- Von Redaktion
- 12.08.2015 um 09:25
Der britische Finanzdienstleistungsmarkt wird vielerorts als besonders weit entwickelt und zukunftsträchtig angesehen – weil dort die Regulierung weit fortgeschritten ist und zu rigorosen Änderungen in Beratungsprozessen und Vertriebsstrukturen geführt hat. „Das Ergebnis ist eine sehr viel nachhaltigere und qualitativ bessere Finanzberatung“, weiß Jeff Regazzoni, Vertriebschef der Standard Life für Deutschland. Und ein besseres Image des Berufsstandes.
Zwang zur Transparenz
„Die sogenannte Retail Distribution Review (RDR) zwang die britischen Berater dazu, genau darzustellen, was sie für ihre Kunden tun und welche Ergebnisse sie erzielen, inklusive der Offenlegung ihrer Vergütung.“ Damit rückte der reine Produktverkauf völlig in den Hintergrund, lebensbegleitende Konzepte mit Erfolgskontrolle waren nun gefragt. Dies führte zwar zu einem Rückgang der Maklerzahlen, allerdings fiel dieser mit 6.000 Maklern weniger gemäßigt aus. Die Zahl hat sich bei 32.000 unabhängigen Beratern im britischen Markt stabilisiert. Sehr viel stärker vom Abbau betroffen waren hingegen die Banken.
Der Nachteil des britischen Modells: das Entstehen einer großen Beratungslücke. „Ein Berater kann sich nur um 200 Kunden kümmern. Damit bleiben rund 54 der 60 Millionen Briten ohne unabhängige Beratung“, so Regazzoni. Naturgemäß sind dies insbesondere die unteren Einkommensschichten, die sich nun eher dem Direktverkauf zuwenden.
Honorarberatung: langsamer Aufschwung
In Deutschland ist ein ähnlich rascher Umbau auf Druck der Regulierung nicht zu erwarten. „Die deutschen Behörden werden die Option eines Provisionsverbotes in Mifid II keinesfalls ziehen“, weiß Ulf Niklas, Bundesinitiative der Honorarberater, „Aber dennoch ist der Aufschwung der Honorarberatung nicht mehr aufzuhalten.“ Denn Verbraucherschutz, Transparenz und Qualitätsanforderungen werden auf vielen Feldern zu neuen Anforderungen führen. „All dies spricht dafür, ein Honorarberatungsmodell zu erwägen und womöglich mit einem Mischmodell zu arbeiten. Der Kunde dankt es mit Vertrauen und mit Vergütung“, weiß Niklas.
„Deutsche Makler können vieles aus den Erfahrungen der britischen Kollegen lernen“, so Christian Nuschele, Leiter Maklervertrieb bei Standard Life. Dort haben sich die ursprünglichen Befürchtungen, der unabhängige Beratermarkt würde nachhaltig zerstört, nicht bewahrheitet. Stattdessen wurden die Beratungsprozesse effektiv modernisiert und dank neuer transparenter Regeln eine branchenweite Konsistenz geschaffen.
Beratungsleistung objektiv messbar machen
Davon können auch deutsche Makler profitieren. Standard Life bildet seine Maklerbetreuer zu zentralen Unternehmensbetreuern aus und bietet zahlreiche Workshops für seine Vertriebspartner an. Diese können so ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen und erfahren zahlreiche Ideen und Vorschläge für eine zukunftssichere Optimierung. „So lernen Makler etwa alle ihre Dienstleistungen für den Kunden zu bewerten und sich über ihre eigenen Kosten klar zu werden“, weiß Nuschele. Auch das Potenzial der Bestandskunden würde dank einer sinnvollen Kundensegmentierung klarer.
Studien haben bestätigt, dass Kunden in erster Linie Dienstleistungen schätzen, die sie selbst erleben – wie das erste Beratungsgespräch oder die Präsentation der Beratungsempfehlungen. Nicht jedoch Vorbereitung, Ausarbeitung und Dokumentation, die der Berater fern vom Kunden vornimmt. „Von insgesamt zwölf Stunden in einem Beratungsprozess haben nur ein Viertel für den Kunden einen erkennbaren Wert“, so Nuschele. Hier müsse man ansetzen und die Zeit, die ein Berater mit dem Kunden in Kontakt steht, verlängern.
Was sich Kunden wünschen
„Kunden wünschen sich ein kontinuierliches Management ihres Vermögens wie ihrer Altersvorsorge“, sagt Nuschele. Dazu gehört eine regelmäßige Prüfung der Kapitalanlagen und eine langfristige Steuerplanung. Ein eigener Online-Zugang, mit dem Kunden in ihre Portfolios blicken können, sorgt für nachhaltige Transparenz und ein größeres Einbinden in den Beratungsvorgang.
Kunden sind gern bereit für Arbeit zu bezahlen, wenn sie transparent und nachvollziehbar präsentiert wird. „Mir sagte ein Makler, es sei ein fantastisches Gefühl, zum ersten Mal direkt vom Kunden für die eigene Arbeit bezahlt zu werden“, berichtet Nuschele.
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