Stephan Busch (links) und Tim Schreitmüller (rechts) von CoachMeNetto interviewen Menschen aus der Branche zum Thema Honorarberatung. Dieses Mal: Karl Matthäus Schmidt. © CoachMeNetto/Quirin Privatbank
  • Von Redaktion
  • 17.05.2023 um 15:55
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Für die Interview-Reihe „Mit Vision – Über die Lage der Honorarberatung“ luden Stephan Busch und Tim Schreitmüller dieses Mal Karl Matthäus Schmidt zum Gespräch. Er ist Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank, der ersten Honorarberaterbank Deutschlands – und damit ein überzeugter Verfechter der Honorarberatung.

Mal ehrlich: Kommt es, wenn es um die Zufriedenheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern geht, wirklich auf die Vergütung an?

Nein, natürlich ist die Vergütungsform per se absolut zweitrangig. Aber der springende Punkt ist ja, dass die Form der Vergütung in diesem Falle in erheblichem Ausmaß über die Qualität der Anlage-Empfehlungen entscheidet: So bekomme ich bei der Sparkasse oder der Deutschen Bank eben nur teure hauseigene Fonds angeboten und nicht das deutlich größere Gesamtangebot des Marktes. Ich habe also eine viel geringere Auswahl, muss daher irgendein Produkt nehmen, das am Ende gar nicht so gut zu mir passt und meist unnötig teuer ist. Nur die Entkopplung von den Provisionen kann diesen Konflikt zugunsten der Anleger auflösen.

Jede Generation bringt Veränderung mit und hat eine andere Erwartung an das Leben und an Konsum. Welchen Handlungsbedarf siehst du in der Versicherungs- und Finanzbranchebranche?

Die gesamte Finanzbranche hat den seit Jahren überfälligen und erforderlichen Wandel lange verschlafen und versucht nun krampfhaft, Land zu gewinnen, um nicht den ganzen Kuchen den Fintechs und GAFAs dieser Welt überlassen zu müssen. Die nachkommenden Generationen, die im Alter meiner Kinder sind, agieren ganz anders – sie brauchen keine Bank und kennen Filialen meist nur von außen. Sie nutzen Apps, die spielerisch zu bedienen sind und sich geschmeidig in den Alltag integrieren. Davon sind die allermeisten Banken und Versicherer derzeit noch Lichtjahre entfernt.

Welche Schritte sind in deinen Augen gerade zu Anfang wichtig, um den Switch in die Honorarberatung erfolgreich zu schaffen?

Das klingt, als wäre das ein besonders schwieriger, herausfordernder Schritt – das ist es aber gar nicht. Man muss einfach nur die Vorzüge der unabhängigen Beratung erkennen: Honorare stellen den Berater und den Kunden auf eine Stufe, sie bedeuten kontinuierliche Erträge, ich muss nicht das ganze Jahr zusehen, dass meine Kunden neue Produkte abschließen, die Erträge fließen von ganz alleine. Das ist natürlich kein Freifahrtschein – der Kunde muss sich trotzdem gut aufgehoben fühlen und die Rendite muss stimmen. Davon abgesehen braucht es keine besonderen Schritte, um den Wechsel der Systeme zu vollziehen.

Welche Ansätze und Lösungen siehst du, um die Akzeptanz für Honorarberatung in Deutschland zu steigern?

Der einfachste Weg wäre ein Provisionsverbot. Doch die Politik will Provisionen nicht verbieten, weil eine Beratungslücke befürchtet wird. Wenn ich das lese, wird mir klar, dass Aufklärungsarbeit scheinbar vor allem auf politischer Ebene dringend nötig ist. Denn nein, durch die Honorarberatung entsteht keine Beratungslücke, wie die Bankenlobby das seit Jahren proklamiert. „Viele Kunden hätten bei einem Provisionsverbot keinen Zugang mehr zu einer adäquaten Beratung“, so die Argumentation. Fakt ist aber: Die heutige Beratung ist keine Beratung, sondern plumper Produktverkauf. Wenn ich den Satzteil „adäquate Beratung“ durch „plumpen Produktverkauf“ ersetze, komme ich auf: „Viele Kunden hätten bei einem Provisionsverbot keinen Zugang mehr zu einem plumpen Produktverkauf“ – und dann wiederum kann ich nur sagen: Na, Gott sei Dank!

Genau dieses Provisionsverbot, das du forderst, ist aktuell in der Diskussion. Warum sprichst du dich dafür aus?

Es wäre aus Anlegersicht toll, wenn das Provisionsverbot dieses Mal wirklich käme, nachdem es schon so oft politisch diskutiert wurde. Denn Fakt ist: Die Folgen einer durch Provisionsanreize falschen Beratung zeigen sich erst Jahre später. Beim Autokauf kann ich eine Runde um den Block fahren, um die Funktionsfähigkeit des Wagens zu testen, eine Geldanlage aber kann man nicht Probe fahren. Die Qualität einer Anlageberatung zeigt sich erst nach 10, 20 oder 30 Jahren. Und dann kann es eben gegebenenfalls zu spät sein, um die eigentlichen Anlageziele noch zu erreichen. Obwohl Verbraucherschützer seit Jahren das Quirin-Prinzip für alle Banken fordern, ist bisher nicht viel in dieser Richtung passiert. Deshalb glaube ich auch dieses Mal nicht wirklich daran, dass ein Provisionsverbot kommen wird. Die Lobby der Provisions-Banken ist einfach zu stark und man will die krisengebeutelten Banken nicht noch mehr belasten. Schade ist das vor allem aus Anlegersicht – aber sie haben ja eine Alternative: uns.

Über den Interviewpartner

Karl Matthäus Schmidt hat das deutsche Bankensystem mehrfach entscheidend geprägt und beeinflusst. Er ist Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank, der ersten Honorarberaterbank Deutschlands. Diese wurde 2006 gegründet, 2013 übertrug der gebürtige Nürnberger das unabhängige Geschäftsmodell in die digitale Welt mit der Gründung von quirion – und brachte so auch den ersten Robo-Advisor auf den deutschen Markt.

Über die Autoren

Tim Schreitmüller ist digitaler Stratege mit Versicherungs-Know-how von der LV 1871. Stephan Busch ist Versicherungsmakler und Inhaber von Progress Finanzplaner.  Tim und Stephan sind die Köpfe von CoachMeNetto.

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