Der Vorstand des AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. (von links): Frank Rottenbacher, Norman Wirth (geschäftsführender Vorstand) und Matthias Wiegel. © AfW
  • Von Redaktion
  • 10.08.2021 um 16:54
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„Beratungsfreie Produkte in der Altersvorsorge darf es nicht geben.“ Mit dieser Hauptforderung wendet sich der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung im Vorfeld der Bundestagswahl an die Parteien. In einem Thesenpapier zur Bundestagswahl hat der Vermittlerverband fünf politische Anliegen aufgelistet. Was diese konkret besagen, erfahren Sie im Gastbeitrag des AfW-Vorstandes.

Die Bundestagswahl rückt näher. Die Sehnsucht nach einfachen Lösungen, die den Wahlberechtigten Patentlösungen vorgaukeln, hat die Wahlprogramme und dort leider auch unsere Branche erreicht. Der AfW hat hier eine klare grundsätzliche Position: Alle von solchen nur scheinbar einfachen Patentlösungen betroffenen Personen beziehungsweise Verbraucher:innen müssen beraten werden (können). Oder, um es konkreter zu formulieren: Beratungsfreie Produkte in der Altersvorsorge darf es nicht geben.

Es ist aus unserer Sicht vollkommen unverständlich, dass unsere Branche in den letzten 15 Jahren eine Regulierung nach der anderen durchlaufen hat, die stets den Verbraucherschutz durch verbesserte Beratungs- und Dokumentationsleistungen als Ziel hatte und nun der Gesetzgeber allen Bürger:innen Finanzdienstleistungsprodukte faktisch beratungsfrei andienen möchte. Wir glauben an die mündigen Bürger:innen/Verbraucher:innen, deren Bedürfnisse so individuell sind, dass Standardlösungen hier schlicht nicht passen. Insbesondere nicht, wenn der Staat diese Produkte entwickelt und managt.

Als Bundesverband Finanzdienstleistung glauben wir hingegen an den Wettbewerb und seine Innovationskraft. Einheitslösungen führen über kurz oder lang zu Stillstand. Welchen Anreiz gäbe es für staatliche Einheitslösungen, Produktinnovationen voranzutreiben oder Kosten zu sparen? Wettbewerb hingegen führt zu Innovationen und Kostenwettbewerb – ob in den Altersvorsorgesystemen oder bei der Krankenversicherung.

In der Altersvorsorge brauchen wir ein gefördertes Produkt, was die sinkenden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, zumindest abmildern kann. Die Politik hat gerade sehenden Auges die Riester-Rente zerstört, was für 16 Millionen Deutsche, die einen Riester-Vertrag haben, ein Schlag ins Gesicht bedeutet. Aber: diese Haltung zerstört auch das Vertrauen in ein mögliches Nachfolgeprodukt – wie immer es auch heißen mag. Sollte die Riester-Rente tatsächlich abgeschafft werden – was wir für einen eklatanten Fehler halten würden – bräuchte es unbedingt eine Alternative. Aber eine, die weniger bürokratisch ist und die weiter auf Beratung setzt. Ein rein digitales Produkt mit Opt-out-Möglichkeit lehnen wir aus den bereits oben genannten Gründen ab.

Keine „Einheitskasse“ in der Krankenversicherung

Auch das Thema Bürgerversicherung sehen wir sehr kritisch. Der PKV-Verband hat ermittelt, dass die Versorgung von Patienten:innen in Ländern mit einer „Einheitskasse“ wie Großbritannien, Frankreich oder den Niederlanden deutlich schlechter als in Deutschland ist. Und wenn die Beitragsbemessungsgrenze wegfallen sollte, kämen höhere Kosten auf die Arbeitgeber:innen zu. Nichts, was wir in Pandemiezeiten und in einer Erholung davon gebrauchen könnten.

Der AfW setzt sich dafür ein, dass alle Bürger:innen auf Wunsch Zugang zu einer unabhängigen Finanzberatung haben können. Dafür braucht es eine ausreichende Anzahl qualifizierter und engagierter Berater:innen. Leider haben wir bereits in der nun fast vergangenen Legislaturperiode politische Vorhaben erlebt, die bei ihrer Umsetzung zu einem dramatischen Rückgang der Vermittler:innenzahlen geführt hätten.

