- Von Oliver Lepold
- 04.04.2019 um 12:34
Pfefferminzia: Wie sehr ist die Ruhestandsplanung mittlerweile in den Beratungsalltag eingezogen? Und wie qualifiziert wird diese vorgenommen?
Steffen Liebig: Sie findet insgesamt im Markt noch viel zu wenig statt. Viele denken zwar, dass sie Ruhestandsplanung im Rahmen ihrer Beratung abdecken, aber dem ist nicht so. Für das Alter zu sparen ist keine Ruhestandsplanung. Es geht nicht um den Verkauf einzelner Produkte, sondern die Analyse dessen, worüber der Kunde verfügt. Ich muss konkret über den Entsparvorgang sprechen und über die Wünsche und Zielsetzungen des Kunden. Dazu gehört unbedingt, wann der Kunde konkret in Rente gehen möchte und welches Lebensmodell er anstrebt.
Die Lebensmodelle haben sich verändert. Berücksichtigt das die Beratung?
Bisher leider kaum. Möchte der Kunde vielleicht nur seine Arbeitsstunden reduzieren und mit seinem Wissen weiterhin beratend tätig sein? Dann verfügt er über ein gewisses Grundeinkommen und benötigt nur einen Teil seiner Rentenbezüge. Ein anderer Kunde will vielleicht mit 65 Jahren auf Weltreise gehen. Er benötigt eine andere Planung und einen anderen Entsparvorgang als ein Kunde, der dann lieber hauptsächlich in seinem Garten arbeiten will. Auch bei einem 30-Jährigen muss man das Verständnis für die zu erreichende Mindesteinkommenssituation im Alter schaffen und womöglich auch zum Konsumverzicht anregen. Früher sagte man etwa, Du brauchst eine Million Euro für das Alter und dafür musst Du X Euro monatlich sparen. So einfach ist es aber nicht mehr. Heute sollte man vielmehr darüber nachdenken, wie die finanzielle Ausgestaltung des Ruhestandes konkret aussehen wird.
Warum ist die Beratung hier so komplex geworden?
Die Gesellschaft ändert sich. Die Generation meines Vaters hat noch 45 Jahre im selben Unternehmen gearbeitet. Heute haben Sie junge Kunden, die bis zum Ende ihrer Karriere bei bis zu zehn Unternehmen gearbeitet haben werden. Da muss man viele unterschiedliche Betriebsrentensysteme berücksichtigen und ein stimmiges steuerliches Bild zeichnen. Eine Unterstützungskasse etwa kann man erst dann in Anspruch nehmen, wenn man komplett aufhört zu arbeiten. Da gibt es ganz viele Fallstricke. Das zu analysieren ist auf einem Blatt Papier nicht möglich. Es ist zu komplex, fehleranfällig und auch nicht betriebswirtschaftlich für den Berater. Da braucht es Tools, von denen wir hierzulande leider noch zu wenig habe.
Welchen Einstieg empfehlen Sie Beratern im Kundengespräch zur Ruhestandsplanung?
Der Kunde erwartet, dass die Berater auf ihn zukommen und diese Analyse angehen. Berater sollten daher ihre Bestandskunden analysieren und prüfen, wann sie ihr Renteneintrittsalter erreichen. Immerhin haben wir in den vergangenen Jahren viele Verbesserungen gesehen, etwa die flächendeckende Verwendung von CRM-Systemen. Aber immer noch gibt es genügend Makler, die noch nicht wirklich mit Zielgruppenorientierung arbeiten. Es herrscht noch zu oft die ‚Ich-mache-alles’-Mentalität vor. Das wird aber künftig nicht mehr funktionieren.
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