- Von Sabine Groth
- 26.03.2024 um 13:56
Die Kritik am Generationenkapital (Aktienrente) ebbt nicht ab. Jetzt melden sich auch Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) und das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS) gemeinsam zu Wort und gehen damit hart ins Gericht.
Das Generationenkapital ist zentraler Teil des Rentenpakets II, für das seit Anfang März ein Referentenentwurf vorliegt. Bis 2035 sollen schuldenfinanzierte Mittel des Bundes am Kapitalmarkt investiert und so ein Vermögen von rund 200 Milliarden Euro aufgebaut werden. Aus diesem Kapitalstock soll dann die gesetzliche Rentenversicherung mitfinanziert werden.
„Das hat mit Kapitaldeckung nichts zu tun“
Das Generationenkapital gilt für das umlagefinanzierte Rentensystem als Einstieg in die Kapitaldeckung. Diese Bezeichnung gefällt IVS und DAV gar nicht. „Kapitaldeckung liegt vor, wenn aus unbelasteten Beiträgen ein Kapitalstock angespart wird, aus dem später die Leistungen gezahlt werden – so funktionieren die betriebliche Altersversorgung und die private Rentenversicherung“, erläutert Maximilian Happacher, Vorstandsvorsitzender der DAV.
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„Das Generationenkapital bedient sich dagegen eher der Finanzierungsmethoden eines gehebelten Hedgefonds: Kredit aufnehmen, riskant investieren, die Kreditzinsen mit den Investmenterträgen bezahlen und den Gewinn einstreichen. „Das hat mit Kapitaldeckung nichts, aber rein gar nichts zu tun“, schimpft Happacher und fordert entsprechende Einordnungen im Gesetzentwurf ersatzlos zu streichen.
Nicht plausibel und zu hohe Renditeerwartungen
IVS und DAV stören sich aber nicht nur an Begriffen. „Die zugrunde liegenden Berechnungen, insbesondere die Annahmen zu den erwarteten Renditen und Darlehenszinsen, sind intransparent und lassen sich nicht nachvollziehen. Wir gehen auf Basis unserer eigenen Einschätzungen davon aus, dass die realistisch erzielbaren Renditen dauerhaft nicht ausreichen, die geplanten Ausschüttungen und die Zinskosten zu finanzieren“, so Happacher. Die Aktuare halten die benötigten Renditeanforderungen für unrealistisch hoch. Zudem sehen sie Unplausibilitäten in der Planungsrechnung.
Wenn die Renditeerwartungen sich nicht erfüllen und weniger Kapital aufgebaut werden kann, könnten die Beitragssätze weiter steigen. IVS und DAV plädieren dafür, dass nicht die Beitragszahlenden das Kapitalanlagerisiko aus dem Generationenkapital tragen, sondern der Bund das Risiko übernimmt und gegebenenfalls fehlende Mittel bereitstellt, um den Beitragssatz zu stabilisieren.
Insgesamt sehen IVS und DAV im Generationenkapital keine Lösung der Finanzierungprobleme der gesetzlichen Rentenversicherung. Zu viel Last werde den jungen Generationen aufgebürdet. Die Finanzierung der gesetzlichen Rente müsse daher an den demografischen Tatsachen ausgerichtet werden. Der Nachhaltigkeitsfaktor sollte wieder volle Geltung bekommen und damit der Verschiebung des Verhältnisses zwischen Anwärtern und Rentnern in der Finanzierung Rechnung getragen werden. Außerdem sprechen sich die Aktuare weiterhin dafür aus, das Renteneintrittsalter an die Entwicklung der Lebenserwartung zu koppeln.
Peter Schramm
Vor 8 MonatenSelbstverständlich ist es Kapitaldeckung, wenn das Kapital aus aufgenommenen Schulden stammt.
Deutsche Lebensversicherer haben bereits vor Jahrzehnten ähnliches angeboten, wenn etwa eine Immobilien- oder Praxisfinanzierung tilgungsfrei endfällig gestellt wurde, um die ersparte Tilgung zur Beitragszahlung für eine Lebensversicherung zu verwenden. Die nicht nur Steuervorteile bieten sollte, sondern auch mit ihren Überschüssen höhere Kapitalerträge, als zur Zinszahlung erforderlich waren.
