- Von Lorenz Klein
- 26.06.2023 um 18:43
Die Volkswirte von Munich Re, Swiss Re und Allianz halten weitere Zinserhöhungen der Zentralbanken für unvermeidlich, um die Inflation zu bekämpfen. „Die Zentralbanken werden weiter an der Zinsschraube drehen, vor allem in Europa, vielleicht auch in den USA“, prognostizierte Jérôme Jean Haegeli, Chefvolkswirt des Rückversicherers Swiss Re, am Montag auf einer Webkonferenz des GDV – Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (die gesamte Aufzeichnung gibt es unten im Video).
„Die Inflation bleibt ein hartnäckiges Thema für 2023 und 2024“, begründete Michael Menhart, Chefvolkswirt der Munich Re, seine Prognose für eine weitere Straffung der Geldpolitik – auch wenn sich dadurch die konjunkturellen Aussichten verschlechterten: „In der Vergangenheit ist es den Notenbanken nicht gelungen, eine dermaßen hohe Inflation auf ihr eigentliches Preisziel zurückzuführen, ohne volkswirtschaftliche Schmerzen auszulösen“, gab Menhart zu bedenken.
Trotzdem begrüßten alle drei Chefvolkswirte eine entschlossene Reaktion der Notenbanken auf die Inflation. „Eine Rezession ist das kleinere Übel als eine langjährige Stagflation“, befand Haegeli von Swiss Re. Dass die Zinsen noch stärker steigen müssten, sei dem zögerlichen Handeln der Notenbanken zu Beginn des Preisanstiegs geschuldet: „Die Zentralbanken haben es einfach verschlafen“, so Haegeli. Wie stark die Zinsen noch steigen, hängt laut Allianz-Chefvolkswirt Ludovic Subran davon ab, „wie peinlich genau die EZB ihr Inflationsziel nimmt“.
GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen nannte die Hoffnung auf eine baldige Zinswende verfrüht.
Solange die Teuerungsraten ihren Zielwert noch um mehr als das Doppelte übersteigen, wird die EZB richtigerweise an ihrem Weg festhalten“, so Asmussen.
Versicherer eher Profiteure steigender Zinsen
Die europäischen Versicherer sieht Swiss-Re-Mann Haegeli dadurch kaum gefährdet, sie seien eher Profiteure steigender Zinsen. So sei das Anlageprofil der europäischen Versicherer „qualitativ sehr gut“, was sich auch daran zeige, dass weniger als 5 Prozent des Anlageportfolios deutscher Versicherer auf Hochrisikoanleihen entfielen. Der Sektor sei resilient, so Haegeli.
Zugleich dürften die steigenden Zinsen in der Realwirtschaft und im übrigen Finanzsektor noch zu „schmerzhaften Anpassungen“ führen, wie Haegeli betonte. Davon betroffen seien beispielsweise die Banken oder der Immobiliensektor. Munich-Re-Volkswirt Menhart erwartet, dass Europa langfristig ohnehin mit einer höheren Inflation und höheren Zinsen rechnen müsse. Ein Grund: Die preisdämpfenden Effekte der vergangenen Jahrzehnte, allen voran die Globalisierung und die Verlagerung von Produktion ins Ausland, auch Offshoring genannt, wirkten nicht mehr so stark.
Dagegen gebe es einige preistreibende Effekte, wie die Dekarbonisierung, die mit einer Verteuerung der Energie einhergehe. Menharts Schlussfolgerung: „Wenn man sich den langfristigen Inflationstrend anschaut, dann spricht viel dafür, dass wie ein höheres Zinsumfeld bekommen.“
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