- Von Andreas Harms
- 03.11.2023 um 16:05
Heute haben die Kollegen von „Börse-Online“ mal wieder einen Klassiker aus der Schublade geholt: die gute alte Weihnachts-Rally am Aktienmarkt. Und damit die Hoffnung auf ein kleines bisschen Weihnachtsgeld. Nur wird das wohl ausfallen, denn die Überschrift lautet: „Darum wird es keine Rallye für Aktien bis zum Jahresende geben“. Andere Magazine und Zeitungen haben schon einen ähnlichen Blues angeschlagen, nachdem sie noch eine Weile Hoffnung schürten.
Aber was hätten denn diese Leute mit einer Weihnachts-Rally gemacht? Verkaufen die dann alle ihre Positionen und gehen davon fett einkaufen? Wahrscheinlich nicht. Das ist eher so ein Wohlfühlding, wenn zum Jahresende die Anlagen dann doch irgendwie im Plus liegen.
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Ich muss sowieso zugeben, dass sich meine Trauer in sehr überschaubaren Grenzen bewegt. Stattdessen frage ich mich ernsthaft, wie man sich in der aktuellen Zeit überhaupt eine Aktien-Rally wünschen kann. Denn sie wäre komplett ungerechtfertigt und würde einfach nur aus heißer Luft bestehen. Beste Voraussetzungen für einen Kurseinbruch im kommenden Jahr wären das dann.
Denn machen wir uns einmal klar, in welcher Lage sich die Märkte gerade befinden. Nach jahrelangem Doping durch billiges Geld der Notenbanken sorgt ein beispielloser Zinsanstieg für brutale Entzugserscheinungen (wie ich hier schon ausführte). Der Investoren-Papst Warren Buffett sagte einmal: „Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer die ganze Zeit ohne Badehose geschwommen ist.“ Nun haben die Notenbanken die Ebbe eingeläutet und den Preis für Geld, also den Zins, erhöht.
Italien bald unten ohne
Definitiv keine Badehose haben zahlreiche Start-ups sowie hochverschuldete oder wahlweise defizitäre Unternehmen an. Spotify zum Beispiel hat bis 2022 noch keine einzige schwarze Jahreszahl geschrieben. Warum auch? Investorengeld war ja billig. Aber auch die USA als Schuldner selbst bekommen jetzt ernsthafte Probleme. Und – ich lehne mich mal aus dem Fenster – bald wird auch Italien (144 Prozent Schulden, gemessen am BIP) finanziell unten ohne dastehen und die nächste Eurokrise einläuten.
Geld hat wieder einen Wert, und wer keins hat, hat plötzlich ein so nicht mehr geahntes Problem. Verbraucher müssen ihre Ausgaben überdenken. Material- und Energiekosten für Unternehmen sind stark gestiegen. Angestellte verlangen (durchaus nicht zu Unrecht) mehr Geld. Können das die Umsätze der Arbeitgeber abfangen? Mit so einem Paradigmenwechsel muss der Markt erst einmal klarkommen und sich zurechtruckeln. Das geht nicht in ein paar Monaten und dann steigen … tralala … die Kurse einfach weiter.
Hand aufhalten und einsammeln
Und das ist auch gar nicht nötig. Denn jetzt ist die Zeit, auf die ich so lange gewartet habe. Ich habe die Nullzinspolitik immer mit Sorge gesehen, und ich habe immer auf den großen Krach gewartet (und damit verglichen läuft das alles gerade noch sehr milde ab). Ich halte die Hand auf und sammle die purzelnden Aktien ein – denn meine Investmentsparpläne laufen ganz wunderbar weiter und die Fondspolice sowieso.
Das Zauberwort heißt nämlich nicht Rally, sondern Geduld. Es wird die Zeit wieder kommen, in der Unternehmen solide Gewinne schreiben (mehr will ich ja gar nicht) und gut durchdachte Dividenden ausschütten. In der die Aktienkurse einigermaßen stimmen und vielleicht auch wieder ein bisschen steigen.
Und solange wird weitergekauft.
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