Norman Wirth ist geschäftsführender Vorstand des AfW Bundesverbands Finanzdienstleistung. © AfW Bundesverband Finanzdienstleistung
  • Von Oliver Lepold
  • 13.04.2021 um 08:32
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Wie sind die neuen Transparenzpflichten der Europäischen Union zum Thema Nachhaltigkeit in der Beratungspraxis umzusetzen? Norman Wirth, Vorstand des Bundesverband Finanzdienstleistung AfW, erläutert, worauf Makler achten sollten.

Pfefferminzia: Die Transparenzverordnung, kurz TVO, ist seit 10. März in Kraft. Für welche Vermittler gelten die Pflichten der Verordnung?

Norman Wirth: Sie gelten bei der Vermittlung von Finanzanlageprodukten und Versicherungsanlageprodukten. Eindeutig erfasst sind Versicherungsvermittler. Vom Wortlaut der Verordnung her sind Vermittler mit Zulassung nach Paragraf 34f Gewerbeordnung nicht betroffen. Aber ganz klar vom Sinn und Zweck her. Wir haben hier einen Redaktionsfehler, der sicher in absehbarer Zeit behoben wird. Der in der TVO verwendete Oberbegriff „Finanzberater“ spricht für eine gewollte Einbeziehung. Ich empfehle daher auch allen Finanzanlagenvermittlern die Anwendung. Ansonsten gibt es eine Ausnahme für Unternehmen mit weniger als drei Mitarbeitern. Allerdings ist nicht klar definiert, wer alles konkret mitgezählt wird, insofern empfehlen wir jedem die Berücksichtigung der Pflichten nach der TVO.

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Inwieweit berücksichtigen Makler bereits Nachhaltigkeitskriterien in ihrer Beratung? 

Aktuell ist das noch sehr schwer, da wir keine konkreten, einheitlichen Kriterien haben. Viele Produktgeber engagieren sich aber bereits sehr bei diesem Thema. Sie stellen häufig eigene Kriterienkataloge auf und bemühen sich um ein hohes Maß an Transparenz. Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten Monaten einen großen Schritt weiter sind.

Noch sind aber doch noch gar keine einheitlichen ESG-Kriterien abschließend formuliert. Wie weit ist die sogenannte Taxonomie der EU?

In der EU-Taxonomieverordnung sollen Standards festgelegt werden, wann Produkte und Kapitalanlagen als nachhaltig anzusehen sind. Nachhaltigkeit umfasst die ESG-Kriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Das ist ein extrem komplizierter Prozess. Geplant ist, dass zum 1. Januar 2022 zumindest die Regelungen zum Nachhaltigkeitsziel Klimaschutz getroffen sind.

Welche neuen Angaben müssen Makler laut TVO auf ihrer Website vornehmen?

Versicherungsmakler sind verpflichtet, den Kunden bestimmte Informationen zu geben, einerseits über die Webseite, sofern vorhanden, andererseits über die vorvertraglichen Informationen. Dabei geht es unter anderem darum, wie Makler Nachhaltigkeitsrisiken bei der Vermittlung und Beratung einbeziehen sollten. Und andererseits wie sie in der Anlage- oder Versicherungsberatung erklären, wann und wie sich nachteilige Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsfaktoren bei einer Investitionsentscheidung ergeben können.

Das klingt sehr kompliziert.

Es lässt sich aber recht einfach klären. Der Aufwand dafür ist sehr überschaubar. Die Details würden hier vielleicht etwas zu weit führen. Der AfW hat dazu gemeinsam mit dem Partnerverband Votum für die betroffenen Finanzberater praxisnahe und leicht umsetzbare Hinweise und Formulierungsvorschläge zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten entwickelt. Die sind auf den jeweiligen Webseiten der Verbände zu finden. (direkte Hinterlegung möglich? Ansonsten Link) Die Musterformulierungen, für die wir zum Teil auch Alternativen bieten, sind derzeit ausreichend.

Makler sollen zudem im Rahmen ihrer Vergütungspolitik angeben, inwiefern diese mit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken im Einklang steht. Was ist darunter zu verstehen?

Wir müssen bei dieser Information des Kunden unterscheiden zwischen der Vergütung, die der Vermittler von dem Produktgeber erhält, und der Vergütung, die der Vermittler seinen Mitarbeitern zahlt. Dabei macht die Verordnung keine Vorgaben, wie die Vergütung ausgestaltet wird. Es muss also nur mitgeteilt werden, ob es jeweils eine Mehrvergütung bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken gibt oder ob die Vergütung unabhängig von der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken erfolgt.

Eine neue Pflicht sieht vor, dem Kunden mitzuteilen, wie sich Nachhaltigkeitsrisiken auf die Rendite der vermittelten Finanzprodukte voraussichtlich auswirken kann. Genügt es hier, die entsprechenden Informationen der Produktgeber weiterzureichen?

Ja, das kann genügen. Diese sind aber branchenweit noch nicht auf dem wünschenswerten Niveau. Das ist aber eher dem Gesetzgeber zuzuschreiben als den Produktgebern. Es fehlen einfach noch detaillierte Vorgaben.

Wenn ein Makler bei bestimmten Kunden Nachhaltigkeitsrisiken aber als gar nicht relevant erachtet, wie kann er dann rechtssicher agieren? Ist es möglich, dass Kunden den Makler von seinen neuen, diesbezüglichen Informationspflichten befreien?

Da wäre ich grundsätzlich vorsichtig. Wenn Nachhaltigkeitsrisiken relevant für die Wertentwicklung einer Anlage sind, ist über sie, wie über andere Risiken auch, zu reden. Dabei kann auf die Informationen der Produktgeber zurückgegriffen werden. Dass ein Kunde, der unbedingt in Waffenproduzenten investieren will, nicht über die zerstörerische Wirkung von Waffen aufgeklärt werden muss, sollte klar sein. Erst recht kann ein Kunde auf Hinweise diesbezüglich verzichten.

Womit müssen Vermittler rechnen, die die Transparenzverordnung ignorieren?

Die Verordnung selbst sieht keine Sanktionen vor. Es bleibt insofern bei den allgemeinen, übergeordneten Sanktionen, wenn man als Unternehmen oder Gewerbetreibender Fehler macht. Es kann in erster Linie zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen kommen.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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