- Von Jens Lehmann
- 30.05.2023 um 13:36
Da kommt der Start des ersten Sozialpartnermodells gerade richtig. Zumal es neben guten Renditechancen auch nicht frei von Sicherheiten ist. „Schließlich handelt es sich beim SPM um ein kollektives Konzept, bei dem in guten Jahren ein Puffer aufgebaut wird, mit dem sich in schlechteren mögliche Verluste ausgleichen lassen“, so von Löbbecke. Hinzu kommen Sicherungsbeiträge des Arbeitgebers, die die Sozialpartner vereinbaren können, um mögliche Wertverluste auszugleichen.
Fehlende Garantien bedeuten somit nicht fehlende Sicherheit. Mit dem Sozialpartnermodell sei eine Zielrente möglich, die 50 Prozent über der Garantierente aus klassischen Modellen liege. Wenn ein übliches bAV-Modell eine monatliche Rente von 300 Euro garantiere, könne die Zielrente beim SPM auf 450 Euro anwachsen, rechnet der HDI-Experte vor. Selbst für den Fall, dass sie drastisch auf 400 Euro abgesenkt werden müsse, bliebe noch immer ein Plus von 100 Euro gegenüber dem herkömmlichen System.
Kein Platz für Vermittler?
Für Vermittlerinnen und Vermittler stellt sich angesichts dieser Vorzüge des Sozialpartnermodells die Frage, wie es um ihre geschäftlichen Perspektiven im Markt der betrieblichen Altersversorgung steht. Denn im Gegensatz zum klassischen bAV-Geschäft sind sie bei Sozialpartnermodellen außen vor: Beim Aushandeln eines SPM legen die Tarifparteien den Durchführungsweg für die bAV und die Versorgungseinrichtung fest, die die Verwaltung des eingezahlten Kapitals übernehmen soll. Da ist kein Platz mehr für Vermittler.
Auf Vertriebsprofis wartet dennoch viel bAV-Arbeit. „SPM werden klassischen Lösungen der betrieblichen Altersversorgung keineswegs den Rang ablaufen“, urteilt Cordula Vis-Paulus und verweist auf die vielen nicht tarifgebundenen Unternehmen, für die eine SPM-Lösung derzeit nicht infrage kommt. Laut Statistischem Bundesamt hatten im Jahr 2021 gut 46 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Westen und 55 Prozent der Beschäftigten im Osten keinen Tarifvertrag – und damit keine Aussicht auf eine Altersabsicherung per Sozialpartnermodell. Die maklergetriebene bAV-I-Welt biete Maklern deshalb viel Potenzial und werde noch an Bedeutung gewinnen.
bAV-Teilnahme legt zu
Das große Potenzial des bAV-I-Marktes belegt auch die Deloitte-Studie. So ist die Teilnahmequote an der bAV weiter angestiegen. Den stärksten Zuwachs gibt es im Bereich der Bruttoentgeltumwandlung, also in der von den Beschäftigten selbst finanzierten betrieblichen Altersversorgung. Noch 2020 lag der Anteil konstant unter 25 Prozent, bis 2022 ist er auf 47 Prozent gestiegen. Grund dafür dürfte die seit 2019 für Neuverträge gesetzlich festgeschriebene Zuschusspflicht des Arbeitgebers zur betrieblichen Altersversorgung der Beschäftigten sein, die mittlerweile auch für Altverträge gilt.
Die Steigerung im Bereich der Entgeltumwandlung zeigt: Je großzügiger die Unternehmen ihre Mitarbeiter bei der bAV finanziell unterstützen, desto höher ist deren Bereitschaft, in die betriebliche Altersversorgung einzusteigen. Für Cordula Vis-Paulus sind Zuschüsse des Arbeitgebers auch eine Frage der sozialen Verantwortung. Zugleich hebe sich ein besonders spendabler Betrieb von Konkurrenten ab und verschaffe sich einen wichtigen Vorteil im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte. „Genau hier liegt ein guter Ansatzpunkt für Vermittlerinnen und Vermittler, um auch kleinere und mittlere Unternehmen davon zu überzeugen, eine betriebliche Altersvorsorge anzubieten.“
Alibi-Verträge haben ausgedient
Dabei spielt auch die Rendite eine immer größere Rolle. Gerade in Inflationszeiten reichen vielen Beschäftigten Garantien nicht mehr aus. „Eine moderne bAV muss so gestaltet sein, dass sie die Bedürfnisse aller Mitarbeitenden vom Angestellten bis zum Geschäftsführer berücksichtigt“, sagt Liechtenstein-Life-Experte Schäfer. Gerade Jüngere seien viel aufgeschlossener für kapitalmarktorientierte Vorsorgeformen und hätten höhere Renditeansprüche.
Neben höheren Renditechancen „muss auch der Einsatz für die betriebliche Altersversorgung erhöht werden“, so Vis-Paulus „Mit Alibi-Verträgen und Beiträgen von 50 oder 100 Euro wird sich mittelfristig kein Arbeitnehmer mehr zufriedengeben“, sagt die bAV-Beraterin voraus. Attraktivere Lösungen seien gefragt, die den Beschäftigten auch tatsächlich die notwendige Zusatzrente in angemessener Höhe finanzierten.
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