Marco Metzler ist Rating-Spezialist und verfügt über viele Jahre Erfahrung in der Versicherungsbranche, etwa aus seiner Zeit als Finanzchef von Prisma Life in Liechtenstein. © Metzler Ratings
  • Von Redaktion
  • 21.04.2023 um 12:07
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So schnell kann es gehen: Saßen die deutschen Lebensversicherer 2021 noch auf stillen Reserven von 155 Milliarden Euro, schlummerten bereits Ende 2022 stille Lasten von etwa 110 Milliarden Euro in ihren Bilanzen. Warum das für die Branche zum Problem werden könnte, erklärt Rating-Spezialist Marco Metzler in seinem Gastbeitrag.

Zudem entfällt der größte Teil der stillen Lasten auf festverzinsliche Wertpapiere. Diese werden in der Regel von Lebensversicherern bis zum jeweiligen Laufzeitende gehalten. Dabei lösen sich die stillen Lasten von selbst wieder auf. Jedoch mindern stille Lasten auf jeden Fall die Ertragsflexibilität der betroffenen Unternehmen. Die Umschichtung schlecht verzinster Wertpapiere in neue, höher verzinste Papiere kann – wegen der Realisierung stiller Lasten beim Verkauf der „Niedrigzinser“– mit hohen Verlusten verbunden sein.

Wie Lebensversicherer gegensteuern können

Daher haben einige Lebensversicherer die bisher freiwerdenden Mittel aus der Zinszusatzreserve (ZZR) nicht zum Abbau stiller Lasten und damit zur Stärkung der eigenen Finanzkraft genutzt – sie haben vielmehr die Überschussbeteiligung stabil gehalten oder sogar erhöht, um in einer Phase steigender Zinsen den Kunden wenigstens etwas höhere Zinsen zu bieten. Andere Versicherer haben jedoch Verluste realisiert, so dass die Nettorendite für 2022 branchenweit auf nur rund 2,0 Prozent geschätzt wird.

Weitere Schwierigkeit für Lebensversicherer und ihre Kunden: Wegen der hohen Inflation wird es für viele Kunden zunehmend schwieriger, überhaupt noch zu sparen. Aus dem gleichen Grund – hohe Inflation – ist bei klassischen Lebensversicherungen die Realverzinsung derzeit negativ. Zugleich werden konkurrierende Bankprodukte dank wieder deutlich höherer Renditen attraktiver.

Hier können jedoch die Lebensversicherer selbst aktiv gegensteuern: Sie müssten lediglich wieder am Geldmarkt orientierte Tages- und Termingeld-Produkte mit attraktiver Verzinsung einführen. Das würde zum einen die Kundenbindung stärken und zum anderen die Liquidität der Versicherer deutlich erhöhen, so dass im unwahrscheinlichen Fall eines überraschenden Abzugs von Kundengeldern keine Wertpapiere unter Buchwert verkauft werden müssten.

Werden Renaissance der Sachwertpolicen bei Fondspolicen erleben

Angesichts der negativen Realverzinsung empfiehlt Metzler Ratings den Versicherungsnehmern klassischer Lebensversicherungen genau durchzurechnen, ob eine Fortführung der bisherigen Police überhaupt noch lohnt. Oder man diese nicht besser in eine fondsgebundene Lebensversicherung eintauscht, bei der in Sachwertfonds investiert wird, die dank ihrer Investitionsschwerpunkte auf Edelmetallen und Wohnimmobilien eine Verzinsung über der Inflationsrate erwirtschaften können. Besitzern von Fondspolicen ist zu raten, einmal zu überlegen, ebenfalls in Sachwertefonds umzuschichten.

Unsere Prognose: Wir werden noch in diesem Jahr nicht nur die Renaissance der Sachwertpolicen bei fondsgebundenen Lebensversicherungen erleben, sondern auch die der hochverzinsten Tages- und Termingeldern bei Lebensversicherern.

Über den Autor:

Marco Metzler verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der europäischen Versicherungsbranche. Als ehemaliger Finanzchef von Prisma Life in Liechtenstein leitete er die größte Lebensversicherungsgesellschaft des Landes. Zuvor war er als Direktor bei Fitch Ratings, der Deutschen Bank und der UBS tätig. Sein Fachwissen umfasst Geschäftsplanung, Vermögensverwaltung, Fusionen und Übernahmen (M&A). Metzler hat an der EBS – European Business School, der Bocconi-Universität und der Cologne Business School in Betriebswirtschaftslehre promoviert.

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[…] 3: Entnommen aus dem Artikel „Stille Reserven plötzlich stille Lasten“ in Pfefferminzia vom 21.04.2023, abrufbar via Webseite: https://www.pfefferminzia.de/stille-reserven-ploetzlich-stille-lasten-dann-waeren-viele-lebensversic… […]

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