- Von Redaktion
- 27.06.2016 um 16:19
Es war ein Paukenschlag. Am Freitagmorgen stand fest, woran ernsthaft wohl kaum einer geglaubt hatte: Die Briten wollen die EU verlassen. Auch wenn es inzwischen einige Hinweise gibt, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist – so gibt es eine Petition mit über 3 Millionen Unterschriften für ein zweites Referendum, außerdem könnte das Parlament das nicht-bindende Ergebnis auch einfach ignorieren – gehen wir mal davon aus, dass es so bleibt. Was ändert sich dann aber für Versicherer und Sparer hierzulande?
Das sagen die deutschen Versicherer
„Die deutsche Versicherungsbranche ist indirekt über die Turbulenzen auf den Finanzmärkten betroffen. Die Branche verfügt über Kapitalanlagen von insgesamt rund 1,5 Billionen Euro. Das britische Pfund verliert gerade massiv an Wert, genauso wie Aktien der Insel. Diese Effekte spüren wir auch hier“, sagt Klaus Wiener, Chefvolkswirt des Branchenverbands GDV in einem Interview auf der GDV-Seite.
Die Flucht in „sichere Häfen“ habe die ohnehin schon niedrigen Renditen in Deutschland weiter unter Druck gesetzt. Auch hier würden derzeit die Aktienkurse sinken. „Ich hoffe allerdings, dass der Markt sich wieder stabilisieren wird. Börsennotierte Versicherungskonzerne spüren die Kursschwankungen natürlich auch direkt.“ Am Freitag etwa brach der Aktienkurs der Allianz zeitweise um 13 Prozent ein.
Wiener spricht sich aber dafür aus, nun schnell Sicherheit zu schaffen: „Je klarer und je zügiger wir jetzt ein Szenario für den Ausstieg aus der Europäischen Union darlegen, desto stärker sollten sich auch die Märkte wieder einpendeln. Wir brauchen schnell klare Rahmenbedingungen – das ist auch im Interesse der Volkswirtschaft Großbritanniens.“
Europa müsse seine Institutionen jetzt reformieren und den vielfach überbordenden Regulierungseifer beenden, meint auch GDV-Präsident Alexander Erdland. Wenn alle Menschen von der EU begeistert sein sollen, müssten sie die Vorteile stärker spüren, die ein vereintes Europa in der Welt hat.
Das sagt die Standard Life
„Wir werden auch künftig an unserem Engagement im deutschen und österreichischen Markt für Spar- und Kapitalanlagen festhalten. Die Abstimmung hat keine Auswirkungen auf unsere Möglichkeiten, auch weiterhin Neugeschäft zu schreiben und den Bedürfnissen unserer Kunden gerecht zu werden und unsere Vertriebspartner zu unterstützen.
Die derzeitigen Bedingungen haben für unsere Kunden in Deutschland und Österreich unverändert Bestand. Die mit der deutschen Niederlassung von Standard Life geschlossenen Lebensversicherungsverträge sind unter Geltung des deutschen Versicherungsvertragsrechts geschlossen. Die für sie wichtigen vertraglichen Rechte aus diesen Verträgen bleiben grundsätzlich vom Brexit unverändert bestehen.
Ob und wie sich insbesondere die versicherungsaufsichtsrechtlichen Grundlagen durch den Brexit in Zukunft ändern werden, hängt maßgeblich von der im Einzelnen noch unbekannten künftigen Ausgestaltung der Partnerschaft der Europäischen Union und Großbritanniens sowie Schottlands ab, weshalb wir dies zu diesem Zeitpunkt noch nicht einschätzen können.
Es ist uns ein Anliegen, während des Verhandlungsprozesses für Kontinuität und Gelassenheit zu sorgen. Wir werden den Verlauf der Aushandlung neuer Arrangements sehr aufmerksam verfolgen und, wo nötig, unseren Beitrag dazu leisten – und natürlich werden wir unsere Kunden wie auch andere in unser Unternehmen involvierte Parteien bei Bedarf regelmäßig über die künftigen Entwicklungen auf dem Laufenden halten.“
Müssen sich Kunden nun Sorgen um ihr Geld machen?
Nein, meinen die Versicherer. Das liege an der langfristigen Anlagestrategie der Gesellschaften. Sie würden zum Großteil in festverzinsliche Wertpapiere investieren, die von den Turbulenzen an den Aktienmärkten nicht betroffen seien.
Einen Rückzug aus dem Versicherungsgeschäft in Großbritannien planen große Versicherer wie Allianz, Munich Re, Talanx oder Zurich ebenfalls nicht. „Wir bekennen uns weiterhin zu dem britischen Markt und unseren Kunden im Vereinigten Königreich“, so ein Allianz-Sprecher gegenüber der Zeitung Bild.
Eine direkte Betroffenheit deutscher Sparer sieht auch Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-Diba, nicht. „Allerdings gibt es natürlich eine indirekte Betroffenheit, wenn sich die Unsicherheit an den Märkten und in der Konjunktur festsetzt und somit die Europäische Zentralbank gezwungen wird, den Leitzins noch länger als beabsichtigt niedrig zu halten.“
Was passiert mit der Krankenversicherung?
Bei Kranken- und Pflegeversicherungen würde sich durch den Brexit kurzfristig keine Änderungen ergeben, beruhigt der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung. „Für Versicherte und Unternehmen, bei denen die Verordnungen über soziale Sicherheit Anwendung finden (Touristen, entsandte Arbeitnehmer, Rentenbezieher und so weiter) treten durch das Ergebnis des Referendums vorläufig keine Änderungen ein. Für die Loslösung des Vereinigten Königreichs von der Europäischen Union gilt eine Frist von zwei Jahren ab der offiziellen Erklärung des Austritts. Diese Frist kann für neue vertragliche Regelungen genutzt werden.“
Brexit könnte indirekt Rentenkassen treffen
Je nachdem, wie die weitere Zusammenarbeit der Briten mit der EU aussehen wird, könnten die Exporte Deutschlands in die Region leiden. So könnte das Wachstum der deutschen Exporte laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im kommenden Jahr wegen des Brexit um einen Prozentpunkt oder knapp 15 Milliarden Euro sinken.
Das könnte sich über möglicherweise geringere Beitragszahlungen von Arbeitgebern und Beschäftigten dann auch auf die Rentenkassen auswirken, berichtet die Seite ihre-vorsorge.de.
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