Frau bei der Kosmetik: Die meisten weiblichen Selbstständigen in Deutschland arbeiten in der Körperpflegebranche © picture alliance / Andreas Arnold/dpa-tmn
  • Von Andreas Harms
  • 08.07.2022 um 14:16
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lesedauer Lesedauer: ca. 06:15 Min

Die Bundesregierung will Selbstständige verpflichten, fürs Alter vorzusorgen. Eine entsprechende Passage im Koalitionsvertrag hat immerhin einen Fehler früherer Pläne beseitigt. Das ist ja schon mal was. In anderer Hinsicht hat das Vorhaben jedoch noch Mängel.

Das sieht nicht jeder so. Der VGSD weist in einem zusammen mit 23 weiteren Berufsverbänden verfassten Papier darauf hin, dass „die große Mehrheit unserer Mitglieder“ vorbildlich vorsorgen würde. Gleichwohl respektiere man „den breiten politischen Willen zur Einführung einer AV-Pflicht“ und wolle sich trotz grundsätzlicher Bedenken konstruktiv an der Diskussion darüber beteiligen. Das Papier ist aus dem Oktober 2018.

Doch es gibt auch Gegenstimmen. Eine von ihnen gehört Ulf Papke, Mitglied der Geschäftsleitung beim Maklerpool Blau Direkt. „Wir sind gegen eine Pflichtvorsorge für Selbstständige“, stellt er klar. „Eine Gesellschaft sollte die Freiheit des Einzelnen schützen und vermeiden, das ganze Leben und jedes Risiko durchzuregulieren.“ Das sozialisierte Risiko, wenn Selbstständige scheitern, sei im Vergleich zu dem gering, was sie volkswirtschaftlich für die Gesellschaft leisten. Und damit den Preis wert.

Arbeitsministerium hält sich weiter bedeckt

Und noch einmal anders sieht es wiederum der Vorstandschef des Maklerpools Jung, DMS & Cie., Sebastian Grabmaier. Er hält den Plan grundsätzlich für eine gute Idee, fände es aber besser, wenn die Pflicht auch für bestehende Selbstständige gelten würde. Zumindest schrittweise. Viele Bedenken, viele Meinungen, aber eben nichts Handfestes aus Berlin. „Die genaue Ausgestaltung bleibt abzuwarten“, bestätigte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Anfrage.

Doch es bleibt zu hoffen, dass sich noch einiges tut. Da wäre zum Beispiel der merkwürdige Gedanke, dass sich ein privates Vorsorgeprodukt mit dem Grundsicherungsniveau messen lassen muss. So heißt es wörtlich im Koalitions­vertrag: „Dieses [private Vorsorgeprodukt] muss insolvenz- und pfändungssicher sein und zu einer Absicherung oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen.“ Warum soll es das schaffen müssen, wo es doch nicht einmal die gesetzliche Rente durchweg hinbekommt. Über 414.000 Rentner mussten Ende 2020 von der Grundsicherung leben, zählte die Deutsche Rentenversicherung (DRV).

Die Rolle von Selbstständigen in Deutschland
Die Rolle von Selbstständigen in Deutschland (hier klicken, um zu vergrößern)

Ein anderes Argument bringt Andreas Lutz. „Was ist mit Selbstständigen, die über Ehepartner schon gut abgesichert sind und sich über ihre Tätigkeit nur etwas hinzuverdienen wollen? Wie sollen die damit über die Grundsicherung kommen, und was sollen sie machen?“, merkt er zu Recht an. Weshalb man alles im Familienverbund sehen müsse und die Grundsicherung als Messlatte auch nicht überbewerten solle.

Hubertus Heil will die Rentenkasse stabilisieren

Weiter geht es mit der Frage, wie eine gesetzeskonforme Vorsorge konkret aussehen soll. Zunächst ist davon auszugehen, dass ein zählbarer Teil der Selbstständigen die angebotene Opt-out-Option ablehnt und einfach in die gesetzliche Rente einzahlt. Worauf die Bundesregierung übrigens ungeniert spekuliert. So gab Arbeitsminister Hubertus Heil schon im Sommer 2021 freimütig zu, mit Selbstständigen die Rentenkasse stabilisieren zu wollen.

