- Von Redaktion
- 16.04.2018 um 10:34
„Einkommen des Maklers wird an das Verhalten des Versicherers geknüpft“
Oliver Pradetto, Kommanditist Blau Direkt
Pfefferminzia: Die Bafin hat konkrete Vorschläge für die Begrenzung der Provisionen in der Lebensversicherung gemacht: Maximal 2,5 Prozent der Beitragssumme sollen Lebensversicherer künftig als Provisionen an den Vertrieb weitergeben dürfen. Für Vermittler mit geringer Kündigungsquote, wenig Beschwerden und zufriedenen Kunden können da oben drauf noch weitere 1,5 Prozent kommen. Wenn das so kommt: Welche Auswirkungen hätte das auf …
… einzelne Makler und Vermittler?
Oliver Pradetto: Auch wenn da noch etwas hinzukommt, kann ein Vermittler im besten Fall bei 40 Promille auslaufen. Damit sollten Makler aber nicht rechnen. Man muss erst einmal sehen wie das konkret ausgestaltet wird. Die Kundenzufriedenheit hat Versicherer bisher zumindest nicht in der Form interessiert, als dass die Branche Systematiken zur objektiven Messung entwickelt hätte. Was Beschwerden oder Kündigungsquoten angeht, hängt dies nicht allein am Makler ab, sondern wird vom schlechten Image des Produkts ebenso beeinflusst, wie von Überschusskürzungen oder Run-Off-Diskussionen.
Das Einkommen des Maklers wird demnach an das Verhalten des Versicherers geknüpft. Ich halte das für verfassungswidrig, aber am Ende nützt da keine Diskussion, denn bis man diesbezüglich ein Verfahren gewänne, sind die heutigen Maklerstrukturen bereits zerstört. Das Einkommen vieler kleinerer Makler ist schon jetzt zu niedrig. Jeder vierte hat weniger als 25.000 Euro. Nur jeder zweite erreicht mehr als 50.000 Euro. Da sind größere Verluste kaum zu verkraften.
40 Prozent unserer Partner geben an, Abschlussprovisionen seien ein wichtiger oder sehr wichtiger Bestandteil ihrer Einnahmen und dabei muss man sehen, dass unsere Betriebe im Mittel dreimal größer sind als der durchschnittliche Maklerbetrieb.
… das Geschäftsmodell von Maklerpools?
Maklerpools werden vor allem durch den Wegfall vieler Vermittler leiden. Zunächst einmal halbiert sich mit der Provision der Gesamtumsatz im Lebenbereich. Von den Vermittlern die wegfallen, fehlen aber auch die Umsätze in Sach und Krankenversicherung.
Am schlimmsten und kaum berechenbar: Wo Vermittler fallen, bedienen sie ihre Stornos oft nicht mehr. Die Pools haben zwischen 0 und 15 Prozent Courtagedifferenz behalten, haften aber zu 100 Prozent. Wenn die Versicherer einen Dominoeffekt vermeiden wollen, müssen sie ernsthaft überlegen, wie sie die Haftung auf die Vermittler des Pools begrenzen, sonst sterben zuerst kleinere Makler, dann kleinere Pools und die reißen mit teils schlecht gesicherten Beständen dann die nächsten Makler in den Untergang und deren Umsatz fehlt dann wieder weiteren Pools. Da sind am Ende sogar reine Deckungskonzeptanbieter und Sachpools betroffen. Das schaukelt sich mit etwas Pech soweit auf, dass am Ende kein Vertrieb mehr da ist.
… das Geschäftsmodell von Strukturvertrieben?
Richtig desaströs dürfte es für die Strukturvertriebe werden. Schon die Provisionsbegrenzung in der Krankenversicherung (KV) hat nahezu alle großen KV-Vertriebe in den Abgrund gezogen. Das blüht auch den Vertrieben. Aberwitzigerweise dürfte die Entwicklung aber den Pools nutzen, denn die fangen den Exodus der Strukturvertriebler in ihren Reihen auf.
An anderer Stelle wird man das mit den großen Geldbeuteln direkt aus der Versicherungskasse lösen. Vielleicht nimmt man einfach die übergeordneten Strukturen in Anstellungsverhältnisse und belastet so die Verwaltungskosten, statt die begrenzten Abschlussprovisionen. Letztlich ist das ein weiterer Skandal, denn damit deutet sich an, dass der Vorstoß des Bafin eine gigantische Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten von Vertrieben unter Kontrolle von Versicherern produziert.
Wie sollten Makler und Vermittler auf einen solchen Provisionsdeckel reagieren?
Ich glaube der Drops ist gelutscht und die Gegenwehr vergebens. Zunächst einmal sollten Makler sich den Verbänden anschließen, die nicht von alteingesessenen satten Maklern geleitet werden. Deren Chefs sind die Abschlussprovisionen nämlich egal, weil die vor allem jungen Vermittlern helfen. Die profitieren sogar davon, indem sie Bestände aufsaugen, wenn junge Vermittler kollabieren.
Als richtige Strategie würde ich es ansehen, wenn man darauf hinweist, dass eine Kürzung der Abschlussprovisionen nicht zwingend bessere Konditionen für den Kunden bedeuten. Eine stärkere und entschlossenere Begrenzung der Kosten hingegen schon. Im Ergebnis müssen die Versicherer dann zwar auch die Provisionen senken, aber das kommt dann wenigstens der Produktattraktivität für den Kunden zu Gute.
