- Von Andreas Harms
- 18.12.2024 um 12:59
Ein Stresstest verlief für die europäische Versicherungsbranche recht erfolgreich. Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Eiopa) veröffentlichte jetzt die Ergebnisse, von denen sich auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin angetan zeigt. Die Studie in englischer Sprache können Sie hier herunterladen.
„Die Ergebnisse des Stresstests zeigen, dass die Versicherungsbranche ihre Verpflichtungen auch unter Stress erfüllen kann“, lobt Julia Wiens, Bafin-Exekutivdirektorin für Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht.
Das Szenario im Stresstest
Worum ging es im Stresstest? Die Eiopa malte ein Szenario an die Wand, in dem sich die geopolitische Lage verschärft. Das sorgt dafür, dass Inflation und Zinsen wieder steigen und die Kapitalmärkte einbrechen. Kreditkonditionen verschlechtern sich für die Wirtschaft und Sorgen über Kreditfähigkeit greifen um sich.
Zusätzlich buttert die Eiopa in dieses ohnehin schon nicht ganz einfache Szenario noch Schwierigkeiten speziell für die Versicherer: Massenstorni, hohe Schadeninflation und sinkende Prämieneinnahmen.
Deutsche Versicherer bestehen Stresstest
Eiopa will bAV-Anbieter stresstesten
Zinsschocks würden Kapitalreserven der Versicherer deutlich schmälern
Dieses Umfeld packte die Eiopa in eine Reihe von Schocks und überprüfte dann, wie die Versicherungsbranche in Hinblick auf Kapitaldecke und Liquidität damit klarkommen würde. Teil nahmen 4 Einzelunternehmen und 44 Versicherungsgruppen. Inklusive deren Bestandteile waren es also 132 Einzelunternehmen aus 20 Ländern, die zusammen rund 75 Prozent aller verwalteten Vermögenswerte abdecken. Insgesamt 6,4 Billionen Euro. Für Deutschland am Start waren:
- Allianz
- Münchener Rück
- HDI
- R+V
- Debeka
- Versicherungskammer Bayern
- Viridium
Die Testteilnehmer mussten das Szenario komplett durchspielen – allerdings auf zwei Arten. Im sogenannten Fixed-Balance-Sheet-Ansatz waren nur bereits eingebettete Managementmaßnahmen erlaubt. Der Handlungsspielraum war damit begrenzt. Im Constrained-Balance-Sheet-Ansatz durften die Teilnehmer zusätzliche Maßnahmen ergreifen – vorausgesetzt, sie waren realistisch und nachvollziehbar. Deshalb sehen die Ergebnisse dort nicht ganz so heftig aus.
Die Solvenzquoten
Doch wie genau sah das aus? Zu Beginn verzeichneten die Teilnehmer im Schnitt eine Solvenzquote von 221,8 Prozent (regulatorisch vorgegeben sind mindestens 100 Prozent). Die fiel im Fixed-Balance-Sheet-Ansatz um satte 100 Prozentpunkte auf 123,3 Prozent. Das hätte dann mehr als 270 Milliarden Euro an Kapital gekostet.
Mit mehr Reaktionsmöglichkeiten (Constrained-Balance-Sheet-Ansatz) wäre die Solvenzquote zwar auch stark gefallen, aber „nur“ auf 139,9 Prozent. In den Augen der Eiopa zeigt das, dass die Managements in der Lage sind, auf schwieriges Umfeld in Wirtschaft und Finanz zu reagieren.
Acht Teilnehmer mit Schwierigkeiten
Doch das ist nur der Durchschnitt. Denn acht Teilnehmer rissen beim strengen Ansatz nach dem Stresstest die regulatorische Kapitalhürde von 100 Prozent. Allerdings hatten sie noch immer genug Geld, um ihren Verpflichtungen gegenüber den Kunden nachzukommen, wie die Eiopa betont. Durften die Managements jedoch reagieren, blieben auch diese acht über der 100-Prozent-Hürde.
Und was waren solche Management-Maßnahmen? In den häufigsten Fällen:
- Verkauften sie Vermögenswerte
- Kürzten oder strichen sie Dividenden und
- Besorgten zusätzliches Kapital
Die Liquidität
Zweiter Punkt nach dem Kapital ist die Liquiditätsdecke. Laut Eiopa verursachte das Stressszenario massive Geldabflüsse von insgesamt 314 Milliarden Euro bei den Probanden. Genau genommen, sorgten die Schadeninflation für höhere Ausgaben und die sinkenden Prämien für geringere Einnahmen.
Nicht alle Versicherer konnten den Abfluss aus Cash-Reserven decken. Manche mussten ihre Vermögenswerte angreifen und Teile davon verkaufen.
Lob und Tadel von der Eiopa
Gleichwohl zeigt sich Eiopa-Chefin Petra Hielkema von den Ergebnissen einigermaßen angetan: „Es ist zwar beruhigend zu sehen, dass die europäischen Versicherer gut aufgestellt sind, um die Folgen einer weiteren Eskalation der geopolitischen Spannungen zu bewältigen. Aber Kapital und Liquidität, auf die die Versicherer zurückgreifen müssten, um solche negativen Schocks zu bewältigen, sind erheblich. Die Ergebnisse unterstreichen daher die Notwendigkeit eines umsichtigen Risikomanagements und einer strengen Beaufsichtigung.“
Doch dann legt sie einen Satz nach, der den Test in ein nicht mehr ganz so günstiges Licht rückt: „Trotz des allgemein positiven Ergebnisses der Übung müssen wir mit einem gewissen Bedauern feststellen, dass die Mehrheit der Teilnehmer weiterhin nicht bereit ist, ihre individuellen Ergebnisse offenzulegen. Was die Transparenz des Stresstests einschränkt.“
Übrigens haben auch die deutschen Teilnehmer die Ergebnisse nicht offengelegt.
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