- Von Lorenz Klein
- 10.05.2023 um 16:07
Der Vermittlerverband Votum schlug Dienstagabend Alarm: „Provisionsverbot für Makler bei der Vermittlung von Lebensversicherungen droht!“, so der Titel der um kurz nach 19 Uhr versandten Pressemitteilung, eilig zog der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung am Mittwoch nach: „EU-Kommission ändert Strategie“, hieß es etwas vorsichtiger.
Nanu, die Vermittler hatten doch gerade erst kollektiv aufgeatmet? Was ist passiert? Zur Erinnerung: EU-Kommissarin McGuinness erklärte vor knapp zwei Wochen, dass sie von einem vollumfänglichen Provisionsverbot in der Finanzberatung abrücken wolle – wenngleich sie das nur widerwillig tat. Die Branche nahm die Kehrtwende der Irin dennoch sichtlich erleichtert zur Kenntnis. Stimmen besagten, man könne der weiteren Entwicklung nun gelassen entgegensehen.
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Doch die Gelassenheit ist erstmal wieder weg, das Zittern ist zurück. Denn Mairead McGuinness scheint – anders als erwartet – sich nicht so schnell geschlagen zu geben. Denn ihr Gesetzesentwurf zur Retail Investment Strategy, zu deutsch: Kleinanlegerstrategie, hat es „in sich“, wie der Branchenverband Votum kommentierte. Seit Anfang der Woche studieren Experten den durchgesickerten Entwurf. Und darin hätten sich einige „U-Boote“ versteckt, die eine genaue Analyse bedürften, so Votum-Vorstand Martin Klein. Zwar bleibt es dabei, dass im Entwurf kein vollständiges Provisionsverbot für den Vertrieb von Finanzanlageprodukten drinsteht.
Doch schon jetzt ist klar: Insbesondere für Versicherungsmakler könnte es gefährlich werden. Denn der Teufel steckt, wie so oft, im Detail – nämlich auf Seite 89 des EU-Entwurfs. Hier verstecke sich „recht harmlos“ der vorgesehen neue Artikel 30 der IDD, so Klein, „schnell überlesen, hat es aber der Artikel 30 Absatz 8 in sich“.
Denn dort heißt es ins Deutsche übersetzt (der Entwurf wurde auf Englisch veröffentlicht):
(8) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass der Versicherungsvermittler, wenn er den Kunden darüber informiert, dass die Beratung auf unabhängiger Basis erfolgt, folgendes tun muss:
- eine hinreichend große Zahl von auf dem Markt verfügbaren Versicherungsprodukten bewerten, die hinsichtlich ihrer Art und ihrer Produktanbieter hinreichend diversifiziert sind, um zu gewährleisten, dass die Ziele des Kunden in geeigneter Weise erreicht werden können; und sich nicht auf Versicherungsprodukte beschränken, die von Unternehmen ausgegeben oder angeboten werden, die enge Verbindungen zum Vermittler haben.
- keine Gebühren, Provisionen oder andere monetäre oder nicht-monetäre Vorteile annehmen und einbehalten, die von einem Dritten oder einer Person, die im Namen eines Dritten handelt, im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung für Kunden gezahlt oder gewährt werden.“
Bittere Botschaft für Versicherungsmakler mit Fokus auf Fondspolicen
Sollte diese Regelung unverändert umgesetzt werden, könnten Makler für Vermittlungsleistungen in der Sparte Leben keine Provision mehr entgegennehmen, klärt Martin Klein auf. Gegenüber „Cash.Online“ wurde Klein deutlicher: „Tatsächlich betrifft es gerade die sogenannten versicherungsbasierten Anlageprodukte, also insbesondere die Fondspolicen.“ BU und Risikoleben seien davon nicht betroffen. „Die Brisanz entwickelt sich dadurch“, so Klein, „dass von diesem Provisionsverbot nur Versicherungsmakler betroffen wären, während Ausschließlichkeitsvermittler und Mehrfachagenten weiter Provisionen vereinnahmen dürften“.
AfW-Vorstand Norman Wirth kommt in seiner Analyse zu einem gleichlautenden Schluss: Sollte die IDD in diesem wesentlichen Punkt geändert werden, hätte dies zur Folge, „dass unabhängige Vermittler – in Deutschland also Versicherungsmaklerinnen und -makler – keine Provisionen mehr für die Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten (insurance-based investment products) erhalten sollen“.
So heißt es in der obigen Passage des Gesetzesentwurfs im Wortlaut:
„Member States shall require that, where an insurance intermediary informs the customer that advice is given on an independent basis, the intermediary shall: …
(b) not accept and retain fees, commissions or any monetary or non-monetary benefits paid or provided by any third party or a person acting on behalf of a third party in relation to the provision of the service to customers.”
Verkürzt übersetzt bedeutet dies laut AfW: „Wer Kunden unabhängig berät, darf keine Gebühren, Provisionen oder andere monetäre oder nichtmonetäre Vorteile annehmen und einbehalten, die von einem Dritten oder einer Person, die im Namen eines Dritten handelt, im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung für Kunden gezahlt oder gewährt werden.“
Im Klartext: Die EU würde damit ein faktisches Provisionsverbot für unabhängige Vermittler von Lebensversicherungsverträgen schaffen – und das sind in Deutschland vor allem Versicherungsmakler.
Damit nicht genug sieht der AfW die Gefahr, dass die EU-Kommission über eine geplante „Ermächtigung“ per sogenanntem delegierten Rechtsakte ein solches Provisionsverbot direkt den Mitgliedsstaaten aufzwingen könnte. Denn in dem geplanten, geänderten Artikel 30 Abs. 9 der IDD heißt es im Wortlaut:
The Commission shall be empowered to adopt delegated acts in accordance with Article 38 to further specify how insurance intermediaries and insurance undertakings are to comply with the principles set out in this Article when carrying out insurance distribution activities in relation to insurance-based investment products, …”
Vermittlerverbände zeigen sich irritiert
Norman Wirth findet für dieses Vorgehen der Kommission deutliche Worte: „Erst komplettes Provisionsverbot, jetzt nur für Versicherungsanlageprodukte und unabhängige Beratung und Vermittlung. Wir halten es für komplett abwegig, dass dieses wettbewerbsverzerrende Vorhaben im Sinne von Verbraucherschutz sein und mit europäischem Recht im Einklang stehen soll.“
Und weiter: Der AfW werde sich gemeinsam mit seinen Partnern auf deutscher und europäischer Ebene weiterhin intensiv dafür einsetzen, dass Versicherungsmaklerinnen und -makler auch in Zukunft unabhängig und mit angemessener Vergütung Verbraucherinnen und Verbraucher beraten könnten.
Auch der Votum-Verband zeigt sich in seinem Fazit irritiert: „Der europäische Markt kennt kaum ein weiters Land, in dem der Marktanteil von Makler so groß ist wie in Deutschland. Dies zeigt, dass eine Regelung, die in der gesamten EU einheitlich gilt, nicht auf die spezifischen Märkte der einzelnen Länder Rücksicht nehmen kann.“
Es sollte weiterhin allen Vermittler in der EU möglich sein, sowohl gegen Provision als auch auf Honorarbasis tätig zu werden, so Votum. Der Verband werde sich weiterhin entschlossen für die Dualität der Vergütungssysteme einsetzen, so Klein.
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