Schreibt regelmäßig Gastbeiträge für Pfefferminzia und ist auch in unserem Podcast immer wieder zu hören: Der Hamburger Rechtsanwalt Stephan Michaelis. © Kanzlei Michaelis
  • Von Stephan Michaelis
  • 14.09.2021 um 17:02
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lesedauer Lesedauer: ca. 16:55 Min

Der Ausgang der anstehenden Bundestagswahl könnte auch für Versicherungsvermittler grundlegende Veränderungen mit sich bringen. Stichwort: Provisionsverbot. Aber wäre das überhaupt rechtens? Gemeinsam mit Hans-Peter Schwintowski, Professor an der Humboldt-Universität Berlin, hat sich Rechtsanwalt Stephan Michaelis dieser Frage angenommen.

b) Finanzprodukte zu riskant

Der zweite Vorwurf lautet, häufig würden Finanzprodukte angedreht, die zu riskant seien. Was mit diesem Vorwurf genau gemeint ist, bleibt offen. Möglicherweise sind Finanzprodukte gemeint, mit denen eine hohe Verlust- oder Ausfallwahrscheinlichkeit verbunden ist. Um Ausfallrisiken zu minimieren, sind die Produktanbieter verpflichtet, sämtliche Vermögenswerte so anzulegen, dass Sicherheit, Qualität, Liquidität und Rentabilität des Portfolios als Ganzes sichergestellt werden (Paragraf 124, Absatz 1, Nummer 2 VAG).

Dabei sind die Anlagen in angemessener Weise so zu mischen und zu streuen, dass eine übermäßige Abhängigkeit von einem bestimmten Vermögenswert oder Emittenten vermieden wird (Paragraf 124, Absatz 1, Nummer 7 VAG). Die Verwendung derivativer Finanzinstrumente ist nur zulässig, sofern diese zur Verringerung von Risiken beiträgt (Paragraf 124, Absatz 1, Nummer 5 VAG). Die Einhaltung dieser Grundsätze, die für Versicherer wie Banken in gleicher Weise bindend sind, unterliegen der Aufsicht der Bafin.

Über Paragraf 294, Absatz 4 VAG werden durch die Geeignetheitsprüfung der Kapitalanlagen im Versicherungsrecht seit langem umfangreiche materielle Finanzproduktprüfungen durchgeführt. Aufgrund der großen Schnittmengen der Portfolios von Banken und Versicherern findet auf diese Weise, quasi durch die Hintertür, so Anika Patz, eine umfangreiche materielle staatliche Aufsicht über Finanzinstrumente statt.

Richtig ist, dass die Finanzkrise Fehler im Aufsichtssystem und bei der Erfassung von Risiken in Asset-Backed-Securities (ABS) sowie Credit-Default-Swaps (CDS) offengelegt hat. Diese Fehleinschätzungen betrafen aber nicht den Markt für Kapitalanlageprodukte, sondern den Inter-Banken-Markt. Inzwischen sind die Fehlsteuerungen durch eine Vielzahl von Maßnahmen der G20-Staaten weitgehend korrigiert.

Da die Aufsicht der Bafin über Finanzprodukte, von einzelnen Missständen abgesehen, funktionsfähig ist, gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass Kundinnen und Kunden prinzipiell zu riskante Finanzanlagen vermittelt werden. Da dieser Vorwurf nicht trifft, vermag er keinen Übergang von der Provisions- zur Honorarberatung zu legitimieren.

c) Finanzprodukte schlicht ungeeignet

Schließlich, so der dritte Vorwurf, werden Kundinnen und Kunden häufig Finanzprodukte „angedreht“, die für sie schlicht ungeeignet sind. Auch dieser Vorwurf wird nicht konkretisiert. Er stammt vielleicht aus der Zeit, bevor die Anbieter von Finanzanlagen verpflichtet waren, im bestmöglichen Interesse der Kundinnen und Kunden zu beraten. Dieser Standard ist heute in Paragraf 1a VVG für Versicherer und Vermittler rechtlich verbindlich verankert. Das Gleiche gilt für Finanzberater nach Paragraf 63, Absatz 1 WpHG. Hinzukommt eine detaillierte Geeignetheitsprüfung für Versicherungsanlageprodukte (Paragraf 7c VVG) und für Finanzinstrumente (Paragraf 64, Absatz 3 WpHG).

Ermittelt werden die Anlageziele und die Risikotoleranz, sodass den Kundinnen und Kunden nur solche Produkte empfohlen werden, die für sie geeignet sind und ihrer Fähigkeit Verluste zu tragen, entsprechen.

Sollte sich ein Produkt im Einzelfall als schlicht ungeeignet herausstellen, so läge darin ein Beratungsfehler, der die Kundinnen und Kunden berechtigen würde, den ungeeigneten Vertrag rückgängig zu machen. Zugleich könnte ein verbleibender Schaden geltend gemacht werden. Fälle dieser Art kommen vor. Sie beschäftigen die Ombudsleute und die Gerichte. Aber Hinweise darauf, dass flächendeckend schlicht ungeeignete Finanzprodukte vermittelt werden, gibt es nicht. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass schlicht ungeeignete Finanzprodukte zwar im Wege der Provisionsberatung, aber nicht in den Fällen der Honorarberatung vermittelt werden.

Zweites Fazit

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass der Wettbewerb um Finanzanlagen funktioniert – die Kundinnen und Kunden können die für sie günstigsten Produkte wählen. Sie werden dabei von den Vergleichsportalen unterstützt. Irgendein Hinweis auf eine marktbeherrschende Position oder ein Marktversagen anderer Art ist nicht erkennbar. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass Finanzanlageprodukte die Risikotragfähigkeit der Kundinnen und Kunden prinzipiell überschreiten, also zu riskant sind.

Auch statistisch überprüfbare Zahlen, Daten oder Fakten, wonach Anlageprodukte für die Kundinnen und Kunden prinzipiell schlicht ungeeignet sind, finden sich in der öffentlich zugänglichen Literatur nicht. Dies bedeutet, es fehlen zwingende Gemeinwohlgründe für einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Anbieter von Finanzprodukten. Es gibt keinen Sachgrund für die Überwindung der Provisionsberatung.

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Stephan

Stephan Michaelis

Rechtsanwalt Stephan Michaelis verfügt über langjährige Erfahrungen im Vertriebs- und Versicherungsrecht. 1998 gründete er die Kanzlei Michaelis in Hamburg. Seine Fachgebiete sind Handels- und Vertriebs- sowie Versicherungsrecht.

kommentare
paule degen
Vor 3 Jahren

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Ihre Artikel auch weiterhin in verständlichem Deutsch zu schreiben und diesen nervigen Genderunsinn zu unterlassen. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen lehnt diesen Sternchenquatsch ab, so wie ich auch.

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paule degen
Vor 3 Jahren

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Ihre Artikel auch weiterhin in verständlichem Deutsch zu schreiben und diesen nervigen Genderunsinn zu unterlassen. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen lehnt diesen Sternchenquatsch ab, so wie ich auch.

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