Ist das schon Anlageberatung? Ein Fragenkatalog der Esma klärt auf © picture alliance / dpa Themendienst | Monique Wüstenhagen
  • Von Andreas Harms
  • 10.08.2023 um 16:48
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Der Weg vom reinen Angebot hin zur Anlageberatung kann sehr kurz sein, aber weitreichende Folgen haben. Denn Anlageberater haben Pflichten zu erfüllen und haften mitunter für falsche Beratung. Aber was ist Beratung? Dazu hat sich jetzt die europäische Wertpapieraufsicht Esma umfassend geäußert.

Wenn eine Geldanlage schiefläuft, stellt sich anschließend immer wieder folgende Frage: Hatte sich der Anleger davor beraten lassen oder nicht? Daraus ergibt sich als nächste Frage, ob jemand anderes dafür haftet als der Anleger selbst. Zum Beispiel der Berater. Eine Situation, mit der sich Gerichte in schöner Regelmäßigkeit auseinandersetzen müssen.

Neu hinzu kommt der Aspekt, dass sogenannte Finfluencer im Internet verstärkt Märkte, Strategien oder gar direkte Produkte bewerten und empfehlen. Das Wort Finfluencer setzt sich aus „Finanz“ und „Influencer“ zusammen. Haften sie für ihre Tipps, oder haften sie nicht?

Alles Anlageberatung, oder was?

Jetzt hat sich die die europäische Wertpapier- und Marktaufsicht Esma mit dem Thema befasst. Herausgekommen ist ein Ratgeber, was gemäß der Finanzmarktregel Mifid II unter Anlageberatung zu verstehen ist. Der letzte derartige Katalog stammt noch aus dem April 2010, wie die Esma einräumt, und bezieht sich noch auf den Regelwerk-Vorläufer, Mifid.

38 Seiten auf englisch umfasst das Werk, aus dem wir hier ein paar Highlights herauspicken wollen. Zum Beispiel den aufschlussreichen Fragenkatalog auf Seite 9. Kann man den durchweg mit Ja beantworten, liegt höchstwahrscheinlich Beratung vor. Folgende Fragen sind es, wobei auch die Reihenfolge wichtig ist (Übersetzung von uns):

  1. Enthält die angebotene Dienstleistung eine Empfehlung?
  2. Bezieht sich die Empfehlung auf Transaktionen mit Finanzinstrumenten?
  3. Wird die Empfehlung als geeignet dargestellt oder basiert sie auf den genauer betrachteten persönlichen Umständen des Anlegers?
  4. Richtet sich die Empfehlung an jemand anderen als ausschließlich an die breite Öffentlichkeit?
  5. Richtet sich die Empfehlung an eine Person, die Anleger oder möglicher Anleger ist oder die Vermittler für Anleger oder mögliche Anleger ist?
Finfluencer

Diese Punkte unterfüttert die Esma mit zahlreichen Sonderfällen und Beispielen. Zum Beispiel geht sie auf Finfluencer ein. Und die sind interessanterweise erst einmal aus der Beraterhaftung raus. Denn für sie kann man die Frage 4 mit Nein beantworten. Auch Frage 3 greift nicht, sofern sich der Finfluencer nicht direkt mit den persönlichen Umständen oder Bedürfnissen eines Zuschauers oder Zuhörers befasst.

Das kann sich freilich ändern, wenn jemand mal direkt beim Finfluencer nachfragt und dabei die persönlichen Umstände schildert. Geht der Finfluencer dann darauf ein und gibt einen Tipp, der sich auf ein Finanzinstrument bezieht, zum Beispiel einen Investmentfonds oder eine Aktie, kann er in die Rolle des Beraters rutschen.

Online-Angebote

Ein weiteres Beispiel ist eine Firma, die online Investmentfonds zum Kauf anbietet. Sie fragt Neukunden nach ihren Kenntnissen über Fonds und ob sie sich der Konsequenzen bewusst sind, wenn sie keine Beratung erhalten. Dann stellt sie Fonds mit deren technischen Daten vor. Sie stellt keinen nach vorn, sondern behandelt alle gleich. Kunden können auswählen und dabei ein Simulations-Tool benutzen. Das alles gilt aber nicht als Empfehlung und damit auch nicht als Beratung.

In einem zweiten Beispiel fügt dieselbe Firma aber den Knopf „Finde heraus, welcher Fonds für dich geeignet ist!“ hinzu. Drückt man drauf, fragt sie nach Zielen, Zeithorizont, Risikotoleranz und Nachhaltigkeitsvorlieben. Anschließend bekommt man Fonds gezeigt mit dem Vermerk: „Diese Fonds könnten zu dir passen.“ Das ist dann laut Esma Anlageberatung.

Rennlisten

Allgemeine Vertriebs- oder Info-Maßnahmen wie Fondsrennlisten („Die erfolgreichsten Fonds des Jahres XXXX“) oder „Fonds des Monats“ oder „Die Top-Produkte hier bei uns“ gelten hingegen grundsätzlich nicht als Beratung. Das liegt ebenfalls an den Punkten 3 und 4, die analog zum Finfluencer gleichermaßen nicht erfüllt sind.

Mailings

Anders sieht es hingegen bei Nachrichten an Kunden aus, zum Beispiel über Rundmails oder direkte Schreiben. Hier räumt die Esma ein, dass viele an große Kundengruppen verschickte Nachrichten höchstwahrscheinlich keine Anlageberatung sind. Gleichwohl kann es sich, sogar wenn es an mehrere Kunden geht, durchaus um eine persönliche Empfehlung handeln.

Weshalb man dann laut Esma einige weitere Elemente klären muss: Zielgruppe sowie Inhalt und Zungenschlag der Botschaft. Ist die Zielgruppe beispielsweise nach deren persönlichen Umständen zusammengestellt, könnte man annehmen, dass der Versender die empfohlene Anlage als für sie geeignet betrachtet. Was in Richtung Beratung deuten könnte.

Ähnliches auch bei Inhalt und Zungenschlag: Je direkter, nachdrücklicher und intensiver die Botschaft in Richtung eines Anlageprodukts deutet, desto wahrscheinlicher ist es, dass hier eine Beratung vorliegt.

Die Esma räumt selbst ein, dass ihr Werk nicht vollumfänglich ist. Gleichwohl erklärt es einige Dinge. Sie können es hier herunterladen.

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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