- Von Oliver Lepold
- 20.01.2020 um 14:59
Pfefferminzia: Welches sind derzeit die größten internationalen Risiken für die Wirtschaftsentwicklung und die Börsenstimmung?
Craig Mackenzie: Unsere größte Sorge ist die derzeitige Verlangsamung im Wirtschaftswachstum, die sich zu einer ausgewachsenen Rezession wandeln könnte. Nach unseren auf Indikatoren beruhenden Berechnungen sehen wir eine Wahrscheinlichkeit von etwa 25 Prozent, dass es zu einer Rezession kommt. Ein Haupttreiber dafür ist der Handel. Die weltweit neu eingerichteten Zölle bremsen den Handel und falls der Handelskrieg zwischen den USA und China sich doch wieder entfachen sollte, kann das ausreichen, um uns 2020 in die Rezession zu stürzen. Wir haben allerdings Hoffnung, dass die Stimuli der FED und der EZB ausreichen, um dies zu verhindern.
Weitere geopolitische Risikofaktoren sind die Konflikte im mittleren Osten. Wobei die Lage in Syrien oder Libyen dafür vermutlich weniger bedeutend ist als die Spannungen im Iran. . Wenn etwa der Iran weitere Sanktionen auferlegt bekommt, könnte der Ölpreis deutlich weiter steigen. Das wäre ein großer Schock, auf den die Welt nicht eingestellt ist.
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Welche wirtschaftlichen Konsequenzen hat der Brexit für die Wirtschaft in Deutschland und Europa?
Für Großbritannien ist der Brexit ökonomisch sicher das größte Risiko, insbesondere wenn bis Ende 2020 kein Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU abgeschlossen wird. Für den Rest Europas ist der Effekt zwar nachteilig, aber von geringerer Bedeutung. Die meisten Ökonomen erwarten für einen No-Deal-Brexit einen zusätzlichen Rückgang der britischen Wirtschaft um 5 Prozent über die nächsten zehn Jahre. Für Deutschland würde dies nur ein Minus von einem halben Prozent Wachstum ausmachen, im Vergleich zu den Vorhersagen ohne No-Deal-Brexit. Denn die deutsche Wirtschaft hängt vom Inlandskonsum ab und von Exporten nach China und in den Rest der Welt. Großbritannien spielt da nur eine untergeordnete Rolle.
Was würde der No-Deal-Brexit für deutsche Privatanleger bedeuten?
Wer in Werte investiert ist, die auf das britische Pfund lauten, wird wohl ein Problem bekommen. Trotz der Schwäche der Währung nach dem Brexit-Referendum erwarten wir, dass die Währung unter Druck geraten und etwa 10 Prozent verlieren wird. Daher sollten britische Investments gegen das Währungsrisiko abgesichert werden.
Welche Asset-Klassen sollten aufgrund des Brexits gemieden werden? Welche werden profitieren?
Sie sollten auf jeden Fall britische Immobilienwerte meiden und insbesondere Gewerbeimmobilien. Einige defensive Investments, wie britische Staatsanleihen werden wahrscheinlich steigen, da sie als „sicherer Hafen“ dienen.
Was bedeutet das für britische Unternehmensaktien?
Der britische Aktienindex FTSE 100 ist hauptsächlich durch internationale Werte bestimmt, wie Royal Dutch, HSBC, BP, AstraZeneca, GlaxoSmithKline, Diageo und so weiter. 70 Prozent der Gewinne der Unternehmen im FTSE 100 werden durch internationale Umsätze bestimmt. Wenn das Pfund abwertet, werden diese internationalen Tätigkeiten entsprechend wertvoller. Wir glauben, dass eine Anlage in britischen Aktien ziemlich stabil gegenüber den Auswirkungen des Brexits ist wie schon am Tag der Brexitentscheidung. Auf längere Sicht können britischen Aktien sogar eine interessante Beimischung sein. Die meisten internationalen Anleger haben sich vom britischen Aktienmarkt verabschiedet. Die Bewertungen der britischen Unternehmensaktien sind derzeit so günstig wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr und somit auch im relativen Vergleich zu anderen Aktienregionen. Damit ist das derzeit der billigste Markt für Aktien weltweit und eine eindeutige Kaufgelegenheit.
Sehen Sie für 2020 weitere Chancen in anderen Asset-Klassen?
Da wir mit einer Rezession rechnen müssen, sollte man sich um eine ausreichende Risikostreuung bemühen. Staatsanleihen bieten zwar einen Rezessionsschutz liefern jedoch null- oder negative Renditen. Infrastrukturwerte hingegen sind eine gute Alternative, sie bieten eine Rendite von 5 bis 6 Prozent, weisen kaum Korrelation zu Aktien auf und liefern stabile Cash-Flows im gesamten Wirtschaftskreislauf. Damit können das Risiko durch Diversifizierung gesenkt und die Renditechancen erhöht werden. Eine weitere Alternative sind Schwellenländeranleihen in Lokalwährung. Auch sie bieten attraktive Renditen, eignen sich zur Diversifizierung und weisen eine attraktive Korrelation zu Unternehmensaktien auf.
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