Finanzwissenschaftler Claus Kriebel © Claus Kriebel
  • Von Oliver Lepold
  • 04.05.2020 um 08:27
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lesedauer Lesedauer: ca. 02:30 Min

Wie sieht ein unabhängiger Finanzanalytiker das Thema Ruhestandsplanung? Pfefferminzia befragte Professor Claus Kriebel zu den Faktoren, die aus seiner Sicht für eine gelungene Ruhestandsplanung unverzichtbar sind.

Pfefferminzia: Welche Eckpunkte müssen bei einer Ruhestandsplanung gewährleistet sein?

Claus Kriebel: Das Wichtigste ist zunächst mal: Zuhören. Ruhestandsplaner sind oftmals so erfahren, dass sie gar nicht mehr genau bei menschlichen Aspekten hinhören. Was will der Kunde wirklich, welche Ängste hat er, welche Sorgen? Neben den Standardfragen zu Zielen, Vollmachten, Erbschaften etc. Als Ruhestandsplaner müssen Sie Lebenscoach sein – und natürlich die steuerlichen und finanzmathematischen Dinge beherrschen. Während man in unserer Branche vieles digitalisieren kann, geht das bei der Ruhestandsplanung nicht. Sie bleibt daher ein strategisch wichtiges und höchst individualisiertes Geschäftsfeld für den Berater.

Warum werden allseits Best Ager als Hauptzielgruppe betrachtet?

Weil sie in diesem Alter am zugänglichsten sind. Man denkt mit 55 anders, die Kinder sind meist schon aus dem Haus und man spart dann anteilig und absolut am meisten, da sind schnell 1.000 Euro monatlich möglich. Viele Studien zeigen übrigens, dass Best Ager mit Kindern anders ticken – da lautet die Devise eher Terrasse als Fernreise. Sie sind weniger konsumorientiert, sicherheitsbedürftiger, unkomplizierter und beratungsaffiner. Best Ager ohne Kinder sind hingegen meist beratungsintensiver und konsumieren mehr.

Welche typischen Fehler machen Berater bei der Ruhestandsplanung und wie können diese vermieden werden?

Wie schon gesagt: Viele Berater hören nicht richtig zu. Und viele glauben auch, alles alleine hinzubekommen. Das stimmt aber nicht: Wie viele Vermittler kennen sich zum Beispiel bei der Wertsachenversicherung aus – wie versichere ich Omas alte Uhr? Sie müssen ein sehr breites Spektrum abdecken, insbesondere auch den Investmentbereich. Nach meiner Erfahrung benötigen Sie dazu ein Netzwerk mit drei bis vier Experten. Die großen Vertriebe schaffen das zum Beispiel über Geschäftsstellen, aber der Einzelkämpfer nicht. Der muss sich dann also ein Netzwerk schaffen und dafür ein wenig Autonomie aufgeben.

Welche Rolle spielt die fondsgebundene Rentenversicherung im Rahmen einer Ruhestandsplanung?

Neben dem geplanten Langlebigkeitsrisiko sehe ich das strategisch: Es drohen prinzipiell große Gefahren für das Geld unserer Kunden, ob das nun die Vermögenssteuer oder eine mögliche Währungsreform ist. Je mehr ich ein vom Staat gewolltes oder von ihm unterstütztes Produkt wähle, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Staat mir davon nicht so viel wegnimmt. Insbesondere bei den Schichten eins und zwei wird der Staat immer seine Schutzhand darüber halten. Abgesehen von den steuerlichen Vorteilen muss man sich bei Fondspolicen aber immer auch die Kostensituation anschauen.

Die Basisrente schneidet Ihrer Ansicht nach fast immer positiv unterm Strich ab. Warum?

Ja, das ist so, weil die allermeisten Menschen im Alter einen geringeren Steuersatz haben als heute – das gilt auch für geringer verdienende Menschen. Ein Versicherungsvorstand sagte kürzlich, die Basisrente sei für die Besserverdienenden da, das stimmt eben nicht! Der geringer Verdienende hat im Alter einen Steuersatz von Null. Wenn er jetzt etwas absetzen kann und später keine Steuer zahlt, ist das immer ein lohnenswertes Geschäft. Sie haben ja auch etwa als Krankenschwester schon einen Grenzsteuersatz von 20 oder 25 Prozent.

Sie sagen, 90 Prozent der Best-Ager-Zielgruppe für die Ruhestandsplanung haben keinen Berater? Wie kommen Sie auf diese Zahl und woran liegt das?

Das besagen viele Studien. Viele Menschen in Deutschland haben keinen lebensbetreuenden Berater. Sie sind aber schon mal beraten worden und deswegen oftmals gebrannte Kinder. Sie haben irgendwann den Glauben an die Langfristigkeit und die Nachhaltigkeit der Dienstleistung verloren. Allein das ist für den Berater Grund genug, im Team zu agieren. Die Ansprache dieser Kunden erfolgt letztlich über Empfehlungen. Sie müssen aber auch durch ein Team belegen können, dass die Dienstleistung nicht nur an ihrer Person hängt. Das ist beruhigend für Ihren Kunden, wenn Sie etwa im Urlaub oder krank sind.

Macht es Sinn, spezielle Aha-Faktoren in die Beratung einzubauen? Sie sagen zum Beispiel, dass es nicht sinnvoll sei, zusätzlich in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen…

Ich habe zusammen mit Joey Kelly vor mehreren hundert Kunden ein Seminar zur Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung gehalten. Die Menschen kamen, weil sie das interessiert, sie haben davon gehört, denn das Thema war breit in den Medien. Solche Aha-Themen gibt es viele, bei denen Kunden feste Meinungen haben, die aber falsch sind und vom Berater widerlegt werden können. Auch über solche Themen können sehr gut Beratungstermine generiert werden.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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