- Von Peter Schmidt
- 28.11.2023 um 12:38
Viele Unternehmer kennen den Spruch oder das Prinzip: „Never touch a running system“. Es sind gute Zeiten, wenn das Geschäft läuft. Was aber, wenn der Break kommt, es nicht mehr läuft? Dann ist es oft schon zu spät zum Umsteuern. Das Hoffen, dass alles so bleibt, ist im Kleinen wie in der europäischen oder globalen Wirtschaft eine Illusion. Es gibt immer neue Trends, Erkenntnisse und Methoden, die Veränderungen hervorrufen. Dazu die Megatrends des Klimawandels, der Digitalisierung oder der neuen Kommunikations- und Konsumtionsformen zwischen uns Menschen.
Das eigene Geschäftsmodell infrage stellen
Veränderung finden immer statt. Die oft gewünschte heile Welt, die sich nicht verändert, gibt es nicht. Vermittler sollten das erkennen und rechtzeitig handeln, sonst rollt die Innovationswelle über sie hinweg. Etwas hart formuliert ist das der Selektionsdruck, von dem Charles Darwin schon im 19. Jahrhundert gesprochen hat.
Deshalb ergibt es einmal im Jahr Sinn, sich ein paar der folgenden Fragen zu stellen:
- Ist mein Vermittlerunternehmen zukunftsfähig aufgestellt?
- Werden sich die Voraussetzungen für Vermittlerbetriebe ändern?
- Was muss ich heute tun, damit ich in fünf oder zehn Jahren erfolgreich bin?
Zur Beantwortung greife ich drei Szenarien heraus, die vielleicht provokativ erscheinen, den Leser aber zu seinen eigenen Erkenntnissen bringen sollen und Impulse für sein Handeln werden können.
„Die Erben des Maklers bekommen NICHTS“
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Szenario 1: Die Versicherungen gehen komplett ins Internet
Kein Vermittler wird sich der Erkenntnis verschließen können, dass das Internet die Welt der Vermittler und ihrer Kunden komplett verändert hat. Augenscheinlich ist das für Senior-Vermittler daran, dass die früher üblichen Tarifbücher, Stapel von 3,5-Zoll-Disketten mit Softwareupdates und CDs komplett durch webbasierte Programme und Tools abgelöst wurden. Und auch die Kunden haben sich gewandelt und nutzen vielfach und immer mehr das Web zur (Vor-)Information, sind oft kritischer gegenüber den Angeboten der Vermittler geworden und schließen Verträge selbstständig im Web ab.
Stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Was wäre, wenn die Versicherungen komplett ins Internet abwanderten? Politische und regulatorische Veränderungen können dies ebenso verursachen wie der wachsende Druck auf die Anbieter durch die weiterhin anhaltende Finanzkrise und den Kostendruck auf die Produkte.
Bereits jetzt werden vor und hinter den Kulissen Szenarien entwickelt, die es den Vermittlern existenziell noch schwerer machen werden. Courtagekürzungen bei steigenden regulatorischen Auflagen stehen nicht nur theoretisch im Raum.
Die Anfänge mit einfachen Produkten sind gemacht. Nicht nur Kundenportale vertreiben diese. Auch zahlreiche Versicherer, die mit der eigener Ausschließlichkeit und Maklern bisher zusammengearbeitet haben, arbeiten am Trend der Zeit: Versicherungen direkt über das Web zu verkaufen. Sondertarife für diesen digitalen und direkten Weg werden den Vermittlern nicht mehr oder nur zu unauskömmlichen Vergütungen allenfalls als Gnadenbrot angeboten. Die Verlockung der Kostenersparnis an eigenen Mitarbeitern und Courtagen für Vermittler ist manchem Vorstand wohl zu groß.
Zukunftsfähigkeit für diese These herzustellen heißt demnach: Volle Innovationskraft auf die Digitalisierung der eigenen Prozesse im Vermittlerbetrieb und Öffnung der eigenen Verkaufswege für zielgruppengerechte Online-Angebote über die eigene Homepage, eigene Landingpages mit entsprechendem Marketing und Spezialisierung auf Beratungsinhalte, die über längere Zeit (noch) nicht vom Internet wegen Komplexität oder Spezialität abgelöst werden können. Und wer dies für sich nicht selbst schafft, der braucht strategische Unterstützung. Allein durch den Wald ist immer schlecht.
Szenario 2: Der Vermittlermarkt wird untergehen
Ganz so gewagt ist diese These gar nicht, wenn wir uns die schwindenden Zahlen der registrierten Vermittler in der Ausschließlichkeit ansehen. Dazu kommt die Altersstruktur bei den Maklern und deren wirtschaftliche Ergebnisse. Der Altersdurchschnitt bei Maklern liegt bei über 50 Jahren. Zirka 40 Prozent werden in den nächsten 10 bis 15 Jahren die Geschäfte aufgeben. Das sind rund 20.000 Makler, die dann nicht mehr da sind. Geschätzt sind aktuell rund 3.000 Makler in diesem Prozess der Nachfolge involviert.
Dazu kommt die wirtschaftliche Situation in den Vermittlerunternehmen. Jede zweite Maklerfirma liegt bei unter 100.000 Euro Umsatz. Wenn dem so ist, dann ist klar, dass die finanzielle Basis für ein modernes, technisch gut aufgestelltes und innovationsfreundliches Unternehmen nicht gegeben ist. Wird dann noch der Hahn der Courtagen weiter zugedreht, dann wird es schnell dunkel am Vermittlermarkt (siehe Szenario 1).
Demografie, Kosten- und Innovationsdruck werden den Vermittlermarkt ausdünnen. Und Nachwuchs ist kaum in Sicht. Nach Schätzungen soll der Anteil der Makler bis 30 Jahre nur bei 5 (fünf!) Prozent liegen. Bereits jetzt liegen zahlreiche Kundenbestände brach, haben keinen Service und keine Betreuung mehr. So wird auch aus dieser Sicht das Szenario 1 beschleunigt. Online-Vertrieb soll dann den Versicherer an die Kunden bringen.
Die Gestaltung der „Zukunftsfähigkeit“ zu dieser These wird nur in zwei Richtungen gehen. Die einen müssen sich mit dem Thema Nachfolge intensiv beschäftigen, denn in zwei oder drei Jahren ist kaum noch Zukunftsfähigkeit zu erreichen, von dem Willen und den Investitionsmitteln einmal ganz abgesehen. Und die Antwort für die Jüngeren kann nur lauten: Expandieren und die Chancen der Zeit nutzen. Nur umsatz- und ertragsstarke sowie größere Vermittlerunternehmen mit effektiver Arbeitsorganisation werden die Zukunft sicher meistern.
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