- Von Redaktion
- 07.08.2017 um 08:46
Hat ein Unternehmen nun eine Bedeckungsquote von genau 100 Prozent, hat es genug Kapitalreserven für Negativszenarien, die statistisch einmal in 200 Jahren eintreten. Das sind zum Beispiel heftige Crashs am Aktienmarkt, eine schnelle Veränderung der Lebenserwartung, Großschäden durch Naturkatastrophen oder ein starker Anstieg von Krankenversicherungsleistungen durch Epidemien.
Unternehmen mit einer Quote von über 100 Prozent haben höhere Kapitalpuffer, als sie brauchen, Versicherer mit einer Quote unter 100 Prozent eigentlich zu wenige Reserven.
Genau hier wird die Interpretation schwierig.
Kann man die Finanzkraft eines Versicherers nun nur anhand dieser Zahl festmachen? Nein, ist die einhellige Meinung am Markt. „Die Solvenzquote beantwortet zu einem bestimmten Stichtag nur die Frage: Habe ich genug Kapital, um ein modellhaftes Schockereignis in der Zukunft zu überstehen“, sagt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei der Rating-Agentur Assekurata.
Auch die Aufsichtsbehörde Bafin mahnt bei der Interpretation zur Vorsicht. Die Quote sei eine Momentaufnahme und keine Aussage für die Ewigkeit, so Frank Grund, Exekutivdirektor der Versicherungsaufsicht.
Tatsächlich können die Quoten „in Abhängigkeit von der Zins- und Marktentwicklung von Stichtag zu Stichtag schwanken“, gibt auch Axel Wehling, Mitglied der Geschäftsführung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu bedenken. Experten sprechen sogar davon, dass die Quoten sich bei stark schwankenden Zinsen in einer Spanne von 25 bis 100 Prozentpunkten innerhalb weniger Wochen verändern können.
Hinzu kommt, dass eine Vergleichbarkeit unter den Versicherern momentan nahezu unmöglich ist.
Heermann:
„Die Solvenzquote ist keine Maßzahl, mit der man ein Ranking erstellen und von oben nach unten durchsortieren kann. Da vergleicht man massiv Äpfel mit Birnen.“
Denn wie die Unternehmen diese Quote berechnen, ist unterschiedlich. Es gibt zwar ein Solvency-II-Standardmodell, aber das müssen die Versicherer nicht anwenden. Sie können auch interne Modelle nutzen, um das unternehmenseigene Risikoprofil besser abzubilden. Bedingung ist nur, dass die Bafin diese internen Modelle abgesegnet hat. Und auch innerhalb des Standardmodells sind unterschiedliche Annahmen etwa über künftige Vertragsstornierungen möglich.
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