- Von Lorenz Klein
- 24.09.2020 um 16:50
Pfefferminzia: Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hatte sich im Dezember 2019 dafür ausgesprochen, dem Bundesfinanzministerium einen Höchstrechnungszins, manche sagen auch Garantiezins, von 0,5 Prozent ab 2021 vorzuschlagen – und hat diese Empfehlung im April noch einmal bekräftigt. Sie selbst erklärten dann im August, dass es dazu vorerst nicht kommen wird. Der aktuelle Zins von 0,9 Prozent dürfte also auch 2021 noch gelten. Was sind die Gründe hierfür?
Guido Bader: Die Gründe weiß letzten Endes nur das Bundesfinanzministerium. Ich kann da auch nur spekulieren. Mein Glaube ist, dass einfach zu viele andere Themen parallel auf das Finanzministerium eingeprasselt sind – natürlich die Corona- Krise oder auch der Wirecard-Skandal. Der Höchstrechnungszins für die Lebensversicherer hatte da einfach nicht die höchste Priorität. Parallel dazu muss man ja sagen: Es ist auch nur ein Höchstrechnungszins – kein Versicherer ist gezwungen, den nach oben auszuschöpfen. Im Gegenteil: Die Versicherer sind auch von der Finanzaufsicht Bafin aufgefordert, eine vorsichtige Kalkulation vorzunehmen und zu überprüfen, welchen Zins sie guten Gewissens noch kalkulieren und garantieren können.
Garantiezins könnte 2021 wieder sinken
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Pfefferminzia: Es wird also bis Jahresende keine Entscheidung mehr geben?
Bader: Ich sehe das als Aktuar ganz pragmatisch. Bis zum 1. Januar 2021 sind die Unternehmen nicht mehr in der Lage, eine neue Tarifgeneration an die Rampe zu stellen und neu zu kalkulieren. Das Thema ist – egal, wie es politisch noch diskutiert wird – rein technisch durch.
Pfefferminzia: „Nur weil sie einen Garantiezins von 0,9 Prozent anbieten dürfen, heißt es nicht, dass sie es müssen“, betonte unlängst auch die Ratingagentur Assekurata. Wie bewerten Sie das?
Bader: Im Grunde unterstütze ich erst mal diese Aussagen. Wir haben auf der einen Seite den Höchstrechnungszins, auf der anderen Seite ist jedes Unternehmen aufgefordert, sicherzustellen, dass es die Garantien, die es ausspricht, auch dauerhaft erfüllen kann. Und wenn ein Unternehmen merkt, dass die Neuanlage in den Kapitalanlagen das schon heute nicht mehr hergibt, dann darf es eigentlich diese 0,9 Prozent über alle Tarife hinweg nicht mehr anbieten. Daher ist es eigentlich eine Forderung, die heute schon im Gesetz angelegt ist – unabhängig davon, wie der Höchstrechnungszins in der Verordnung definiert ist. Also im Kern alles richtig, was Bafin und Assekurata sagen.
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Pfefferminzia: Aus Medienberichten geht hervor, dass sich die DAVGremien erneut „intensiv“ mit dem Thema Garantiezins beschäftigten. Ende 2020 soll ein aktualisierter Zinsbericht für das Jahr 2022 vorgelegt werden, hieß es. Können Sie uns hier schon mal verraten, in welche Richtung das Ganze gehen könnte?
Bader: Die Arbeiten sind gerade erst angelaufen. Aber wir gehen natürlich davon aus, dass unsere Empfehlung sicherlich nicht oberhalb der 0,5 Prozent liegen wird. Durch die Corona-Pandemie und die Reaktion von Politik und Europäischer Zentralbank sind die Zinsen ja noch mal unter Druck geraten – und wir müssen jetzt analysieren, ob wir die 0,5 Prozent weiterhin vorschlagen werden oder ob es ein geringerer Wert werden wird. Aber da kann ich Ihnen tatsächlich noch nichts Konkretes sagen.
Pfefferminzia: Die Debatte um die finanziell angespannte Lage bei den Pensionskassen zeigt, wie schwerwiegend die Niedrigzinsphase auch für die Lebensversicherer noch werden könnte – zumal angesichts der CoronaKrise von keinerlei Entspannung auszugehen ist. Wie sorgenvoll schauen Sie in die Zukunft der Lebensversicherer?
Bader: Die Lebensversicherer im Vergleich zu den Pensionskassen haben noch einen kleinen Vorteil dadurch, dass sie in der Regel mehr Risikogeschäft betreiben, also Invaliditätsversicherungen anbieten – auch in der Regel mit etwas vorsichtigeren Kosten und mit biometrischen Annahmen kalkulieren. Da sind einfach noch andere Ergebnisquellen. Von dem her sehe ich etwas beruhigter auf die Lebensversicherer als auf Pensionskassen.
Aber natürlich ist diese dauerhafte Niedrigzinsphase schwerwiegend für die Unternehmen. Und ich mache mir keine Sorgen um die Lebensversicherer in den nächsten ein, zwei, drei Jahren. Aber sollte sich diese Niedrigzinsphase weiter so hartnäckig und so schwerwiegend in die Bilanzen reinfressen, dann wird es sicherlich eine Herausforderung. Ich will aber auch niemanden zu Grabe reden – dazu wäre es viel zu früh, und dazu sind die Unternehmen auch noch zu gut aufgestellt. Aber eine Herausforderung und eine Anstrengung ist es auf jeden Fall.
Pfefferminzia: Was wäre aus Ihrer Sicht das Worst-Case-Szenario? Dass das Bundesfinanzministerium den Versicherern erlaubt, die ausgesprochenen Garantien zu kürzen?
Bader: So weit bin ich noch nicht. Wir reden dann eher über einzelne Unternehmen, die im ersten Schritt dann vermutlich anfangen, das Neugeschäft einzustellen, um durch weitere Kostengewinne ihre Garantien noch darstellen zu können. Und sollte bei einzelnen Unternehmen auch das nicht reichen, haben wir ja immer noch unseren Sicherungsfonds, der dieses Unternehmen auffangen kann. Großen Unternehmen, wie wir sie sehen am Markt, da bin ich allein aufgrund ihrer Bilanzkennzahlen und ihrer Finanzstärke sehr sicher, wird nichts passieren.
Und wenn ein kleineres Haus mal wirklich in Schwierigkeiten gerät – und aktuell sehe ich das nicht –, dann werden wir das auffangen können. Momentan bin ich, wie gesagt, entspannt, aber lassen sie – warum auch immer – einen Zins auf minus 1, minus 2 Prozent fallen – man ist ja vor den möglichen Entwicklungen nicht gefeit –, dann kann es tatsächlich spannend werden, was passiert. Aber dann haben wir ganz andere Probleme.
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