Andreas Harms ist Redakteur bei Pfefferminzia. © Pfefferminzia
  • Von Andreas Harms
  • 24.11.2022 um 12:44
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Aktionäre versuchen, vor Gericht als Gläubiger des pleitegegangenen Konzerns Wirecard durchzugehen. Das Landgericht München lehnt das ab. Das ist gut so, denn manche Regeln sollten bleiben, wie sie sind. Das gilt übrigens auch für die goldene Regel bei Geldanlage und Vorsorge, die der Wirecard-Fall einmal mehr bestätigt hat.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie stehen im Supermarkt gemütlich vor der Kasse. Da schubst und drängelt plötzlich von hinten jemand und ruft: „Ich habe es besonders eilig! Mein Parkticket läuft ab.“ Sie denken an ihr eigenes Parkticket, das ebenfalls nicht ewig währt, und fragen sich: „Warum soll sein Ticket wichtiger sein als meins?“

Genau solche Erlebnisse kamen mir in den Sinn, als ich heute morgen das Urteil des Landgerichts München I im „Handelsblatt“ las. Demnach hatte die Fondsgesellschaft Union Investment versucht, sich in eine Reihe mit Gläubigern zu stellen, um so etwas vom Insolvenz-Kuchen abzubekommen (mehr zum Urteil lesen Sie auch hier). Wobei es bei Wirecard weniger um einen Kuchen als vielmehr um einen Keks geht. Denn der Zahlungsdienstleister hatte jahrelang Umsätze erfunden und sich selbst damit künstlich viel wertvoller gemacht, als er jemals wirklich war. So war die Aktie zum Börsenstar geworden und hatte es sogar in den Dax geschafft. Im Sommer 2020 fiel das Kreditkartenhaus in sich zusammen, und Wirecard erwies sich als Luftnummer.

Das ist ohne Zweifel schlimm und ein schwerer Schlag für die Aktienkultur. Aber deshalb die Grundsätze von Bilanz und Geldanlage aushebeln zu wollen, geht zu weit. Wer eine Aktie kauft, ist kein Gläubiger. Er borgt nicht einem Unternehmen Geld, sondern er beteiligt sich an ihm. Damit sichert man sich unter anderem das Recht am Gewinn und das Stimmrecht. Und man geht das Risiko ein, das jeder Unternehmer eingeht – nämlich, dass die Sache schiefläuft und kracht. Damit steht man in der Schlange ganz hinten.

Rangfolge sollte so bleiben

Wer einen Kredit vergibt oder eine Anleihe kauft, steht weiter vorn und wird im Pleitefall folglich vor dem Aktionär bedient. Dafür gibt man sich aber mit einem festen Zins zufrieden und verzichtet auf die Chance auf steigende Gewinne und steigenden Wert und aufs Stimmrecht.

So ist es, und so sollte es bleiben. Wer als Aktionär vordrängeln will, will Gläubigern Geld wegnehmen, das ihnen zusteht. Das ist der falsche Weg. Es ist zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof das ähnlich sieht. Denn es sieht so aus, als würde er den Fall auf den Tisch bekommen.

Völlig legitim ist es hingegen, dass Union Investment und andere Aktionäre die verantwortlichen Wirtschaftsprüfer von EY (vormals Ernst & Young) zur Rechenschaft ziehen wollen. Es gilt als erwiesen, dass sie gegen ihre Pflichten verstießen, indem sie Wirecard jahrelang korrekte Berichte bescheinigten. Damit sorgten sie dafür, dass Anleger aufgrund falscher Informationen zugriffen – und am Ende Geld verloren.

Abseits davon bestätigt der Wirecard-Fall einmal mehr eine goldene Regel der Geldanlage: Es ist nie, nie, nie eine gute Idee, bei Geld oder gar der Altersvorsorge alles auf eine Karte zu setzen. Geld gehört breit gestreut, am besten über Investmentfonds. Wozu gibt es die Dinger sonst?

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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