Matthias Beenken ist Wissenschaftler hat seit 2010 die Professur „Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Versicherungswirtschaft“ an der Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Wirtschaft, inne. © Matthias Beenken
  • Von Lorenz Klein
  • 12.10.2020 um 08:00
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„Ein Provisionsdeckel ist der falsche Ansatz“, stellt Wissenschaftler Matthias Beenken von der FH Dortmund klar. Wie der Vergütungsexperte die aktuelle Lage sowie die künftigen Aussichten im Versicherungsvertrieb beurteilt, erklärte er im Interview mit Pfefferminzia.

Pfefferminzia: Die Abschlussprovision steht bei Lebensversicherungen unter Beschuss. Alternative Vergütungsformen, wie Bestandspflegeprovisionen, gewinnen daher weiter an Bedeutung. Wie gut haben Vermittler aus Ihrer Sicht diesen Strukturwandel schon verinnerlicht und auch umgesetzt?

Matthias Beenken: Meines Erachtens ist durch die Corona-Pandemie eine neue Situation entstanden. Auch wenn konkrete Zahlen noch fehlen, muss man davon ausgehen, dass es in der Lebensversicherung signifikante Rückgänge im Neugeschäft gibt. Daher geht es aktuell weniger um Fragen eines längerfristigen Strukturwandels als vielmehr um das Überleben vieler Vermittler. Eine wichtige Rolle spielt dabei, wie sehr sowohl die Vermittler als auch deren Kunden schon vor Corona gewöhnt waren, Versicherungs- und Vorsorgethemen telefonisch oder in virtuellen Meetings zu erörtern, so dass der weitgehende Wegfall persönlicher Kundentermine weniger ins Gewicht fällt.

Gelingt Vermittlern das?

Laut einer aktuellen Umfrage des BVK – Bundesverands Deutscher Versicherungskaufleute, die ich begleitet habe, gibt es keinen gleichwertigen Ersatz ausfallender persönlicher Kundentermine durch zum Beispiel Videotermine. Hinzu kommt, dass Zeiten von Sorgen um die eigene Gesundheit, möglichem Arbeitsplatzverlust und anderen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie nicht ideal sind, dass Kunden Entscheidungen über neue Vorsorgeverträge und finanzielle Verpflichtungen treffen. Vor allem für Vermittler mit Fokus auf Personengeschäft heißt es deshalb, auf absehbare Zeit den Gürtel enger zu schnallen.

Anfang April berichteten Sie, dass neuere Zahlen zur Abschlussprovision für das Neugeschäft 2018 vorliegen, die ergaben, dass diese „im Mittel rund 14 Prozent niedriger als noch ein Jahr zuvor“ ausfielen. Inwieweit helfen diese Werte, einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung, der ja offenbar immer noch nicht auszuschließen ist, auszuräumen?

Die unterschiedlichen Zahlen beruhen wohl vor allem darauf, dass die Vergütungssysteme in der Praxis höchst komplex sind und sich nur schwer auf einfache Kennzahlen reduzieren lassen. Ich habe bei einer Anhörung im Bundesfinanzministerium zur Vorbereitung des Referentenentwurfs kritisiert, dass das Ministerium und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin auf Basis von wenigen und dazu sehr diskussionsbedürftigen Zahlen versuchen, einen vermeintlichen Missstand aufzeigen und zu regulieren. Trotzdem hat das Ministerium einen in Teilen nicht umsetzbaren Gesetzentwurf vorgestellt, der anders als behauptet den Kunden keinen Nutzen bringen wird. Zum Glück ist er nicht einmal von der Bundesregierung angenommen worden.

Wie sollte die Politik mit dem Thema Provisionsdeckelung künftig weiter verfahren?

Am besten sollten noch einmal in Ruhe und auf Basis valider Zahlen die tatsächlichen Probleme festgestellt werden, die jedenfalls nicht bei den marktüblichen Provisionsvereinbarungen liegen. Das Ministerium würde es sich zudem einfacher machen, wenn es das Thema Restschuldversicherung vom Verfahren abtrennt und vorzieht. Denn die Restschuldversicherung ist der einzige Bereich, in dem außer den betroffenen Versicherern niemand ernsthaft bezweifelt, dass es Handlungsbedarf wegen überhöhter Provisionen an die Banken gibt. Hier dürfte es schnell Konsens in der Politik geben.

Bei der Altersvorsorge dagegen sollte sich die Politik erst einmal darüber klar werden, ob sie nach wie vor an die freiwillige Vorsorge glaubt. Wenn ja, dann muss sie akzeptieren, dass es Anreize braucht sie zu verkaufen. Ein Provisionsdeckel ist der falsche Ansatz, wenn man die Bevölkerung mit einer guten, aber freiwilligen Altersvorsorge ausstatten und zugleich vermeiden will, dass Versorgungslücken letztlich vom Steuerzahler per Grundsicherung ausgeglichen werden müssen.

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Lorenz Klein

Lorenz Klein gehörte dem Pfefferminzia-Team seit 2016 an, seit 2019 war er stellvertretender Chefredakteur bei Pfefferminzia. Im Oktober 2023 hat Klein das Unternehmen verlassen, um sich neuen Aufgaben in der Versicherungsbranche zu widmen.

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