Kontra Provisionsdeckel

Ein Beispiel dafür sind politische Forderungen rund um die Vergütungssysteme von Vermittler:innen. Warum haben wir beispielsweise gegen einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung argumentiert? Man muss hier aufteilen in eine juristische und eine inhaltliche Komponente:

Zum juristischen: Wir haben mit unserem Gutachten des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes Professor Hans-Jürgen Papier und Professor Hans-Peter Schwintowski deutlich gemacht, dass der geplante Provisionsdeckel schlicht verfassungswidrig wäre.

Zum inhaltlichen: Es sollten durch einen Provisionsdeckel ja Provisionsexzesse vermieden werden. Es wurde aber nie definiert, ab wann so ein Provisionsexzess vorliegt oder gar Beispiele genannt. Der nur von Behauptungen getriebene politische Ansatz des Bundesfinanzministeriums und der SPD konnte sich zum Glück bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht durchsetzen.

Wenn nun das Thema Honorarberatung (mal) wieder forciert wird, ist das eine logische Konsequenz aus dem Scheitern des politischen Vorhabens, einen Provisionsdeckel zu installieren. Ein Verbot der Provisionsberatung lehnen wir klar ab. In Großbritannien kann man sehen, wohin das führen kann. So hat die Aufsichtsbehörde FCA im Bericht „Evaluation of the impact of the Retail Distribution Review and the Financial Advice Market Review“ das verheerende Urteil ziehen müssen, dass der Zugang zu Beratung für Kunden:innen mit kleinen Depots eingeschränkt wäre. Zahlen machen das deutlich: Die durchschnittlich von Beratern:innen betreute Depotgröße beträgt laut dem FCA-Report 150.000 britische Pfund und die Alternative für niedrigere Anlagevolumen durch „Robo-Advice“ Angebote mache nur einen „kleinen Teil des Gesamtmarktes aus“.

Pro Nebeneinander von Honorarberatung und Beratung auf Provisionsbasis

Ein Provisionsverbot würde zu einem deutlichen Rückgang des Angebots an flächendeckender, unabhängiger Finanzberatung führen und wäre somit ein Bärendienst am Verbraucherschutz. Das kann und darf nicht im Interesse der Politik sein. Aber einem Nebeneinander von Honorarberatung und Beratung auf Provisionsbasis können wir viel abgewinnen und unterstützen dies. Auch hier wird der Wettbewerb der Systeme zu Innovationen führen – wenn er fair geführt werden kann.

Diesen Gedanken folgend haben wir im Vorfeld der Bundestagswahlen folgende Forderungen – unabhängig von der politischen Konstellation nach der Wahl – an die Politik aufgestellt:

  1. Schaffung eines Level Playing Fields für Gewerbetreibende mit Zulassung nach den Paragrafen 34d, 34f, 34i Gewerbeordnung

Das beinhaltet insbesondere die (weitere) Vereinheitlichung der beruflichen Anforderungen insbesondere im Rahmen der Evaluierung der europäischen Regulierungspakete IDD und MiFid II. Dies sollte dringend auch unter Beseitigung unnötiger bürokratischer Hemmnisse vonstattengehen. Das beginnt bei einer Harmonisierung und Entschlackung der Kundenerstinformation und geht bis hin zu den Dokumentations-, Informations- und Beratungspflichten.

  1. Einheitliche IHK-Aufsicht

Es sollte für die unabhängigen Finanzberater:innen mit Zulassung nach den Paragrafen 34c, 34d, 34f, 34h, 34i Gewerbeordnung eine bundesweit einheitliche Aufsicht unter dem Dach der IHKen eingeführt werden.

Begründung: Soweit die IHKen bereits zuständig sind, haben sie bewiesen, dass sie dazu sehr gut in der Lage sind. Die bundesweite Aufsicht über die Versicherungsvermittler:innen (Paragraf 34d GewO) und die Aufsicht über die unabhängigen Finanzanlagenvermittler:innen (Paragraf 34f GewO) in diversen Bundesländern hat sich bewährt. Die IHKen sind bereit dazu, haben das fachliche Knowhow und sind in der Fläche vertreten. Auch im europäischen Vergleich haben sie bereits bewiesen, dass sie das strengste Regime führen – was aber in der Vermittlerschaft hohe Akzeptanz gefunden hat.

Seite 2: Was der AfW außerdem fordert

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