Finanzkommissarin Mairead McGuinness liebäugelt mit einem Provisionsverbot in der Finanzberatung. © picture alliance / EPA | JULIEN WARNAND
  • Von Oliver Lepold
  • 21.07.2023 um 12:52
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Fallende Abschlussprovisionen, Druck aus Brüssel und alternative Vergütungsmodelle lassen viele Vermittler über neue Einnahmequellen nachdenken. Worauf ist zu achten? Pfefferminzia hat sich in der Branche umgehört.

Martin Klein, Vorstand des Votum Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa

„Der Kleinanleger darf nicht auf der Strecke bleiben“

Was bleibt vom gestoppten Provisionsverbot-Vorstoß der EU-Kommission? Votum-Chef Martin Klein schätzt die Lage ein.

Pfefferminzia: EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness hat ihre Pläne für ein Provisionsverbot zurückgenommen. Was war dafür entscheidend?

Martin Klein: Frau McGuinness wurde von vielen Seiten darauf aufmerksam gemacht, wie negativ so eine Maßnahme ist. Nicht nur die Verbände der unabhängigen Vermittler, auch die Verbände von Banken, Produktgebern und der Fondsindustrie haben die Auswirkungen sauber belegt. Die Finanzkommissarin hat in mehreren Abstimmungsrunden signalisiert bekommen, dass sie im Europäischen Rat keine Mehrheit für ihr Vorhaben findet. Klare Widerstandslinien gab es nicht nur aus Deutschland und Österreich, sondern auch aus Frankreich, Italien und Spanien. Auch die Polen haben klar gesagt, sie sind für ihren nationalen Markt gegen ein Provisionsverbot. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sicher auch kein Interesse daran, ein Vorhaben zu beginnen, von dem von Anfang an klar ist, dass es nicht zu Ende geführt werden kann.

Wäre ein Provisionsverbot für einen Teilbereich wie Execution-only-Produkte für die Branche tragbar?

Klein: Damit käme die Branche klar, Berater wären selten tangiert. Eine Ausnahme wäre etwa ein Kunde mit Berater und betreutem Depot, der auch selbst einen Zugang hat. Diesen nutzt er – ohne seinen Berater mit ins Boot zu nehmen – für Nachzeichnungen bestehender Fondspositionen. Das ist aber die große Ausnahme in der Branche. Allerdings gibt es auch Stimmen der Banken, die darauf hinweisen, dass Kunden in Krisenzeiten mit ihrem Berater natürlich über ihr gesamtes Depot sprechen wollen, das auch ihre Execution-only-Käufe umfasst.

Kann ein Provisionsverbot später noch durch die Hintertür kommen?

Klein: Der erste Entwurf zur Kleinanlegerstrategie sieht vor, dass die europäischen Aufsichtsbehörden Esma und Eiopa eine Art Produkt-Polizei werden, die insbesondere europaweite Kosten-Benchmarks für Kapital- und Versicherungsanlageprodukte vorgeben. Diese Benchmarks sollen die Leistungsmerkmale des Produkts sowie die Gesamtkosten und insbesondere die Vertriebskosten betreffen. Dies könnte einen europäischen Provisionsdeckel bedeuten und damit erneut einen erheblichen Markteingriff. Dieser würde keinesfalls zu einer Verbesserung des Marktangebots beitragen. Aus unserer Sicht gilt es, eine Überbürokratisierung zu verhindern, die letztendlich dazu führt, dass Beratungsleistungen nur noch dem gutverdienenden Anleger angeboten werden können und der Kleinanleger auf der Strecke bleibt!

Wie steht Votum zu alternativen Vergütungssystemen?

Klein: Es ist nicht falsch, wenn wir in Deutschland darüber nachdenken, über welche anderen Möglichkeiten wir verfügen, Vergütungssysteme zu entwickeln. Wir sollten immer im Blick haben, was für den Kunden gut ist und dem Vermittler ermöglicht, eine qualitativ hochwertige Beratung anzubieten. Aus einer Hand unterschiedliche Vergütungssysteme für den Kunden anzubieten, ist aus unserer Sicht in Ordnung. Wir müssen uns aber der generellen Diskussion stellen, dass eine Provision immer wieder einen Interessenkonflikt auslöst. Jeder Makler muss seinem Kunden erklären können, dass das eben nicht so ist. Weil er die Produkte für seinen Kunden, sei es eine BU- oder eine Lebensversicherung, eben nicht danach aussucht, wie viel Provision darinsteckt, sondern ob diese für ihn als Kunde gut sind. Das als Branche glaubhaft zu leben, wird dazu führen, dass das Provisionsthema irgendwann erledigt ist.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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