- Von Lorenz Klein
- 19.08.2022 um 11:30
„Die hohe Inflation spüren wir ganz akut bei Lebensmitteln und Heizkosten. Sie wird aber auch dramatisch auf die Altersvorsorge durchschlagen.“ Das meint der ehemalige Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller. „Wenn man hier keine leistungsstarken Produkte hat, dann entwertet die Inflation die schlechte Altersvorsorge noch stärker“, erklärte Müller in einem Interview, das kürzlich im „Jahresbericht 2021“ der Verbraucherschutzorganisation erschienen ist.
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Müller war von 2014 bis 2022 Vorstand des VZBV und heuerte im März als Präsident bei der Bundesnetzagentur an. Im Interview spricht Müller „über die Höhepunkte des vergangenen Jahres und seiner achtjährigen Amtszeit“, wie es beim VZBV heißt. Doch tatsächlich geht Müller auch auf Enttäuschungen in seiner Laufbahn ein. Dazu gehört zweifellos die Reform der privaten Altersvorsorge ein, die aus Müllers Sicht „nicht so gut gelaufen“ sei, da sie im Koalitionsvertrag nicht so festgehalten worden sei, wie man sich dies gewünscht hätte. „Das ist enttäuschend“, räumte Müller ein.
VZBV: Nicht länger „an einer unrentablen Versicherung festhalten“
Seine Nachfolgerin an der Spitze des VZBV, Jutta Gurkmann, betont sogleich, dass es hierzulande an den – O-Ton Müller: „leistungsstarken Produkte“ – erheblich mangele. „Die private Altersvorsorge muss dringend reformiert werden“, forderte Gurkmann in einem Interview, das ebenfalls dem Jahresbericht zu entnehmen ist. Der Verband habe hierzu „einen guten Vorschlag vorgelegt“. Die Verbraucherschützerin verweist auf die Idee, einen öffentlich organisierten Fonds einzurichten, „statt weiter an einer unrentablen Versicherung festzuhalten“. Im Koalitionsvertrag stehe aber nur ein Prüfauftrag. „Das ist eine herbe Enttäuschung“, räumte Gurkmann ein.
Konkret heißt es dazu im Koalitionsvertrag der Ampel:
„Wir werden das bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren. Wir werden dazu das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen. Daneben werden wir die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen. Eine Förderung soll Anreize für untere Einkommensgruppen bieten, diese Produkte in Anspruch zu nehmen. Es gilt ein Bestandschutz für laufende Riester-Verträge.“
Zum Ärger des VZBV: Wissenschaftler plädieren für Riester-Reform
Kürzlich hatte der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums Ideen präsentiert, wie die private Altersvorsorge auf Basis des Koalitionsvertrags umgestaltet werden könnte. Unter anderem soll die Riester-Rente von grund auf reformiert werden – ohne Beitragsgarantie und mit Pflichtbeitrag. Zudem soll Riester zu einer kapitalgedeckten Altersvorsorge weiter entwickelt werden (wir berichteten).
Der Vorschlag des Gremiums dürfte dem VZBV nicht schmecken. So hatte sich die Organisation immer wieder als scharfer Kritiker der Riester-Rente zu Wort gemeldet. Ex-Vorstand Müller hatte die Ampelparteien sogar aufgefordert, bestehende Riester-Rentenverträge aufzulösen und in einen „öffentlichen Vorsorgefonds“ zu überführen, der die „gescheiterte Riester-Rente ablöst“. Die Riester-Rente sei ein „gigantisches Geschenk an die Finanz- und Versicherungswirtschaft“ gewesen, schrieb Müller im November 2021 in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ (wir berichteten).
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