- Von Lorenz Klein
- 15.07.2021 um 12:59
Pfefferminzia: Makler wissen oft aus eigener Erfahrung zu berichten, dass es das perfekte Maklerverwaltungsprogramm (MVP) so nicht gibt. Können Sie diesen Eindruck bestätigen?
Karsten Allesch: Viele Maklerverwaltungsprogramme am Markt basieren auf einer veralteten Systemarchitektur und einem Code, der kaum noch erweiterbar ist. Diese sogenannten technischen Schulden führen im Ergebnis dazu, dass etliche MVP-Hersteller mehr mit der Wartung als mit Neuentwicklungen beschäftigt sind. Zudem unterstützen klassische Maklerverwaltungsprogramme, wie es der Name bereits verrät, lediglich bei der Verwaltung. Damit nicht genug, werden Aufgaben wie der Import von Kunden- und Vertragsdaten dem Nutzer überlassen. Für Makler ist es jedoch ein immenser Aufwand die Bestandsdaten Tag für Tag aufs Neue zu pflegen.
Was unternehmen Sie, um dem „Idealzustand“ eines MVPs möglichst nahe zu kommen?
Unser Maklerverwaltungsprogramm ist im Gegensatz dazu eine virtuelle Arbeitsumgebung, auf der unsere Mitglieder und Nutzer alle im Maklerbüro anfallenden Tätigkeiten unter einer Oberfläche durchführen können. Die selbstpflegende Kundenverwaltung für die Direktvereinbarung entlastet vor allem Innendienstkräfte von der Datenpflege. Unsere selbst entwickelten Vergleichsrechner sind vollintegriert in das MVP, so dass nach Antragsstellung alle Folgetätigkeiten, wie beispielsweise die Kündigung der Vorversicherung oder die Anlage der zu erwartenden Courtage gänzlich automatisiert durchgeführt werden.
„Manches MVP verdient diesen Namen nur bei großzügiger Auslegung“
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„Herkömmliche Programme sind ein Risiko fürs Unternehmen“
Und grundsätzlich gilt, dass es zahlreiche Prozesse gibt, die im Maklerbüro automatisiert werden können: Kampagnenmanagement, digitale Unterschrift, Risikovoranfragen, Bestandsübertragungen oder automatisierte Abrechnungen für Verträge aus der Direktvereinbarung. All das sind erst einmal nur Schlagworte. Entscheidend ist, wie gut diese Tools aufeinander abgestimmt sind und miteinander interagieren. Das ermöglicht die wahren Produktivitätsgewinne im Maklerbüro. Diese können bereits heute mit einem sehr guten, möglichst smarten Maklerverwaltungsprogramm erzielt werden.
Der Unternehmensberater und MVP-Fachmann Michael Franke hat sich jüngst kritisch mit MVPs auseinandergesetzt und erklärt: „Wem es gelingt, den Makler in sein Verwaltungssystem zu bringen, hat ihn quasi mit sich verheiratet.“ Schaden sich die Pools und Verbünde mit dieser Strategie womöglich am Ende selbst – oder ist das aus betriebswirtschaftlicher Sicht verständlich?
Zunächst einmal ist eine Ehe ja grundsätzlich nichts Schlechtes. Entscheidend ist, um im Bild zu bleiben, dass zwischen den Parteien eine Gütertrennung vereinbart wird. Dass Pools und Verbünde das Ziel verfolgen, mit Versicherungsmaklern möglichst umfassend zusammenzuarbeiten, fördert den Wettbewerb und verbessert die Dienstleistung. Unlauter wird es, wenn ein MVP so konzipiert ist, dass Makler nur unter großen Schwierigkeiten das MVP wechseln und die vereinbarte Gütertrennung erreichen können.
Unsere Philosophie basiert auf einer offenen Systemarchitektur, die es ermöglicht, dass Mitglieder mit wenig Aufwand in andere MVPs migrieren können – das setzt uns unter einen gewollten Innovationszwang und verbessert im Ergebnis unser MVP. Unsere Mitglieder wiederum wissen die Innovationsgeschwindigkeit sehr zu schätzen, was sich an der hohen Weiterempfehlungsquote ablesen lässt.
BiPRO ist längst zu einem Dauerthema geworden – wie weit ist die Norm speziell im Hinblick auf MVPs aus Ihrer Sicht aktuell vorangekommen? Wo steht die Branche momentan?
BiPRO besteht nicht aus einer Einzelnorm, sondern aus zahlreichen Einzelnormen. So wird in der populärsten Norm beispielsweise definiert, dass Dokumente wie Policen, Nachträge oder Beitragsrechnungen automatisch in ein MVP importiert werden. Diese Norm ist mittlerweile Marktstandard und wird von vielen Versicherern angeboten. Es gibt allerdings noch zahlreiche andere Normen, wie beispielsweise, dass normierte Vertrags- oder Provisionsdaten vom Versicherer an das MVP übergeben werden. Diese Normen sind nur von sehr wenigen Versicherern umgesetzt und wir spüren auch nur wenig Marktdynamik.
Ein großes Problem ist die Komplexität der BiPRO-Normen, mit zum Teil hunderten seitenlangen Handbüchern, wo theoretisch beschrieben wird, wie die Norm technisch funktionieren soll. Nur hochspezialisierte Entwickler durchdringen diese Materie und die personellen Kapazitäten sind rar. Die BiPRO-Community hat mittlerweile darauf reagiert und unter dem Schlagwort RNext einige Normen definiert, die deutlich einfacher umzusetzen sind. Verglichen mit anderen Branchen aus dem Finanzsektor, wie der Investmentbranche, steckt die Digitalisierung jedoch auch mit BiPRO nach wie vor in den Kinderschuhen.
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