Dirk Schmidt-Gallas ist Senior-Partner und Leiter der globalen Insurance Practice bei Simon-Kucher. © Simon-Kucher
  • Von Redaktion
  • 21.01.2025 um 10:54
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Die Versicherungsbranche steht an einem Scheideweg. Während die Kosten stetig steigen, erwarten Kunden individuellere Angebote und besseren Service. Hohe Abschluss- und Vertriebskosten rücken dabei als zweithöchster Kostenfaktor in den Fokus. Die Branche wird nicht umhinkommen, neben Beitragserhöhungen auch den Vertrieb smarter aufzustellen, schreibt Dirk Schmidt-Gallas, Senior-Partner bei Simon-Kucher, in seinem Gastbeitrag.

Die vergangenen Jahre haben den Druck auf die Assekuranz deutlich erhöht. Naturkatastrophen und steigende Schadenkosten treiben die Ausgaben nach oben, während die Kunden zugleich mit wenigen Klicks ihre Versicherung auf einem Vergleichsportal wechseln können. Vor allem in den Sparten KFZ-, Wohngebäude- und Hausratversicherungen ist das ein enormes Problem.

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Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider: Laut Versichererverband GDV werden die KFZ-Versicherer 2024 einen Verlust von rund 2 Milliarden Euro verzeichnen. Zwar werden die Beitragseinnahmen auf knapp 34 Milliarden Euro steigen, doch müssen die Versicherer für jeden eingenommenen Euro 1,06 Euro für Schäden und Verwaltung ausgeben. Wird hier also ein eigentlich schon totes Pferd geritten?

Eins ist sicher: Im Spannungsfeld aus Kostendruck und Preissensibilität haben die klassischen Beitragserhöhungen ihre Grenzen erreicht. Um die Sparten wieder profitabel zu gestalten, müssen Versicherer daher einen neuen Weg einschlagen – einen, der langfristige Effizienzsteigerungen ermöglicht, ohne den Vertrieb auszubremsen.

Diese drei Strategien sollen Versicherer dabei berücksichtigen.

#1 Automatisierung: Der Gamechanger für den Vertrieb

Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung sind längst keine theoretischen Zukunftsvisionen mehr. Vielmehr können sie dabei helfen, Prozesse smarter zu gestalten und den Vertrieb zu optimieren. Und indem administrative Aufgaben automatisiert werden, können Vermittler ihren Fokus wieder stärker auf die Kundenberatung legen.

KI-gestützte Tools ermöglichen es, Kunden gezielter anzusprechen und schneller passende Angebote zu erstellen. Ein schlanker Prozess, der Vermittler von unnötigem Papierkram befreit, zahlt sich vor allem im vergleichsweise teuren Vertriebskanal Agentur aus. Versicherer, die konsequent auf Automatisierung setzen, sparen also nicht nur, sie schaffen auch greifbare Vorteile für ihre Kunden.

#2 Zentralisierung und Standards: Effizienz durch Struktur

Ein entscheidender Hebel für die Kostenreduktion liegt in der Zentralisierung von Prozessen. Wenn zentrale Einheiten Aufgaben wie das Lead-Management übernehmen und standardisierte Abläufe entlang der Customer Journey etablieren, lassen sich erhebliche Ineffizienzen beseitigen. Vermittler profitieren von klaren Richtlinien und zentralen Ressourcen – das spart Zeit und reduziert Streuverluste.

Darüber hinaus schafft die Standardisierung Transparenz: Agenturen lassen sich besser vergleichen, wodurch gezielte Weiterbildungen und Anreize möglich werden. Der Wettbewerb belebt auch das Geschäft. Wofür beispielsweise das performance-orientierte Lead-Routing genutzt werden kann, bei dem derjenige den Lead bekommt, der ihn am besten konvertieren kann. Die Basis dafür ist eine übergreifende KPI-Berichterstattung und -Steuerung. Versicherer, die einen gut strukturierten Vertrieb aufbauen und ihn mit smarten Tools unterstützen, steigern nicht nur die Effizienz, sondern schaffen auch einen echten Wettbewerbsvorteil.

#3 Rabattmanagement: Mehr Kontrolle, höhere Profitabilität

Rabatte werden von Vermittlern häufig zu großzügig und ohne strategischen Plan vergeben, was sich negativ auf die Combined Ratio auswirkt. Ein klar durchdachtes Rabattmanagement kann hier Abhilfe schaffen. Es vermeidet unnötige Verluste und steigert gleichzeitig die Kundenzufriedenheit. Kurzfristig sollten Versicherer daher Transparenz in den bestehenden Rabattstrukturen schaffen. Besonders Rahmenverträge und Kooperationsrabatte gehören auf den Prüfstand. Überholte Rabatte können schnell angepasst oder gestrichen werden – ein Ansatz, der Quick-Wins bei der Kostensenkung liefert und die Profitabilität erhöht.

Darüber hinaus gilt es mittelfristig, Rabatte, die im Rahmen von Marketing- und Werbekampagnen gewährt werden, genauer zu analysieren. Der Fokus sollte klar darauf liegen, Rabatte einzusetzen, die den Absatz nachweislich fördern. Effektivität und Monetarisierungspotenzial müssen im Mittelpunkt stehen. Langfristig sollten Versicherer ihre Anreizsysteme stärker mit der Rabattvergabe verknüpfen.

Vermittler könnten etwa Boni für eine zurückhaltende Rabatthandhabung erhalten, wenn sie gleichzeitig stabile Neukundengewinne erzielen. Um das zu ermöglichen, müssen die vertraglichen Grundlagen zwischen Versicherern und Vermittlern angepasst werden. So entsteht eine gezielte Steuerung der Rabatte, die den Vertrieb auf nachhaltige Effizienz ausrichtet.

Fazit

Die Versicherungsbranche kann es sich nicht mehr leisten, abzuwarten. Wer sich jetzt den steigenden Kosten stellt und seinen Vertrieb smarter gestaltet, legt den Grundstein für langfristigen Erfolg. Automatisierung, Zentralisierung und effektives Rabattmanagement sind konkrete Ansätze, um effizienter zu werden und wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch der Markt entwickelt sich schnell – wer zu spät handelt, riskiert, den Anschluss zu verlieren. Jetzt ist die Zeit, die Weichen für die Zukunft zu stellen.

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