- Von Karen Schmidt
- 05.11.2019 um 14:38
Für Versicherer und Pensionskassen wird es immer schwieriger, die Zinsversprechen, die sie ihren Kunden gegeben haben, am Kapitalmarkt zu erwirtschaften. Das gefährdet die Geschäftsmodelle der Unternehmen und die kapitalgedeckte Altersvorsorge in der Zukunft. „Das sollen die Versicherungen deutlich machen. Diesen gesellschaftlichen Diskurs sollten die Versicherer anstoßen“, sagte Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungen bei der Aufsichtsbehörde Bafin, zu Begin seines Vortrags auf dem Handelsblatt Insurance Summit 2019 in München.
Ein dauerhaftes Zinsplus liege noch in der Ferne. Über die Lage zu lamentieren, bringe aber nichts, so der Versicherungs-Chefaufseher. Es gehe vielmehr darum, wie Politik, Industrie und Aufsicht mit der Situation umgingen. „Der Gesetzgeber hat die Deckungsrückstellung im vergangenen Jahr angepasst. Das war sehr gut. Die Zinszusatzreserve wächst dadurch langsamer als zuvor und die Nachjustierung verhindert, dass die Unternehmen unangemessen belastet werden“, so Grund. Jetzt sei die Zinszusatzreserve zwar richtig kalibrier – „mehr geht nicht“, so Grund. Sie löse aber die zugrunde liegenden ökonomischen Probleme nicht.
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Die Unternehmen hätten bereits gehandelt. Grund: „Viele Versicherer haben die Verwaltungskosten gesenkt, die Eigenmittel gestärkt und die Überschussbeteiligung reduziert. Außerdem haben sie Produkte mit flexibleren Zinsgarantien entwickelt. Der Markt nimmt das an.“ Nach Einschätzung der Bafin werde 2020 der überwiegende Anteil des Neugeschäfts von Produkten mit flexibleren Zinsgarantien kommen. Aufgeschobene Rentenversicherungen und kapitalbildendende Policen machten 2020 „voraussichtlich keine 15 Prozent“ des Neugeschäfts mehr aus, so Grund.
„Machen wir uns aber nichts vor, das kapitalschonende Neugeschäft hilft den Unternehmen nur langfristig. Sie sitzen nach wie vor auf einem erheblichen Bestand an Verträgen mit einem hohen Garantiezins“, erklärte der Bafin-Mann. Der durchschnittliche tarifliche Garantiezins der Lebensversicherer habe Ende 2018 noch 2,83 Prozent betragen. Zum gleichen Stichtag habe der durchschnittliche bilanzielle Garantiezins wegen der Zinszusatzreserve bei 1,94 Prozent gelegen. „Das ist immer noch recht viel angesichts des niedrigen Wiederanlagezinses, den wir heute haben“, sagte Grund.
In jüngster Zeit sechs Run-off-Deals
Ein Ausweg aus dieser Situation sei die Bestandsübertragung: Sechs Run-off-Deals habe es zuletzt gegeben – mit einem Marktanteil von unter 10 Prozent. „Derzeit zeichnen sich keine neuen Fälle ab“, so Grund. Die mit Abstand größte Transaktion sei die der Generali gewesen. „Dabei prüfen wir sehr genau, ob der Bestands-Übernehmer das operativ leisten kann? Ist er in der Lage, die Interessen der Kunden langfristig zu wahren.“ Nur wenn die Bafin glaube, dass das gewährleistet sei, gebe sie ihr OK.
Einen kurzen Ausblick gab Frank Grund auch auf das kommende Jahr: Zum 30. Juni 2020 werde die europäische Aufsichtsbehörde Eiopa der EU-Kommission technische Vorschläge zur Überarbeitung von Solvency II vorlegen. „Hier sind wir sehr aktiv in die Erarbeitung der Vorschläge eingebunden. Wir achten dabei darauf, dass die Bedürfnisse für langfristige Garantien von Lebensversicherern gewahrt werden“, so Grund. „Es geht uns um eine sachgerechte Kapitalanforderung an Unternehmen mit stark illiquiden Verpflichtungen wie der deutschen Lebensversicherung.“ Ob und wie der Drahtseilakt zwischen ökonomisch richtiger Abbildung der Risiken und zu großer Belastung der Unternehmen funktioniere, „werden wir uns in einem Testlauf im März 2020 anschauen“, erklärte der Chef-Versicherungsaufseher.
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