Nicht nur Britische Lebensversicherungen haben gleich den gesamten Einmalbeitrag aus vom Kunden dafür aufgenommenen Darlehen finanziert, mit ggf. einem kleinen Anschub aus Eigenmitteln, der allerdings großenteils für Provisionen verbraucht wurde. Die von Versicherungsmathematikern entworfenen und später durch sie verteidigten nicht offensichtlich unrealistischen Berechnungsmodelle sahen dann vor, dass aus den Rückzahlungen und Erträgen der Lebensversicherung die Zinsen und Tilgungen des Darlehens laufend zu finanzieren waren, und am Ende (so nach 20 Jahren) schuldenfrei ein hohes Kapital in der Lebensversicherung übrig blieb, aus dem dann der Anleger eine gute Rente lebenslang erhalten konnte.
Es gab zwar dagegen später – weil die Erträge unerwartet nach nine eleven zurückgingen – zahlreiche Klagen wegen vermeintlich unrealistischer Modell-Berechnungen. Jedoch haben Versicherungsmathematische Sachverständige als Gerichtsgutachter sehr oft festgestellt, dass die Modelle durchaus aus damaliger Sicht nicht definitiv als unrealstisch zu werten waren.
Man könnte fragen, was denn die gleichen Mathematiker heute dazu gesagt hätten, wenn der Bund die durch Schulden aufgenommenen Beträge in ja wohl kaum ertragssreichere Lebensversicherungen investieren würde – wie bereits die Zulagen zu Riesterrenten, die ja auch die Staatsschulden erhöhen – oder auch nur bei Kapitalanlagegesellschaften in Versicherungskonzernbesitz.
2 Kommentare
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kommentierenmarkus.rieksmeier@googlemail.com
Vor 8 MonatenWo ist bitteschön der Nachrichtenwert, wenn Mathematiker (Mathematiker!) tatsächlich komplett zahlenfreie Prosa in Umlauf bringen? Weder für die Position der „erzielbaren Renditen“, noch die „benötigten Renditeanforderungen“ beim Generationenkapital geben die DAV-Aktuare (immerhin die schlauesten mathematischen Köpfe Deutschlands!) irgendwelche Prozentzahlen an! Auch deren etwas längere offizielle gemeinsame Pressemitteilung zusammen mit dem IVS auf Aktuar.de vom 25. März ist in Bezug auf Rendite-/Erwartungen völlig zahlenfrei.
Peter Schramm
Vor 8 MonatenSelbstverständlich ist es Kapitaldeckung, wenn das Kapital aus aufgenommenen Schulden stammt.
Deutsche Lebensversicherer haben bereits vor Jahrzehnten ähnliches angeboten, wenn etwa eine Immobilien- oder Praxisfinanzierung tilgungsfrei endfällig gestellt wurde, um die ersparte Tilgung zur Beitragszahlung für eine Lebensversicherung zu verwenden. Die nicht nur Steuervorteile bieten sollte, sondern auch mit ihren Überschüssen höhere Kapitalerträge, als zur Zinszahlung erforderlich waren.
Nicht nur Britische Lebensversicherungen haben gleich den gesamten Einmalbeitrag aus vom Kunden dafür aufgenommenen Darlehen finanziert, mit ggf. einem kleinen Anschub aus Eigenmitteln, der allerdings großenteils für Provisionen verbraucht wurde. Die von Versicherungsmathematikern entworfenen und später durch sie verteidigten nicht offensichtlich unrealistischen Berechnungsmodelle sahen dann vor, dass aus den Rückzahlungen und Erträgen der Lebensversicherung die Zinsen und Tilgungen des Darlehens laufend zu finanzieren waren, und am Ende (so nach 20 Jahren) schuldenfrei ein hohes Kapital in der Lebensversicherung übrig blieb, aus dem dann der Anleger eine gute Rente lebenslang erhalten konnte.
Es gab zwar dagegen später – weil die Erträge unerwartet nach nine eleven zurückgingen – zahlreiche Klagen wegen vermeintlich unrealistischer Modell-Berechnungen. Jedoch haben Versicherungsmathematische Sachverständige als Gerichtsgutachter sehr oft festgestellt, dass die Modelle durchaus aus damaliger Sicht nicht definitiv als unrealstisch zu werten waren.
Man könnte fragen, was denn die gleichen Mathematiker heute dazu gesagt hätten, wenn der Bund die durch Schulden aufgenommenen Beträge in ja wohl kaum ertragssreichere Lebensversicherungen investieren würde – wie bereits die Zulagen zu Riesterrenten, die ja auch die Staatsschulden erhöhen – oder auch nur bei Kapitalanlagegesellschaften in Versicherungskonzernbesitz.