- Von Lorenz Klein
- 31.08.2022 um 16:12
Der Herbst steht vor der Tür – und damit bahnt sich für die hiesigen Versicherer eigentlich auch das berühmte Jahresendgeschäft an. Zwar fehlt es der Lebensversicherung in diesem Jahr an einem klassischen Vertriebsaufhänger, wie einst die Senkung des Höchstrechnungszinses. Doch traditionell zieht der LV-Umsatz erst so richtig nach dem Sommer an. Normalerweise. Denn rein stimmungsmäßig scheint sich schon jetzt ein „innerer November“ in den Gemütern der Versicherungsvorständen eingenistet zu haben.
„Die Stimmung in der Versicherungswirtschaft hat sich in den Sommermonaten erheblich abgekühlt“, meldete der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am Dienstag. So bewerteten die vom Ifo-Institut befragten Versicherer ihre aktuelle Geschäftslage deutlich schlechter als im Vorquartal. Zugleich fielen die Geschäftserwartungen Branche für die kommenden sechs Monate auf den tiefsten Stand seit Beginn der Corona-Pandemie.
,,Kündigen und anderweitig neu abschließen ist das allerletzte Mittel’’
„Finanzielle Verluste durch alle Bevölkerungsschichten“
„Die Inflation wird dramatisch auf die Altersvorsorge durchschlagen“
An Sorgen mangelt es den Entscheidern aus der Assekuranz wahrlich nicht: „Der Krieg in der Ukraine, die hohe Inflation, anhaltende Lieferkettenengpässe und die starke Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung trüben die Stimmung stark ein“, kommentierte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen die Sommerumfrage im Rahmen des „Ifo-Konjunkturtests“. Die Branche verzeichne derzeit ein „eher pessimistisches Bild von Geschäftslage und -aussichten“, so Asmussen.
Bafin-Mann Grund hält sinkendes Neugeschäft für möglich
Diese Einschätzung scheint man bei der Finanzaufsicht Bafin durchaus zu teilen – zumindest mit Blick auf das Neugeschäft. So erklärte nun Versicherungsaufseher Frank Grund auf dem „Handelsblatt-Strategiemeeting Lebensversicherung“, dass die Anbieter nach der jahrelangen Niedrigzinsphase jetzt vor neuen Problemen stünden. Da andere Geldanlagen wieder an Attraktivität zunehmen, bestehe das Risiko, dass Verbraucher ihre Lebensversicherung vermehrt stornierten. Auch ein rückläufiges Neugeschäft und eine höhere Anzahl an Beitragsfreistellungen hält der Bafin-Manager für möglich.
Einmalbeitragsgeschäft verliert an Attraktivität
Hoffnung könnte der Branche machen, dass eine ähnliche Entwicklung auch zu Beginn der Corona-Pandemie zu befürchten stand. Doch nur wenige Versicherten nutzen am Ende die Möglichkeit, ihre Beitragszahlungen pausieren zu lassen. Allerdings dürften die Ausmaße der aktuellen Krise deutlich über das gekannte Maß hinausgehen. Wie Pfefferminzia aus Kreisen der Versicherungswirtschaft erfuhr, stellen sich viele Unternehmensmanager insbesondere auf ein stark rückläufiges Einmalbeitragsgeschäft ein. Stuttgarter-Chef Guido Bader lieferte auf der „Handelsblatt“-Veranstaltung dann auch eine Erklärung für diese Entwicklung: Lebensversicherungen gegen Einmalbeitrag seien für die Kunden nicht mehr so attraktiv, wenn Negativzinsen auf Bankkonten zunehmend verschwinden. Oder anders formuliert: Tages- und Festgeldkonten steigen mit dem allmählichen Zinsanstieg wieder in der Gunst der Sparer.
Zinsanstieg verschafft Lebensversicherern Atempause
Doch der Zinsanstieg hat für die Lebensversicherer und Pensionskassen natürlich auch sein Gutes: So ließ Bafin-Versicherungsaufseher Frank Grund wissen, dass alle Lebensversicherer zum Ende des zweiten Quartals die Anforderungen an das Solvenzkapital erfüllten, ohne auf Übergangsmaßnahmen zurückgreifen zu müssen. Gleichwohl schloss Stuttgarter-Chef Bader trotz steigender Zinsen ein „Revival“ von Garantien aus. Eine kurzfristige Anhebung des Höchstrechnungszinses, der aktuell bei 0,25 Prozent notiert, halte er für äußerst unwahrscheinlich.
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