die zwei Kinder hat und noch gut 30 Jahre Arbeit vor sich, auf ihre Riester-Vorsorge. „Das hat sich gegenseitig aufgegessen“, sagt Ole Michaelis, nachdem er im Jahr 2019 die Vertragsabschlusskosten und die Verwaltungskosten für seine fondsgebundene Riester-Rentenversicherung, die er sechs Jahre zuvor abschloss, einmal selbst zusammengerechnet hatte und diese Kosten der bisherigen Rendite seines Vertrages gegenüberstellte.
Saidi Sulilatu, Experte des Verbraucherportals Finanztip, kommt heute sogar zu einem noch schlechteren Resultat: In Oles Fall seien über die acht Jahre seit Abschluss über 13.000 Euro in den Vertrag eingezahlt worden, inklusive Zulagen. Derzeit sei der Vertrag aber nur gute 10.000 Euro wert. „3.000 Euro weniger. Die sind draufgegangen für Abschlussgebühren, für Verwaltungskosten, die die Versicherung nimmt“, resümiert Sulilatu.
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„Das finde ich beschämend“
Auch der 31-jährige Steven Schneider, den das „WISO“-Team im letzten Drittel der Sendung befragt, gibt sich enttäuscht. Der Riester-Sparer ist ledig und hat keine Kinder. Für ihn sind es noch 35 Jahre bis zur Rente. Er besitzt ebenfalls einen fondsgebundenen Riester-Vertrag und zahlt derzeit lediglich den Mindestbetrag von 5 Euro ein – das war zu Beginn anders: Schneider hatte seinen Vertrag 2019 abgeschlossen und besparte diesen zunächst mit knapp 100 Euro.
„Doch dann liest und hört er in sozialen Medien, wie Finanzexperten vor zu hohen Kosten waren“, heißt es im Film. „Ich habe mal eine schlaflose Nacht gehabt, dann guckst du ein bisschen rum und dann kommst du auf eine Seite, die Riester-Verträge miteinander vergleicht – da ist mein Vertrag nicht gut weggekommen und demzufolge habe ich ihn einfach runtergesetzt auf 5 Euro“, schildert Schneider.
„Er hat einen viel zu teuren Vertrag abgeschlossen und das gerade noch rechtzeitig gemerkt“, kommentiert der Finanzexperte Saidi Sulilatu die Entscheidung Schneiders gegenüber „WISO“ – sowie auch alle anderen Entscheidungen der im Film vorkommenden „Riester-Schicksale“, denen er allesamt drei Optionen vorschlägt, wie sie mit ihrem Riester-Vertrag weiter verfahren könnten: Stilllegen oder Weitermachen – sofort oder erst später?
„Das ist jenseits von Gut und Böse“
Sulilatu ist ehemaliger Finanz- und Honorarberater und ist heute für das Verbraucherportal Finanztip mit einem eigenen Podcast und vor allem auch auf Youtube präsent. „Der Vertrag ist ja erst zwei Jahre alt und dass dieser Vertrag so teuer ist, das sieht man auch in den Unterlagen: Da steht nämlich, dass die Effektivkostenquote 3,48 Prozent beträgt“, sagt Sulilatu über Schneiders Vertrag.
„Was bedeutet das?“, fragt ihn „WISO“. „Wenn man jetzt mal annehmen würde, dass die Riester-Rente 5 Prozent Rendite pro Jahr bringt – was schon relativ gut wäre – dann blieben von diesen 5 Prozent nach Kosten tatsächlich nur 1,5 Prozent übrig“, sagt der Finanztip-Experte – und betont: „Eine Kostenquote von knapp 3,5 Prozent pro Jahr – das ist jenseits von Gut und Böse.“
Asmussen: „20 Jahre Riester sind aus unserer Sicht ein Erfolg“
Die hohen Kosten seien schuld am „Riester-Renten-Frust“, heißt es dann im Bericht – und so werde auch nach 20 Jahren noch über Riester diskutiert. „Selbst die Versicherungsbranche hat sich mehr von Riester versprochen – auch wenn die Bilanz aus ihrer Sicht generell gut ausfällt“, berichten die Autoren des Beitrags weiter. „20 Jahre Riester sind aus unserer Sicht ein Erfolg“, wird Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), vor der Kamera des ZDF sagen. Es gebe über 16 Millionen Verträge. Damit sei die Riester-Rente „die erfolgreichste private freiwillige Altersvorsorge, die es gibt“, so Asmussen.
