- Von Karen Schmidt
- 05.07.2022 um 09:59
Was ist geschehen?
Ein Mann arbeitet in einem Bäckerbetrieb und hat darüber eine Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen. In den Bedingungen gehört zur Definition einer Berufsunfähigkeit (BU), dass der Versicherte voraussichtlich mindestens zwei Jahre außerstande sein muss, die bisherige Tätigkeit auszuüben. Sie endet dann, wenn der Versicherte eine andere Arbeit ausübt, die der bisherigen Lebensstellung entspricht. Dabei sei eine Einkommensreduzierung zwischen 10 und 30 Prozent im Vergleich zum bisherigen jährlichen Bruttoeinkommen zumutbar, heißt es in den Bedingungen weiter.
„Die Kernfrage lautet: Wie ist die Prognose für die Zukunft?“
Im Oktober 2019 meldet sich der Mann wegen eines Bäckerasthmas berufsunfähig. Er nimmt zum Februar 2020 eine Stelle als Regierungsbeschäftigter im Finanzamt an – früher hatte er schon einmal drei Jahre lang als Steuerfachangestellter gearbeitet.
Der Berufsunfähigkeitsversicherer erkennt seine Leistungspflicht von Oktober 2019 bis Februar 2020 an, stellt die Rente dann aber ein, weil er den Mann auf seinen neuen Beruf beim Finanzamt konkret verweist.
Der Mann hält seine neue Stelle aber für keinen geeigneten Verweisungsberuf. Er entspreche nicht seiner bisherigen Lebensstellung vor Eintritt der BU, unter anderem weil er nun rund 21 Prozent weniger verdiene als vorher. Es fehle ihm auch an Entwicklungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen. Der Fall landet vor Gericht.
Das Urteil
Das Landgericht Arnsberg weist die Klage ab (Aktenzeichen 1 O 452/20), der Mann habe keinen Anspruch auf weitere Leistungen seiner BU-Zusatzversicherung. Der Mann habe nicht klar genug beweisen können, dass seine neue Tätigkeit nicht geeignet sei, seine bisherige Lebensstellung zu halten.
„Die Lebensstellung eines Erwerbstätigen wird von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt und diese orientiert sich – ebenso wie die Vergütung dieser Tätigkeit – wiederum daran, welche Kenntnisse und Fähigkeiten die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung dieser Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist demnach dann gefunden, wenn die aufgezeigte Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und auch in ihrer Vergütung wie in ihrer Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufes absinkt“, heißt es vom Gericht.
Die neue Tätigkeit des Mannes als Regierungsbeschäftigter erfordere keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten als sein früherer Beruf des Bäckers. Die Einkommenseinbußen, die das Gericht nur bei etwa 18 Prozent verortet, seien zumutbar. Und auch das soziale Ansehen des Mannes habe sich durch den neuen Job nicht verschlechtert.
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