- Von Lorenz Klein
- 30.06.2023 um 13:07
Der wachsende Zulauf für die AfD insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern beschäftigt Bürger, Politiker, Presse-Vertreter und zunehmend auch die Finanzdienstleistungsbranche. „Die Mitglieder unseres Verbandes im Osten beraten jeden Tag tausende von Bürgerinnen und Bürgern zur privaten Altersvorsorge. Sie bestätigen uns deren große Sorgen“, sagt Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung, in einer Pressemiteilung.
Dabei beträfen die Sorgen nicht allein die Rente, wie Wirth hinzufügt. Denn: „Im Vergleich zum Westen sind das Geldvermögen und die Aussicht auf eine Erbschaft geringer. Hinzu kommt, dass viele junge Menschen abgewandert sind. Es schürt Ängste fürs Alter, wenn keine Aussicht auf Unterstützung durch die Kinder vor Ort besteht“, gibt Wirth zu bedenken.
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Wem bringt die Riester-Reform am meisten?
Ganz ähnlich sieht es Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA), das unter anderem vom AfW getragen wird: „Die Einkommen in den östlichen Bundesländern hinken immer noch deutlich hinterher. Das führt entsprechend zu niedrigeren gesetzlichen Rentenanwartschaften.“ Hinzu komme: Wer weniger verdient, hat auch weniger Mittel für ergänzende private Altersvorsorge zur Verfügung. Daher sei es kein Wunder, so Heuser weiter, dass sich die Menschen im Osten größere Sorge um ihr Auskommen im Alter machten als im Westen.
Der DIVA-Direktor stützt seine Einschätzung auch auf aktuelle Umfragewerte. So ermittelte der halbjährlich erhobene deutsche Altersvorsorge-Index (DIVAX-AV), einen deutlich schlechteren Wert in den ostdeutschen Bundesländern als in den westlichen: Während der Index in den westlichen Bundesländern aktuell bei plus 3,5 liegt, ist die Stimmung zur Altersvorsorge in den östlichen Ländern mit einem Indexwert von minus 9,4 deutlich schlechter. Generell können die Index-Werte zwischen plus 100 und minus 100 liegen.
„Stimmungslagen in Ost und West driften auseinander“
Im Vergleich zur Erhebung im Herbst 2020 hat sich die Stimmung laut DIVA insgesamt verschlechtert, jedoch sei der Abfall in den östlichen Bundesländern von damals minus 5,7 auf nunmehr minus 9,4 noch stärker als in den westlichen, wo die Differenz nur 2,3 Punkte betrug, während es im Osten um 3,7 Punkte nach unten ging (siehe Grafik). „Die Stimmungslagen Ost und West driften also auseinander“, resümieren die Experten des DIVA.
Aufschlussreich sei dabei auch der Blick auf die nach Geschlecht und Alter differenzierten Indizes. Bei den Älteren im Osten (50 bis 65 Jahre) ist die Stimmung zur Rente mit einem Indexwert von minus 26,0 Punkten besonders schlecht. Und bei den Frauen im Osten liegt der Wert mit minus 11,8 deutlich unter dem der Männer im Osten (minus 6,4) und dem der Frauen im Westen (minus 0,6). DIVA-Direktor Heuser hält das für plausibel: „Bei den Älteren ist der Renteneintritt in Sichtweite oder steht sogar unmittelbar bevor. Sie wissen, wenn das Geld nicht oder nur knapp reichen wird. Deshalb sorgen sie sich am meisten. Und dass Frauen größere Sorgen haben, liegt auf der Hand. Die im Osten ohnehin schon niedrigeren Einkommen sind bei ihnen im Schnitt noch geringer.“
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Die Ergebnisse werfen nicht nur für Heuser die Frage danach auf, ob die Politik gegensteuern und Ängste nehmen könnte? Von einseitigen Verbesserungen des Rentenniveaus in den östlichen Bundesländern hält der DIVA-Direktor allerdings nichts: „Wer soll das bezahlen? Blickt man auf die demografische Entwicklung mit dem anstehenden Rentenbeginn der Babyboomer, sind Erhöhungen des Rentenniveaus sehr problematisch.“
Wenn der Steuerzuschuss nicht „ins Uferlose“ wachsen soll, so Heuser, müsse man eher über eine Absenkung des Rentenniveaus diskutieren. Auch die aktuelle Regierung sehe hier keinen Spielraum für eine Erhöhung: „Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung friert das Rentenniveau bis zum Ende der Legislatur ein“, betont der DIVA-Direktor.
Eine Alternative läge in einer anderen Form von Transferzahlungen, findet AfW-Vorstand Norman Wirth, der vor diesem Hintergrund das Ausbleiben einer Riester-Reform bedauert:
Riester war das beste Altersvorsorgeprodukt für Menschen mit niedrigem Einkommen und deshalb gerade im Osten so wichtig. Die Menschen dort könnten mit wenig Eigenanteil hohe Zulagen erhalten. Weil die Regierung eine Reform nicht anpackt, gibt es fast keine Tarife und keine Neuabschlüsse mehr. Das muss sich die Regierung ankreiden lassen, wenn es um die Sorgen der Menschen im Osten geht. Unsere Mitglieder haben dafür kein Verständnis.“
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