Zugleich räumt der GDV-Funktionär ein: „Man muss in der Tat sagen – die Verbreitung ist nicht so weit, wie man das vor 20 Jahren gedacht oder gehofft hätte. Rund 30 Prozent aller abhängig Beschäftigten haben eine Riester-Rente, da hatte man sich damals mehr erwartet.“ Tatsächlich ruht von diesen Verträgen rund ein Fünftel, wie die Filmemacher anmerken – und die Gesamtzahl der Riester-Verträge gehe seit 2017 sogar leicht zurück auf 16,3 Millionen Verträge zu Anfang dieses Jahres.
Die staatliche Zulage sei ein wichtiges Argument von Riester-Befürwortern wie Jörg Asmussen, heißt es bereits im ersten Drittel der Doku. „Es lohnt sich besonders für Geringverdiener, für die ist es aufgrund der staatlichen Zuschüsse eine der besten privaten Altersversorgungen – und es lohnt sich für Familien im weitesten Sinne also da, wo Kinder sind aufgrund der Kinderzuschüsse“, so Asmussen.
„Es ist ja nicht so, dass die Zulagen vom Himmel fallen“
Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten, hält direkt im Anschluss dagegen, denn für ihn sei die Riester-Rente „teuer erkauft“, wie es im Beitrag heißt. „Diejenigen, die zum Beispiel viele Kinder haben, die bekommen natürlich viele Zulagen. Das kann sich aus der ganz individuellen Sicht heraus durchaus mal rentieren“, sagt Kleinlein. Dieser Vertrag rentiere sich aber nicht, weil dieses Versicherungsprodukt besonders gut sei, schränkt der Verbraucherschützer, „sondern ausschließlich, weil massiv Steuergelder in diesen Vertrag hineingepumpt werden. Es ist ja nicht so, dass die Zulagen vom Himmel fallen, sondern diese Zulagen, die werden bezahlt von uns Steuerzahlern.“
Die Politik wolle das „Imageproblem“ der komplizierten und teuren Verträge erkannt haben, heißt es im weiteren Verlauf der Doku – und es wird auf den Koalitionsvertrag von 2018 verwiesen:
„Es ist ein Dialogprozess mit der Versicherungswirtschaft anzustoßen mit dem Ziel einer zügigen Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester Produkts.“
„Passiert ist bislang nichts“, resümieren die Autoren und lassen Dorothea Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen zu Wort kommen:
„Es ist traurig zu beobachten, dass man bis heute nicht darauf reagiert hat – und vielleicht ist der Grund ein wenig da zu verorten, dass das Problem nicht heute wirklich erkennbar wird – zumindest nicht auf Seiten der Verbraucher. Für diese ist es schwierig, selbst zu erkennen, dass ihr Vertrag nicht ausreichend gut ist. Das Problem werden Verbraucher erst in vielen Jahren wirklich zur Kenntnis nehmen und wirklich spüren.“
„Warum hat die große Koalition ihre eigenen Ziele nicht umgesetzt?“, fragt sich das Autorenteam darauf hin und bittet „um ein Interview der Verantwortlichen“. Aus dem SPD-geführten Bundesfinanzministerium kommt aber nur ein allgemeines schriftliches Statement zurück:
„Der Austausch mit den betroffenen Gruppen unter anderem Anbieter, Anbieterverbände, Sozialpartner und Verbraucherschützer hat ergeben, dass es zur Zukunft der Riester-Rente sehr unterschiedliche Auffassungen und Vorschläge gibt. Eine sinnvolle und auch in der Breite akzeptierte Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge setzt jedoch ein gemeinsames Grundverständnis, der am Reformprozess beteiligten voraus, dass bisher nicht hergestellt werden konnte.“
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