Es war ja nicht die Schuld der Vermittler, dass die Versicherer das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) in großem Stil umgangen haben. Was werden die Versicherer also wohl mit den Geldern tun, die man dem Vermittler nicht mehr geben muss? Auch bei der KV-Provisionsbegrenzung wurde die Selbstbedienungsmentalität der Branche angeprangert. Als Ursache für die ausufernden Beitragssteigerungen hat man damals auch die Vermittlerprovisionen ausgemacht.
Heute zeigt sich in Urteilen, dass die Versicherer ihre Beiträge nach eigenem Gusto festgelegt hatten und dafür den kontrollierenden Treuhänder fürstlich bezahlt, um nicht zu sagen bestochen hatten. Ich sage voraus, dass nicht ein einziger Euro durch die Provisionsbegrenzung beim Kunden ankommt. Stattdessen werden hintenrum die eigenen Vertriebe durch Gehaltsvereinbarungen aufgebläht werden. Die Verbraucherschützer lassen sich zum dritten Mal in Folge an der Nase rumführen. Unsere Verbände wären daher gut beraten, mit den Lobbyisten der Verbraucherschützer eine gemeinsame Initiative zu starten.
Wie dürfte sich eine mögliche Begrenzung aus Versicherer-Sicht darstellen: Eher als Erleichterung, weil man (endlich) mit den Kosten runtergehen kann? Oder eher als Bedrohung, da die Produkte möglicherweise nicht mehr so gut verkauft werden?
Die Versicherer stehen eigentlich hinter der Provisionsbegrenzung. Es ist ein Drama in drei Akten. Zuerst hält die Politik die Zinsen niedrig, um die Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen. Damit bringt sie Sparer – auch in der Lebensversicherung – aber um ihr Vermögen. Das will die Politik aber nicht zugeben, also schiebt sie die Schuld auf die Finanzwirtschaft.
Als nächstes bemerkt man, dass die Politik ein echtes Problem hat, wenn die ersten Lebensversicherer platzen, also schreibt man den Versicherern weitere Sicherungsmaßnahmen vor: die Zinszusatzreserve. Die lässt die Kosten der Versicherer explodieren und bedroht sämtliche Lebensversicherer akut. Das darf aber natürlich auch nicht an der Regierung liegen. Obwohl die Kostenplanung der Lebensversicherer 300 Jahre bestens funktioniert hat, müssen sie schuld sein.
Zuletzt stecken die Versicherer in einem Dilemma. Sie wissen, dass sie die Situation nicht überleben können und brauchen Erleichterung von der Politik. Die wird aber nicht ihren Fehler eingestehen, also muss ein Schuldiger her. Voilà! Der gierige Vermittler ist ein dankbares Opfer. Also machen die Versicherer einen schmutzigen Deal: Gebt uns Erleichterungen bei der Zinszusatzreserve, dafür zahlen wir weniger Provisionen.
Im Grunde haben sich die Versicherer Erleichterungen mit dem Geld anderer erkauft. Das kann einen schon sauer machen. Fairerweise muss man sagen, dass die Lebensversicherer nicht um diese Situation gebeten haben. Auch ist uns allen nicht geholfen, wenn die Lebensversicherung platzt. Dann verdienen Makler, Pools und Vertriebe nämlich noch weniger. Manchmal ist man eben in einer Situation in der man den schwarzen Peter ziehen musst.
Gäbe es Möglichkeiten für Versicherer, diese Begrenzung zu umgehen?
Für Makler: Nein. Sie wird hart sein. Mit mehr als 25 Promille sollten Makler besser nicht rechnen.
Versicherer und Vertriebe, die ihren eigenen Versicherer haben, können Kosten des Vertriebs in die Verwaltung überführen. Das werden sie auch tun. So werden gerade die größeren Versicherer sich Marktanteile sichern und die nicht neutral beratenden Ausschließlichkeitsagenturen stärken.
Aus Verbraucherschutzsicht ist das eine Katastrophe, aber leider haben die Verbraucherschützer das nicht begriffen. Mit unserer ewigen kleinkarierten Kritik an Verbraucherschützern haben sich Makler keinen Gefallen getan. Jetzt kriegen wir alle die Quittung.
Glauben Sie, dass der Vorschlag der Bafin eine Vorstufe zum Provisionsverbot ist? Welche Folgen hätte ein solches für den Versicherungsvertrieb in Deutschland?
Nein. Ich glaube der Bafin wirklich, dass es ihr gerade darum geht, ein Provisionsverbot zu verhindern. Ein Provisionsverbot würde letztlich wie zuvor schon in anderen Ländern dazu führen, das weniger Bürger sich privat versichern. Kurzfristig steht dann mehr Geld für Konsum zur Verfügung. Das fördert die Wirtschaft. Politikern gefällt das.
Langfristig fallen immer mehr Leute in die staatlichen Sozialsysteme. Das ist natürlich dramatisch, aber in diesen staatlichen Sozialsystemen werden reichlich Ämter für verdiente Parteimitglieder bezahlt und weil der Staat relativ ungehemmt auf Sozialversicherungen zugreifen kann, mehrt es auch die Macht der Politik. Eine hohe Staatsquote ist furchtbar für ein Land, aber gut für diejenigen, die das Land steuern. Ich fürchte, dass uns der Hinweis, dass ein Provisionsverbot für weniger Sicherheit der Bevölkerung sorgt, aus eben diesen Gründen wenig helfen wird.
Wir haben in dieser Gemengelage den schwarzen Peter. Das ist nun einmal so. Jetzt werden wir unsere Kreativität aufbieten, um das Beste für alle daraus zu machen. Am Ende muss man das als Herausforderung verstehen, die auch Chancen bietet.
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