Aber was kann der Einzahler in der Gesetzlichen erwarten? Das hängt wie immer von vielen Einzelheiten ab: Wie lange zahlt man ein? Und wie viel? Wann geht’s in Rente? Welches Niveau gilt dann? Und wie viel Geld kann der Staat dann noch zuschießen? Die „Wirtschaftswoche“ hat sich von der DRV etwas ausrechnen lassen: Um die im vergangenen Jahr für Rentner übliche Grundsicherung von 831 Euro zu erreichen, bräuchte man aus einer Vorsorge eine Bruttorente von 933 Euro. Und die erhält man, wenn man 45 Jahre lang jeden Monat 370 Euro einzahlt.

Seite 3: Was passiert, wenn man die Rechnung weiterdreht?

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Andreas

Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

kommentare
Wilfried Strassnig Versicherungsmakler
Vor 2 Jahren

Eine Branche, einschließlich der Fachzeitschriften, die es nicht für notwendig erachtet die Jahrhundertidee mit 7 Erfolgsfaktoren für hohe Renditen zu beachten, schreit förmlich danach vom Staat bevormundet zu werden. Man bremst, vermeintlich im WISSEN alles besser zu können, Querdenker sind ja grundsätzlich bäh, dabei kann man diese bei Nichtgefallen direkt kostenfrei entsorgen.
Der geringe OBOLUS ist mit Sicherheit lächerlich, in aller Regel vom Endergebnis unter 0,1% die man ja den Vermittlern üblicherweise zur Bezahlung überlässt, der Grund für Desinteresse? Diese erzielen bei BAVs-etc., aktuell die Vollkatastrophe, die man ohne Chuzpe den Bürgern verkauft, besonders extreme Verluste. Ganz leise, nur nicht unser Hautgeschäft mit Alleistellung gefährden. Anwälte und Richter schlafen aber auch nur so lange bis IHRE Auszahlungen erbärmlich sind. Millionen Einzelfälle.
Es kann sich wohl niemand vorstellen, dass ein Produkt mit Begeisterung von allen Bürgern akzeptiert wird und damit, nicht mehr “VERBESSERBAR” jede staatliche Lösung ins Abseits stellt. Nach allen Kosten und Inflation bietet der gesamte Markt keine Chance auf reale Gewinne.
Der Staat mit gigantischem Beamtenpensionsdefizit, der nach Covid und dem unnötigen Krieg in der Ukraine auf Jahre mit Rohstoffen aller Art unterversorgt ist und gewaltige Wirtschafts- und Arbeitsmarktprobleme wie immer erst registriert, wenn das Chaos da ist, ruiniert alles was über Jahrzehnte aufgebaut wurde.
Schade das deutsche Volk hat Besseres verdient. Mit Methoden von Gestern die Zukunft zu gestalten, natürlich alles sehr vernünftig und vor allem fair und sicher, ist für die oberen 20% der Bürger vielleicht perfekt. Mit dem Blick in den Rückspiegel mit 100 in die Kurve, für die restlichen 80% eine vorhersehbare Katastrophe.
Die letzten 10 Wörter Jesus am Kreuz….

F. Peters
Vor 2 Jahren

Es ist unglaublich!
WAS ist nur seit bereits über 20 Jahren so schwer daran, ein Gesetz zu entwerfen, dass jeden Selbstständigen generell zwingt, exakt denselben Betrag in eine wie auch immer geartete und für immer gesperrte AV einzuzahlen, wie er es auch müsste wenn er Angestellter wäre.

