- Von Oliver Lepold
- 12.04.2023 um 12:12
Altersarmut droht Frauen sehr viel häufiger als Männern. Ein Grund ist, dass Frauen deutlich weniger Rente erhalten. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit oder haben Beschäftigungspausen, um sich um Kinder oder um die Pflege von Angehörigen zu kümmern. Die Gender Pay Gap, die geschlechtsspezifische Gehaltslücke, kommt erschwerend hinzu. Umso wichtiger ist die private Altersvorsorge für sie.
Doch dieses Thema wird häufig verschoben, wenn die Liquidität knapp ist. Studien zufolge sparen Frauen seltener und weniger als Männer. Auf Frauen spezialisierte Beratende berichten zudem, dass sowohl die eigene Lebenserwartung als auch der Bedarf im Alter häufig unterschätzt werden. Erst mit Ende 40/Anfang 50 wird vielen Frauen bewusst, dass sie ihre Finanzen im Ruhestand nicht ausreichend geplant haben. Was dann noch getan werden kann, ist die Frage.
MLP-Beraterin und CFP Nadja Rüdel verfügt über fast 30 Jahre Beratungsexpertise und hat zahlreiche Kundinnen bei der Planung ihrer Finanzen begleitet. Wir haben sie nach ihren Erfahrungen mit der Ruhestandsplanung für Frauen befragt
Pfefferminzia: Wie sprechen Sie Frauen konkret auf die Ruhestandsplanung an? Gibt es hier Unterschiede zur Ansprache gegenüber männlichen Kunden?
Nadja Rüdel: Meine Beratung ist grundsätzlich geschlechterunabhängig. Allerdings biete ich Workshops und Vorträge an, mit denen ich bewusst auch Frauen anspreche und konkret über Ruhestandsplanung und die Rentenlücke informiere. Männer haben meist eine höhere Affinität für das Thema, sie sind häufig „die Finanzminister“ in der Beziehung. Die Frau sitzt in der Beratung bisweilen gar nicht erst mit am Tisch. Das ist ungünstig, denn es geht um die gemeinsame Lebensplanung. Meine Aufgabe sehe ich deswegen auch darin, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass vier Augen mehr sehen als zwei und wichtige Entscheidungen gemeinsam getroffen werden sollten. Das klappt leider nicht immer in der Praxis.
Das klingt schwierig. Ist es denn einfacher, Single-Frauen zu beraten?
Nein, so pauschal kann man das nicht sagen. Die Kundenbeziehung entsteht grundsätzlich öfter über den Mann, weil er das Thema eher angeht und Frauen es gerne ihrem Partner überlassen, sich um die gemeinsamen Finanzen zu kümmern. Und wenn sie Single sind, schieben sie es bisweilen auf und nehmen die Dringlichkeit nicht wahr. Es ist daher häufig einfacher, die Frau als Partnerin in die Beratung mit einzubinden als eine Singlefrau für die Finanzplanung zu begeistern. Im Gegenzug gibt es selbstverständlich auch viele Frauen, die Interesse an Finanzthemen haben und ihre Ruhestandsplanung proaktiv angehen.
Wie viel Spielraum hat eine Kundin 15 Jahre vor dem Renteneintritt denn noch?
Das hängt immer von der Einkommenssituation ab, hier muss zwischen alleinstehenden und Frauen in Partnerschaften unterschieden werden. Bei Letzteren erlebe ich oft, dass in diesem Alter die Immobilie fast abbezahlt ist und die Kinder kurz vor Ende des Studiums stehen. Dann ist wieder richtig viel monatliche Liquidität vorhanden und mit Leverage-Effekten kann noch einiges erreicht werden. Schwierig wird es, wenn die Rentenlücke wegen dauerhafter Teilzeitarbeit sehr groß ist und die monatliche Liquidität fehlt, um gegenzusteuern. Der Zinseszinseffekt im Vermögensaufbauprozess reduziert sich drastisch, wenn weniger Zeit zur Verfügung steht. Es muss zwar nicht alles Kapital zu Beginn des Ruhestands abrufbar sein, dennoch bestehen dann nur eingeschränkte Möglichkeiten und damit weniger Erträge, mit denen kalkuliert werden kann.
Aber die Kundin wird doch sicher entmutigt, wenn sie die Zahlen begreift?
Ja, das ist herausfordernd! Aber es hilft nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Stattdessen versuche ich, das Problem zu strukturieren und Schritt für Schritt zu einer Lösung zu kommen. Die Frage ist nämlich nicht nur, wie groß die Lücke ist, sondern auch, was bisher mit dem Einkommen passiert ist. Manchmal spart die Kundin Geld auf einem Tagesgeldkonto, dann kläre ich sie über die Möglichkeiten des Kapitalmarkts auf. Aber wenn die Frau gar nicht sparen kann, muss ich ehrlich sein. Das erste Ziel ist, dass sie sich bewusst macht: Was brauche ich heute zum Leben, was im Alter und wo kann ich Abstriche machen oder mich anders aufstellen? Dadurch trifft sie eine bewusste Entscheidung und denkt auch über die Konsequenzen nach – das finde ich wichtig. Manche Kundin ist dann auch motiviert, sich wieder um Vollzeit oder ein höheres Gehalt zu bemühen.
Was ist Ihrer Ansicht nach das größte Hemmnis für Frauen in der Ruhestandsplanung?
Die geringe Affinität zu Finanzthemen, verbunden mit einer gefühlten Unkenntnis der Materie. Frauen müssen sich bei diesem Thema auf jemand anderen – ihre Beraterin oder ihren Berater – verlassen, sie haben Berührungsängste und schieben wichtige Entscheidungen auf die lange Bank. Deshalb muss man als Beraterin dranbleiben – denn sobald eine ordentliche Beratung stattfindet, erhält die Kundin Lösungsansätze und fühlt sich besser. Sie wird wieder handlungs- und entscheidungsfähig. Das andere Hemmnis ist die vermeintlich mangelnde Risikobereitschaft. Doch auch eine Anlage mit wenig Verzinsung hat Risiken, denn wenn diese unter anderem aufgrund hoher Inflation nicht zum Ziel führt, ist das auch ein Risiko. Hier versuche ich immer wieder aufzuklären. Aber am Ende muss der Wurm dem Fisch schmecken und wir müssen gemeinsam herausfinden, womit die Kundin sich wohlfühlt und wie sie die für sich passenden Entscheidungen treffen kann.
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