- Von Redaktion
- 09.07.2014 um 09:45
Pfefferminzia: Was war Ihre Motivation die Studie „Versicherung im Jahr 2020“ von Zukunftsforschern erstellen zu lassen?
Andrea Helmerich: Die Versicherungswirtschaft steht unzweifelhaft vor einem strukturellen Wandel. Neue, digitale Akteure besetzen wichtige strategische Kundenschnittstellen und gewinnen in einigen Versicherungssparten stetig Marktanteile. Mobile Geräte verändern das Informations- und Kommunikationsverhalten der Kunden und damit auch die Bedürfnisse der Kunden an den Dialog mit Versicherern. Makler und Versicherer müssen ihre Strategien und Geschäftsmodelle daraufhin überprüfen. Um dies zu unterstützen, haben wir einen renommierten Think Tank mit der Studie betraut.
Die Studie macht vor allem qualitative Aussagen zur Zukunft. Auf welchen Daten beruhen die Prognosen?
Das Trendforschungsinstitut „2b AHEAD ThinkTank“ und sein Direktor Sven Gábor Jánszky organisieren bereits seit zwölf Jahren einen jährlichen Austausch von 250 CEOs und Innovationschefs der deutschen Wirtschaft, um Zukunfts-Szenarien zu entwerfen. Für unsere Studie haben die Trendforscher Investitionsentscheidungen, Geschäftserwartungen und Trendaussagen von 30 Zukunftsexperten aus verschiedenen Bereichen auf deren Einfluss auf die Geschäftsmodelle der Versicherungswirtschaft hin analysiert.
Die Ergebnisse weisen auf einen tiefgreifenden Umbruch in der Branche hin, der zwangsläufig durch technische Innovationen ausgelöst wird. Was passiert mit dem Markt?
Wer die Studie liest, wird in der Tat erstaunt sein und die Branche an der einen oder anderen Stelle kaum wieder erkennen. Die fortschreitende Digitalisierung und das sich noch stärker verändernde Kundenverhalten sind dabei wesentlichen Entwicklungen. Der Markt wird sich immer stärker in zwei Hauptsegmente mit unterschiedlicher Logik aufteilen: Zum einen in das Premium- und zum anderen in das Economy-Segment. Das bisherige universelle Abwägen zwischen Qualität und Preis bleibt im Economy-Segment erhalten, im Premium-Segment gelten hingegen andere Entscheidungsfaktoren beim Kauf eines Versicherungsprodukts. Dort erfolgt die Kaufentscheidung nicht nach Qualität und Preis, sondern nach der Eignung des Maklers als Identitätsmanager. Das heißt, diese Kunden umgeben sich mit Personen und kaufen Produkte, die ihnen helfen, ihre eigene Identität auszudrücken.
Was bedeutet dieser Trend für die Player auf dem Markt?
Versicherer und Makler müssen sich neu positionieren und ihre Zielgruppe klar definieren. Insgesamt haben wir neun künftige Kundensegmente identifiziert – drei im Premium- und sechs im Economy-Bereich. Diese unterscheiden sich nach den Kundenbedürfnissen, der Technikaffinität und dem Aktivitätslevel auf Seiten der Kunden, nach den genutzten Kundenschnittstellen, der Dialogstrategie und den verkaufbaren Produkten auf Seiten des Versicherers.
Warum ist es so entscheidend die Kundenschnittstellen zu besetzen?
Der drohende Kontrollverlust über die Kundenschnittstelle ist existenziell. Die Frage, wem die Kunden in Zukunft in Versicherungsfragen vertrauen werden, ist die zentrale Herausforderung für etablierte Unternehmen. In der Studie fragen wir, wie Erstversicherer und die Makler, aber auch ihre Dienstleister und Vertriebspartner reagieren müssen. Es scheint klar zu sein: Sie müssen selbst ihr bisheriges Geschäftsmodell verändern, weil sie andernfalls die Macht über ihr eigenes Geschäft verlieren.
Inwieweit sind die in der Studie beschriebenen Trends in Großbritannien, dass allgemein als Vorreiter in Sachen Vertrieb gilt, bereits fortgeschritten?
Dort sehen wir bereits eine deutliche Zweiteilung des Versicherungsmarktes. Auf der einen Seite ist das Geschäft mit standardisierten Online-Produkten im Zuge der Digitalisierung stetig gewachsen. Auf der anderen Seite dominieren unabhängige Makler die persönliche Beratung im Premiumsegment. Während sich der Online-Bereich in Großbritannien vor allem auf Kunden mit niedrigen Einkommen fokussiert, legen die unabhängigen Vermittler ihren Schwerpunkt auf die Beratung von vermögenden Kunden.
Warum hängt Deutschland so weit hinterher?
Die Assekuranz in Deutschland hat sich bisher nicht allzu innovativ gegeben, strikt an ihrem traditionellen Geschäftsmodell festgehalten und die Chancen des digitalen Wandels nicht genutzt. Die Internetbranche hat jedoch inzwischen erkannt, welch großes Potenzial im Vertrieb von Versicherungsprodukten steckt und drängt immer mehr in den Markt. Bestes Beispiel dafür ist, dass Google inzwischen auch Versicherungen verkauft. Hier ist wächst eine ernst zunehmende Konkurrenz für den klassischen Vertrieb heran.
Oliver Lepold
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