Sprich: „Bedenke, wenn Du Dich selbstständig machst, dass wir (der Staat) nach einer Schonfrist von max. 2 Jahren einen entsprechenden Vertrag von Dir erwarten. Legst Du diesen nicht vor, entfällt die Befreiungsmöglichkeit aus der Gesetzlichen Rente (bis Du uns die rechtlich zugelassene Alternative vorlegst).
Ferner werden wir jedes Jahr überprüfen, ob Du den Vertrag noch bestehen hast. Liegt der Beitrag unter dem Satz, den Du bei gleichem Einkommen auch als Angestellter zahlen müsstest, fällst Du wieder zurück in die Gesetzliche RV .. usw…
Das ist manchen Weicheiern und permanent Empörten zu hart? Wieso denn!? Jeder Angestellte hat doch auch keine Wahl! .. und das ist auch gut so.

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Wilfried Strassnig Versicherungsmakler
Vor 2 Jahren

Eine Branche, einschließlich der Fachzeitschriften, die es nicht für notwendig erachtet die Jahrhundertidee mit 7 Erfolgsfaktoren für hohe Renditen zu beachten, schreit förmlich danach vom Staat bevormundet zu werden. Man bremst, vermeintlich im WISSEN alles besser zu können, Querdenker sind ja grundsätzlich bäh, dabei kann man diese bei Nichtgefallen direkt kostenfrei entsorgen.
Der geringe OBOLUS ist mit Sicherheit lächerlich, in aller Regel vom Endergebnis unter 0,1% die man ja den Vermittlern üblicherweise zur Bezahlung überlässt, der Grund für Desinteresse? Diese erzielen bei BAVs-etc., aktuell die Vollkatastrophe, die man ohne Chuzpe den Bürgern verkauft, besonders extreme Verluste. Ganz leise, nur nicht unser Hautgeschäft mit Alleistellung gefährden. Anwälte und Richter schlafen aber auch nur so lange bis IHRE Auszahlungen erbärmlich sind. Millionen Einzelfälle.
Es kann sich wohl niemand vorstellen, dass ein Produkt mit Begeisterung von allen Bürgern akzeptiert wird und damit, nicht mehr “VERBESSERBAR” jede staatliche Lösung ins Abseits stellt. Nach allen Kosten und Inflation bietet der gesamte Markt keine Chance auf reale Gewinne.
Der Staat mit gigantischem Beamtenpensionsdefizit, der nach Covid und dem unnötigen Krieg in der Ukraine auf Jahre mit Rohstoffen aller Art unterversorgt ist und gewaltige Wirtschafts- und Arbeitsmarktprobleme wie immer erst registriert, wenn das Chaos da ist, ruiniert alles was über Jahrzehnte aufgebaut wurde.
Schade das deutsche Volk hat Besseres verdient. Mit Methoden von Gestern die Zukunft zu gestalten, natürlich alles sehr vernünftig und vor allem fair und sicher, ist für die oberen 20% der Bürger vielleicht perfekt. Mit dem Blick in den Rückspiegel mit 100 in die Kurve, für die restlichen 80% eine vorhersehbare Katastrophe.
Die letzten 10 Wörter Jesus am Kreuz….

F. Peters
Vor 2 Jahren

Es ist unglaublich!
WAS ist nur seit bereits über 20 Jahren so schwer daran, ein Gesetz zu entwerfen, dass jeden Selbstständigen generell zwingt, exakt denselben Betrag in eine wie auch immer geartete und für immer gesperrte AV einzuzahlen, wie er es auch müsste wenn er Angestellter wäre.

Sprich: „Bedenke, wenn Du Dich selbstständig machst, dass wir (der Staat) nach einer Schonfrist von max. 2 Jahren einen entsprechenden Vertrag von Dir erwarten. Legst Du diesen nicht vor, entfällt die Befreiungsmöglichkeit aus der Gesetzlichen Rente (bis Du uns die rechtlich zugelassene Alternative vorlegst).
Ferner werden wir jedes Jahr überprüfen, ob Du den Vertrag noch bestehen hast. Liegt der Beitrag unter dem Satz, den Du bei gleichem Einkommen auch als Angestellter zahlen müsstest, fällst Du wieder zurück in die Gesetzliche RV .. usw…
Das ist manchen Weicheiern und permanent Empörten zu hart? Wieso denn!? Jeder Angestellte hat doch auch keine Wahl! .. und das ist auch gut so.

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