Die Sonne geht hinter der Europäischen Zentralbank und der Frankfurter Skyline unter: Die Nullzinsen belasten die Lebensversicherer. © picture alliance / greatif | Florian Gaul
  • Von Karen Schmidt
  • 30.11.2020 um 15:24
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Das aktuelle Zinsumfeld stellt die Lebensversicherer hierzulande weiter vor große Probleme, verschafft ihnen paradoxerweise aber auch Handlungsspielraum. Das ist ein Ergebnis des aktuellen Ertragskraft-Garantie-Checks (EKG-Check) der Rating-Agentur Assekurata.

Für den weiteren ZZR-Aufbau in der Zukunft ist zu berücksichtigen, dass sich der Effekt gesunkener Zinsen schneller in den Bewertungsreserven niederschlägt als in der Zinszusatzreserve. Während der Referenzzins methodisch über mehrere Jahre in einem definierten Korridor bestimmt wird, wodurch sich die ZZR-Zuführungen vom aktuellen Marktzins entkoppeln, steigt der Marktwert von festverzinslichen Wertpapieren bei sinkenden Zinsen unmittelbar an, was in hohen bilanziellen Bewertungsreserven resultiert.Lebensversicherer können durch die Auflösung dieser Bewertungsreserven ihre ZZR-Zuführungspflicht bedienen, indem sie vorhandene festverzinsliche Anlagen aus ihren Kapitalanlagebeständen zu aktuell höheren Anleihepreisen verkaufen.

„Wenn die Bezugszinsen in den kommenden Jahren dauerhaft am Nullpunkt oder sogar darunter liegen, sehen wir in der kurzen Frist keine Gefahr für die Lebensversicherer“, betont Lars Heermann. „Dies sieht allerdings anders aus, wenn die Zinsen langfristig wieder steigen sollten und dann zu wenig Bewertungsreserven zur Deckung der ZZR-Zuführungen vorhanden sind.“

Ausrichtung auf garantieärmere Produkte nötig

Um dieser Bedrohung entgegenzuwirken, kommen die Lebensversicherer aus Sicht von Assekurata nicht umhin, ihr Geschäftsmodell auf garantieärmere Produkte im Neugeschäft umzustellen, wie es auch der Marktführer Allianz zum kommenden Jahreswechsel angekündigt hat (wir berichteten). „Unter dem Strich verschaffen die höheren Bewertungsreserven den Lebensversicherern etwas mehr Zeit zum Umbau ihrer Geschäftsmodelle. Angesichts des massiven Zinsfinanzierungsbedarfs ist eine Neuausrichtung aber auch radikal notwendig“, betont Lars Heermann.

Assekurata-Geschäftsführer, Reiner Will, ergänzt: „Trotz niedriger oder sogar negativer Zinsen sehen wir Perspektiven für die Lebensversicherung, weil die Sparquote der Kunden in der Corona-Krise deutlich gestiegen ist. Mit Blick auf die Anbieter zeigt unsere EKG-Studie allerdings, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen individuell sehr unterschiedlich sind.“

Breite Streuung ist positiv

Grundsätzlich positiv sieht der Assekurata-Chef, wenn ein Lebensversicherer über eine breit gestreute Kapitalanlage mit substanziellen Bewertungsreserven und eine stabile und ausgewogene Ertragsstruktur verfügt. Hiervon profitieren dann nicht nur Altersvorsorgesparer, sondern auch die Kunden von Berufsunfähigkeits- und Risikolebensversicherungen, da die Gefahr geringer ausfällt, dass der Versicherer zur Abwehr drohender Kapitalanalageverluste einen Teil seiner Risikoergebnisse querverrechnet.

„Wenn dies passiert, können die Beitragszahlungen der Kunden steigen, auch wenn der eigentliche Tarif sorgfältig kalkuliert und der Bestand insgesamt profitabel ist“, erklärt Will. „Und dass ein negatives Kapitalanlageergebnis keineswegs aus der Luft gegriffen ist, zeigt sich wiederum daran, dass viele Gesellschaften dies bereits heute vielfach nur durch die Auflösung von Bewertungsreserven vermeiden können.“

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Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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