- Von Oliver Lepold
- 12.02.2025 um 12:09
Pfefferminzia: Wofür werden aktuell in der Versicherungswirtschaft KI-Anwendungen hauptsächlich genutzt?
Thorben Schlätzer: Hauptsächlich sehen wir KI in der Dokumentenverarbeitung, weil sehr viel in der Kommunikation von Versicherungen, Makler und Endkunde über Dokumente läuft. Ebenso in der E-Mail-Kommunikation. Das ist durchaus in der Breite verankert und ein Riesenthema geworden. In Marketing und Vertrieb geht es um Kampagnensteuerung und Social Media. Es geht aber nicht immer um Dunkelverarbeitung. Dort, wo es wichtig ist, sitzt immer noch ein Mensch. Viele Vermittler klagen darüber, zu wenig Zeit für ihre Kunden zu haben, weil sie mit Backoffice, Dokumentation, Vorbereitung, Marketing beschäftigt sind. Das kann sich durch KI maßgeblich ändern!
Es gibt verschiedene Arten der KI, die generative KI gilt als besonders interessant. Können Sie erläutern, was damit gemeint ist?
Schlätzer: Das ist die neueste Entwicklung, auch ChatGPT gehört dazu. Man gibt eine Information, in ein generatives KI-Modell, das kann ein Bild, Text, Sprache oder was auch immer sein. Und das KI-Modell generiert auf Basis des Kontextes, den man ihm mitgegeben hat, neue Informationen in unterschiedlichen Formaten.
Wie lassen sich Zeit und Kostenersparnis im Vermittleralltag durch KI quantifizieren?
Schlätzer: Das hängt natürlich extrem vom Anwendungsfall ab. Nehmen wir ein typisches Praxisbeispiel, die Erstellung von Social-Media-Content. Hier lässt sich erheblich Zeit sparen. KI-Systeme können einfach viel mehr Informationen aufnehmen und verarbeiten als ein Mensch und das dann auf einen Post verdichtet wiedergeben. Wir schauen dabei nicht nur auf die Qualifizierung der Kosteneinsparung, sondern auch auf die Qualität des Outputs.
Auf der Future- Ready- Veranstaltung der Standard Life im Oktober haben Sie KI-Videos präsentiert – ein Anruf der KI bei einem Kunden, der sich für eine Beratung interessiert, mit Ihrer menschlichen Stimme. Die KI hat dann jeweils spontan auf die Antworten des Kunden reagiert. Wie reagierten die Makler?
Schlätzer: Das ist sehr unterschiedlich, es reichte von Verblüffung bis hin zu Ablehnung. Das ist für mich eine natürliche Reaktion auf Dinge, die man so noch nie gesehen hat. Da schwingt vielleicht auch etwas Angst mit. Und das ist auch völlig okay. So sind wir Menschen gestrickt. Bei jenem Beispiel merkt der Kunde nicht unbedingt, dass ihn eine KI mit der Berater-Stimme anruft. Ich würde aber vorsichtig sein, einfach Leute mit so einem System anzurufen, sondern immer einen Disclaimer verwenden. Wir müssen das plakativ machen.
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Wie könnte das praktisch aussehen?
Schlätzer: Der Kunde ruft bei einem Vermittler an, der Anrufbeantworter geht ran und sagt, du hast zwei Möglichkeiten. Du kannst 10 Minuten warten, dann hat ein Mensch Zeit oder du sprichst sofort mit einer KI, die dir viele Fragen direkt beantworten kann. Im Zweifel kann dann immer noch an den Menschen weitergeleitet werden. Dann kann der Kunde die Entscheidung treffen, möchte er das oder möchte er das nicht? Diese Wahl muss man stets geben.
Gibt es Erkenntnisse, wie viele und wer dann mit der KI sprechen will?
Schlätzer: Wir machen dazu Tests, die noch nicht abgeschlossen sind. Ich vermute, dass vor allem diejenigen offen für die KI sind, die sich tagtäglich mit neuen Technologien beschäftigen. Aber wie das dann tatsächlich im Durchschnitt der Bevölkerung aussieht, kann ich noch nicht sagen.
Wie sollten Makler vorgehen, die sich mit KI zukunftssicher aufstellen möchten? Welcher Aufwand und welche externe Expertise sind dazu nötig?
Schlätzer: Es gibt bestimmt einige Makler, die technische Affinität aufweisen und sich die Anwendungen selbst organisieren. So lässt sich sicher auch schon einiges erreichen. Aber meist verfügen Makler über begrenzte Ressourcen und Kapazitäten und können keine Beratungsgesellschaften für dieses Thema beauftragen. Der erste Weg wäre dann zum Pool oder Versicherer, die in diesen Dingen bewandert sind und Angebote vorhalten. Oder zu kleinen Spezialisten wie uns, die auch eine Lösung zur Verfügung stellen, und zwar zu Kosten, die sich Makler auch leisten können.
Kann der Maklerberuf komplett automatisiert werden?
Schlätzer: Ich glaube, solange Menschen Menschen vertrauen, wird das nicht der Fall sein. Zumindest nicht zu 100 Prozent. Aber es gibt Gebiete, in denen virtuelle Makler erfolgreich sein können, bei einfach erklärbaren Produkten wie der KFZ-Versicherung funktioniert das schon ganz gut. Sobald eine Beratung notwendig ist, würde ich eine KI noch nicht auf Kunden loslassen. Ich persönlich kann mir auch nicht vorstellen, nur noch mit einer KI meine Finanzen und Versicherungen zu besprechen.
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