Rudolf Schababerle ist Leiter Vertriebsservice der Bankenkooperation der Karlsruher und Württembergische. Er referiert auf dem Fokustag „Versicherungsvertrieb über Banken und Versicherungen“ der Bankenforen Leipzig am 28. Juni. ©
  • Von Redaktion
  • 07.06.2016 um 12:10
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Die so genannten Insurtechs haben den traditionellen Versicherern in Sachen Kundenorientierung einiges voraus, meint Vertriebsexperte Rudolf Schababerle. Im Interview erklärt er, wie sich auch Versicherer die Digitalisierung zunutze machen können, um Kundenkontakt und -beziehung zu verbessern.

Drohen Versicherer, den Kontakt zum Kunden zu verlieren? Wie können sie das verhindern?

Wenn man die Kundenbestände von Versicherungsagenturen untersucht, stellt man meist ernüchtert fest, dass ganz offensichtlich nur zu einem kleinen Teil der Kunden von zirka 20 Prozent einigermaßen regelmäßig Kontakt besteht.

Wenn ein Kunde lediglich einen Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag ohne Anbündelung weiterer Sparten hat, ist häufig der Kontakt zum Versicherer bereits verloren. Manche Kunden hören jahrzehntelang nichts von ihrem Versicherer, bis endlich die Leistung ausgezahlt wird. Das gilt auch für Nichtleben-Kunden.

Viele Hausrat-„Mono“-Kunden sind beispielsweise noch nach VHB74/84 versichert und jahrzehntelang nicht von ihrem Vertreter angesprochen worden. Derartige Kundenkontakte sind erkaltet, die Kunden schon längst auch bei anderen Unternehmen „fremdgegangen“. Ziel muss es deswegen sein, den Kunden frühzeitig anzusprechen und beispielsweise passgenaue Wiederanlageangebote bzw. Vertragsneuordnungen zu unterbreiten.

Bei Kunden mit guter Vertragsanbindung zeigt sich ein differenzierteres Bild. Beim Mehrvertragskunden bieten sich vielfältige Kontaktmöglichkeiten wie zum Beispiel Vertragsanpassungen oder -erhöhungen, die in der Regel durch die Vermittler unter Nutzung der klassischen Kommunikationskanäle heute bereits gut genutzt werden. Hier besteht die Herausforderung, die stetig wachsende Anzahl digitaler Kanäle wie zum Beispiel Whatsapp und Facebook für die Interaktion mit Kunden beziehungsweise Interessenten effizient ins Spiel zu bringen.

Warum nicht bestimmte Kundencluster über Whatsapp-Gruppen beispielsweise vor der Urlaubszeit auf besondere Angebote hinweisen? Über die neuen digitalen Kanäle bieten sich teils preiswerte Möglichkeiten, die Kundenbeziehungen „warm“ zu halten. Die Nutzung steckt derzeit noch in den Kinderschuhen und bietet für die agilen Unternehmen im Markt noch viele Potenziale.

Die Banken sind in einer besonders prekären Situation in Bezug auf die Kundenkontakte. In den 70er-Jahren konnte durch die Einführung von Geldautomaten eine enorme Effizienzsteigerung im Filialbetrieb erzielt werden. Gleichzeitig setzte aber eine erste massive und immer weitergehende Entfremdung der Kunden ein.

Mit dem Online-Banking hat die Kundendistanz eine neue Eskalationsstufe erreicht. Die Kunden informieren sich über das Internet über vergleichbare Angebote und sind wechselbereiter. Konkurrenzangebote sind nur „einen Klick“ entfernt. Verfügen die Kunden lediglich über ein Girokonto, ist Skepsis angebracht. Allzu häufig erweisen sich die Girokonten als leere Hülle, der vermeintliche Kunde als Karteileiche.

Die interessantesten Kunden sehen ihren Bankberater vielleicht gerade noch bei einer Finanzierungsberatung oder zum Ausfüllen des WPHG-Bogens zur Eröffnung eines Online-Depots. Wenn irgendwann das Bargeld verschwindet, werden auch die Geldautomaten ihre Bedeutung als Kontaktpunkte verlieren.

Ein kaum nachvollziehbares Relikt der Vergangenheit sind die Öffnungszeiten der Bankfilialen, die nicht mehr zu den veränderten Anforderungen der Kunden passen. Die Mehrheit der Kunden wird heute in den Filialen nicht mehr beraten.

Viele Institute reagieren derzeit auf die Situation, indem das Filialnetz weiter ausgedünnt wird und eine stärkere Fokussierung auf gehobene Kunden und Firmenkunden erfolgt. Auf der anderen Seite verfügen die Banken über Kundeninformationen, die andere Branchen gerne hätten. Informationen zu Home-Banking-Aktivitäten und eine lückenlose Buchungshistorie des Girokontos lassen Rückschlüsse auf das Kaufverhalten, die Risikoaffinität, Ziele und Wünsche und die Finanzkraft zu.

Die datenschutzrechtlichen Regularien setzen der Nutzung dieser Daten allerdings enge Grenzen. Die Banken unternehmen derzeit viele Anstrengungen, um die brachliegenden Schätze im Kundenbestand zu heben. Das Kundenbeziehungsmanagement wird zur Kernkompetenz der Berater erklärt, die Anlage und Nutzung von Kontaktpunkten wird zum persönlichen Ziel erhoben.

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