Schreibt regelmäßig Gastbeiträge für Pfefferminzia und ist auch in unserem Podcast immer wieder zu hören: Der Hamburger Rechtsanwalt Stephan Michaelis. © Kanzlei Michaelis
  • Von Stephan Michaelis
  • 14.09.2021 um 17:02
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lesedauer Lesedauer: ca. 16:55 Min

Der Ausgang der anstehenden Bundestagswahl könnte auch für Versicherungsvermittler grundlegende Veränderungen mit sich bringen. Stichwort: Provisionsverbot. Aber wäre das überhaupt rechtens? Gemeinsam mit Hans-Peter Schwintowski, Professor an der Humboldt-Universität Berlin, hat sich Rechtsanwalt Stephan Michaelis dieser Frage angenommen.

Der Grundsatz des freien, unverfälschten Wettbewerbs

Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten der EU dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet, sodass ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird (Artikel 119, 120 AEUV). Der Binnenmarkt (Artikel 3 EUV) umfasst ein System, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt (Protokoll Nummer 27).
Nach diesen Grundsätzen ist der Wettbewerb um Vertriebsentgelte auf Versicherungs- und Kapitalanlagemärkten frei.

Provisionsverbote wären nur dann erlaubt, wenn der Wettbewerb auf den Märkten für die Vermittlung von Finanzanlagen nicht funktionsfähig wäre. Beispiele sind etwa die Märkte für Strom-, Gas- oder Wassernetze, weil es dort teurer wäre durch Bau einer Vielzahl von Parallelleitungen Wettbewerb zu eröffnen. Aus diesem Grunde werden die Netzentgelte auf diesen Märkten durch die Bundesnetzagentur reguliert.

Ein vergleichbares Marktversagen ist aber, wie oben vielfach gezeigt, auf den Märkten für Vermittlerentgelte bei Finanzprodukten nicht erkennbar. Aus diesem Grund würde die Einführung eines Provisionsverbotes gegen das Prinzip des freien und unverfälschten Wettbewerbs (Artikel 119, 120 AEUV) verstoßen und europarechtswidrig sein.

Verletzung der Dienstleistungsfreiheit

Das Gleiche gilt für die Verletzung der Europäischen Dienstleistungsfreiheit (Artikel 56 AEUV). Immer dann, wenn ein Versicherer grenzüberschreitend in Deutschland tätig wäre, dürfte er dem von ihm beauftragten Vermittler keine Provision mehr bezahlen. Dies wäre nach Artikel 56 im AEUV dann und nur dann zulässig, wenn hierfür ein zwingender Sachgrund bestünde.

Zwingende Gründe des Allgemeininteresses sind im europäischen Recht als ungeschriebene Rechtfertigungsgründe anerkannt. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses sind, wie oben entwickelt, nicht erkennbar. Es fehlt an einem flächendeckenden Marktversagen bei der Vermittlung von Anlageprodukten. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass ungeeignete Produkte nur deshalb vermittelt werden, weil Provisionen aber keine Honorare seitens der Beratenden gezahlt werden. Die Schaffung eines Provisionsverbotes würde somit gegen Artt. 56, 57 AEUV verstoßen.

Verstoß gegen das Standstill-Gebot

Darüber hinaus würde ein solches Provisionsverbot auch gegen das Standstill-Gebot (Artikel 4, Absatz 3 EUV) verstoßen, wonach die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen ergreifen dürfen, die den Zielen des Binnenmarktes widersprechen. Zu diesen Zielen gehört insbesondere der freie und unverfälschte Wettbewerb.

Ergebnis

Ein Provisionsverbot für die Vermittlung von Finanzprodukten würde gegen Artikel 12, Absatz 1 im Grundgesetz verstoßen. Es fehlt an zwingenden Gründen des Gemeinwohls, die ein solches Verbot rechtfertigen würden.

Es gibt bisher keinerlei tatsächliche Grundlagen dafür, dass den Kundinnen und Kunden Finanzprodukte „angedreht“ werden, die für sie zu teuer, zu riskant oder schlicht ungeeignet sind.

Da es für die flächendeckende Fehlberatung auf den Märkten für die Vermittlung von Finanzprodukten keinerlei, statistisch nachprüfbare tatsächliche Grundlagen gibt, gibt es erst recht keinen Sachgrund für das Einführen eines Provisionsverbotes.

Aus den gleichen Gründen wäre ein Provisionsverbot auch mit Artikel 3 im GG nicht zu vereinbaren. Das gleiche Ergebnis folgt aus dem europäischen Recht. Die IDD sieht Provisionszahlungen vor, ebenso wie die Handelsvertreterrichtlinie.

Ein Provisionsverbot würde gegen den freien, unverfälschten Wettbewerb (Artt. 119, 120 AEUV) ebenso verstoßen wie gegen die Dienstleistungsfreiheit (Artt. 56/57 AEUV) und das Standstill-Gebot (Artikel 4 Absatz 3 EUV).

autorAutor
Stephan

Stephan Michaelis

Rechtsanwalt Stephan Michaelis verfügt über langjährige Erfahrungen im Vertriebs- und Versicherungsrecht. 1998 gründete er die Kanzlei Michaelis in Hamburg. Seine Fachgebiete sind Handels- und Vertriebs- sowie Versicherungsrecht.

kommentare
paule degen
Vor 3 Jahren

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Ihre Artikel auch weiterhin in verständlichem Deutsch zu schreiben und diesen nervigen Genderunsinn zu unterlassen. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen lehnt diesen Sternchenquatsch ab, so wie ich auch.

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paule degen
Vor 3 Jahren

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Ihre Artikel auch weiterhin in verständlichem Deutsch zu schreiben und diesen nervigen Genderunsinn zu unterlassen. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen lehnt diesen Sternchenquatsch ab, so wie ich auch.

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