- Von Redaktion
- 05.12.2018 um 09:20
Die weiteren Vorteile gegenüber den Etablierten fasst One-Geschäftsführer Stephan Ommerborn so zusammen: „Keine Lasten wie in die Tage gekommene Prozesse, keine teure IT, die mitgezogen werden muss. Ich schätze, dass etablierte Versicherer rund 80 bis 85 Prozent ihrer Aufwände in die Administration und Wartung investieren.“ Daneben gebe es die Last, dass Verträge einst zu Rechnungsgrundlagen abgeschlossen worden seien, die heute teilweise nicht mehr erfüllt werden könnten. „Und schließlich die aufgrund von Zinsverfall und Margendruck ungemein wichtige Effizienz. Digitale Versicherer können in der Kostenquote 70 Prozent unter dem Schnitt der traditionellen Versicherer produzieren.“
Weitaus diffiziler als Sachprodukte zu entwickeln ist es, digitale Renten- und Berufsunfähigkeitsversicherungen auf den Markt zu bringen. Das zeigt sich am Beispiel der beiden nicht Bafin-lizenzierten Insurtechs Fairr und Getsurance, die beim Start ihrer jeweiligen Produkte ordentlich Gegenwind aus dem Markt bekamen. Fairr startete im Juli 2014 den Riester-Fondssparplan „Fairriester“ und warb mit niedrigen Kosten und einer hohen Aktienquote durch Beteiligung an einem „professionell strukturierten Portfolio der Sutor Bank“.
Holpriger Start bei Fairr
Die Kritik kam prompt, etwa von Versicherungsmakler Wladimir Simonov aus Landshut: Die genannten Kosten seien nicht alle, die bei diesem Riester-Produkt anfielen. „Den größten Kostenberg – die biometrischen Kosten für die Absicherung des Langlebigkeitsrisikos – werden die Kunden erst dann entdecken, wenn sie in Rente gehen.“ Nach Ende der Ansparphase müsse nämlich eine Rentenversicherung abgeschlossen werden, um die Rentenzahlungen jenseits von 85 Jahren sicherzustellen. Das sei Versicherungen vorbehalten, Fondshäuser oder Banken könnten das nicht. Und wie hoch sind diese Kosten? Das könne Fairr noch nicht sagen, so Simonov: „Sie haben noch nicht einmal einen Versicherungspartner gefunden, der die Verrentung übernimmt.“
Holprig sei der Start denn auch verlaufen, erinnert sich Mitgründer und Produktentwicklungschef Alexander Kihm an diese Zeit. Nach dem „innovativen“ Riester-Produkt hätten nach dem „plötzlichen Bashing“ nicht so viele Kunden gesucht wie erhofft. „Inzwischen hat sich die Stimmung aber sehr entspannt und unser Absatz läuft mindestens wie geplant – vor allem auch ohne unschönes Push-Marketing“, so Kihm. Mittlerweile hat man mit der My Life auch einen Versicherer für die Zusammenarbeit gefunden, und nach Riester kamen noch eine Rürup-Rente, eine Direktversicherung für die betriebliche Altersvorsorge und ein ETF-Sparplan zum Produktangebot hinzu.
Einfach und schnell soll es sein
Getsurance bekam es bei seiner digitalen Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) „Getsurance Job“ unter anderem mit der Verbraucherzentrale Hamburg zu tun. Angetreten war man im Juni 2017 als „Amazon der Lebensversicherungen“ und als „Deutschlands einfachste BU“. Die Verbraucherschützer überzeugte das Angebot nicht. Den Basistarif könne man nicht als BU bezeichnen, da er nur eine Berufsunfähigkeit nach Unfällen abdecke, und Unfälle seien nur in weniger als 10 Prozent der Fälle Ursache für eine BU. Versicherungsmakler störten sich daran, dass eine Klausel eine Leistung bei „riskanten“ Freizeittätigkeiten ausschloss. Das Wörtchen „riskant“ sei nicht klar definiert, was im Leistungsfall zu Problemen führen könnte.
Getsurance reagierte aber recht prompt auf die Kritik. Im September 2017 meldete das Insurtech, die Bedingungen für Getsurance Job überarbeitet zu haben. Neben der Abschaffung des Basis-Tarifs betreffe die wichtigste Änderung die Ausschlüsse riskanter (Freizeit-) Tätigkeiten. Da eine Definition von „riskant“ aus Sicht von Vermittlern und Verbraucherschützern problematisch sei, habe man die Ausschlüsse gestrichen. „Wir reagieren mit den Änderungen auf die kritischen Hinweise einzelner Makler sowie der Verbraucherzentrale Hamburg“, erklärte Viktor Becher, Gründer von Getsurance. „Als junges Unternehmen wollen wir uns stetig verbessern und nehmen konstruktive Kritik ernst.“
Muss ein BU- oder PKV-Abschluss in fünf Minuten wirklich sein?
Ein Kritikpunkt aber bleibt bestehen und trifft auch auf Ottonova zu: Ist es wirklich gut, eine Berufsunfähigkeits- oder Krankenversicherung in „ein paar Minuten“ (Ottonova) oder „fünf Minuten“ (Getsurance) abzuschließen? Nein. Schwierig ist es als Laie schon, die Gesundheitsfragen richtig zu beantworten. Was muss ich angeben, was nicht? Und was steht eigentlich in meiner Krankenakte?
Erst vor Kurzem wurde bekannt, dass Ärzte auf Hinarbeiten der Krankenkassen Patienten kränker machen, als sie sind, um mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds zu bekommen. So wird aus einer depressiven Verstimmung mal eben eine Depression, von der der Patient nichts weiß und die er daher nicht auf dem Fragebogen angibt. Im Ernstfall kann der Versicherer dann die Leistung verweigern. Daher gehört der Blick in die Krankenakte zur Vorbereitung auf den Abschluss eines BU-Vertrags. Bekommt der Kunde dabei Hilfe von den digitalen Anbietern? Hm. Bei allen Versprechen der neuen Versicherer-Generation gilt daher: Erst im Leistungsfall wird sich für den Kunden offenbaren, wie gut ein Versicherungsangebot – analog oder voll digital – tatsächlich ist.
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