- Von Redaktion
- 11.06.2014 um 12:37
Von Holger Schnittker, Autor des Blogs schnittker-versicherungsmakler.de
Und wieder mal wird mit dem Lebensversicherungsreformgesetz ein Bürokratiemonster gebaut. Die Lebensversicherung hat Probleme, es Bedarf Lösungen. Zum Teil ist das sicherlich richtig. Allerdings will ich hier gar nicht ausführlicher darauf eingehen. Vielmehr soll thematisiert werden, welche Komponenten des Referentenentwurfs gar nichts mit einer Lebensversicherung zu tun haben.
Worum es geht: Konkret geht es uns um den Kostenausweis zu allen Versicherungen. Dieser ist zu finden im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen, Entwurf eines Gesetzes zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (Lebensversicherungsreformgesetz – LVRG) vom 26.5.2014, 11.04 Uhr.
Dort steht, wie der Paragraph 61 des VVG geändert werden soll:
Nach Paragraph 61 Absatz 2 wird folgender Absatz angefügt:
„(3) Der Versicherungsvermittler hat dem Versicherungsnehmer die ihm für den
Abschluss des Vertrages mit dem Versicherungsunternehmen vertraglich vereinbarte
Provision als Gesamtbetrag in Euro mitzuteilen. Er hat dies nach § 62 zu dokumentieren.“
Hier ist nichts von einer Eingrenzung auf die Lebensversicherung zu lesen. Ebenfalls im Referentenentwurf zu finden:
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Der Aufwand aus Informationspflicht betrifft zum größten Teil die Information der Versicherungsnehmer über die Abschlussprovision (Paragraph 61 Absatz 3 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz – VVG) mit 1.150.000,00 Euro.
Nun zum wirklichen Leben – fern der anscheinend realitätsfremden Welt in Berlin:
Als Versicherungsmakler bieten wir unserem Kunden in der Regel nicht nur eine Lösung (Versicherungsangebot) an, sondern mehrere, teilweise zehn und mehr in einem Vergleich und stellen dabei Preis und Leistung gegenüber. Dies hat den einfachen Grund, dass sich die Angebote der Versicherer sowohl in Preis als auch Leitung unterscheiden, weswegen eine separate Betrachtung nicht zielführend ist.
Praktisches Beispiel Private Haftpflichtversicherung:
Hier erhalten wir je nach Versicherer und dann teilweise je nach Produkt (Beamtentarife haben teilweise reduzierte Sätze) nach der Form, wie wir die Abwicklung durchführen, (faxen wir den Antrag oder geben wir den online in das Extranet des Versicherers ein) Courtagesätze zwischen 17,5 Prozent bis zu 27 Prozent der Nettoprämie (Beitrag ohne Versicherungssteuer).
Das BMF setzt wohl Provisionen = Courtagen, dieses weiter zu differenzieren würde hier sicherlich zu weit führen. Sprich, wir müssten für jedes einzelne Angebot die Courtage berechnen, um den absoluten Betrag zu ermitteln. Da wir in der Regel nur Jahresverträge vermitteln, müssten wir das dann für das einzelne Jahr berechnen oder wie möchte das BMF es haben?
Ach ja, ganz vergessen, wenn wir dann noch unterschiedliche Zahlungsweisen anbieten, müssten wir auch nochmal andere Beträge berechnen, da Versicherer bei unterjährigen Zahlweisen Ratenzahlungszuschläge auf den Beitrag nehmen. Der Beitrag ist dann die Berechnungsgrundlage für die Courtage.
Beispiel Kostenaufstellung:
• Versicherer Pfefferminzia Versicherungssumme 3 Millionen Euro
• Beitrag bei jährlicher Zahlungsweise 70 Euro plus Versicherungssteuer
• Unsere jährliche Courtage 17,50 Euro, wenn wir den Antrag per Post oder Fax beim Versicherer einreichen
• Unsere jährliche Courtage 19,25 Euro, wenn wir den Antrag über das Extranet der Versicherer einreichen
• Zahlungsweise halbjährlich: Beitrag 72,10 Euro plus Versicherungssteuer
• Unsere jährliche Courtage 18,03 Euro, wenn wir den Antrag per Post oder Fax beim Versicherer einreichen.
• Unsere jährliche Courtage 19,83 Euro, wenn wir den Antrag über das Extranet der Versicherer einreichen.
• Versicherer Pfefferminzia Versicherungssumme 5 Millionen Euro
• Versicherer Apfelsinia, Versicherer Zitronia und so weiter
Nehmen wir mal positiv an, wir schaffen die Berechnung und den Ausweis in 3 Minuten bei nur 10 Angeboten in einem Angebotsvergleich (wir lassen mal lieber die Optionen (Zahlungsweisen, unterschiedliche Einreichungsformen beim Versicherer außer Acht).
Wir erstellen pro Arbeitstag zirka 30 Angebotsvergleiche. Das bedeutet ein Mehraufwand pro Tag von 1,5 Stunden nur für die Erstellung des Kostenausweises oder pro Monat zirka 30 Stunden. Ausgehend von einem Kostensatz von 70 Euro die Stunde (neben Löhnen inklusive aller Nebenkosten sind in den Stundensatz einzukalkulieren; Kosten für Büro, Software, Material, Fortbildung, externe Kosten wie Buchführung, Steuerberater, Versicherungen und so weiter).
Allein für unseren kleinen Betrieb bedeutet dies bereits einen Mehraufwand von 2.100 Euro pro Monat, also 25.200 Euro pro Jahr.
In Deutschland gibt es abgerundet 46.000 registrierte Versicherungsmakler, die allesamt ebenfalls betroffen sind. Zwar gibt es unter ihnen auch kleinere Betriebe, jedoch ebenso sehr viele, wesentlich größere.
Bürokratiekosten: 16.800 x 46.000 Euro = 1.159.200.000 Euro
Das sind abgerundet über 1,1 Milliarden Euro pro Jahr.
Ironiemodus ein. Nun ja, was sind schon 1,1 Milliarden Eurofür Bürokratie. Wenn man ständig Nachrichten vom Berliner Flughafen serviert bekommt, ist man ja solche Zahlen gewöhnt. Ironiemodus aus.
Anscheinend hat der Referent oder wer immer diesen Entwurf gemacht hat, beschränkte mathematische Fähigkeiten oder einfach keine Ahnung, wie die Tätigkeit eines Versicherungsmaklers aussieht. Womöglich trifft auch beides zu. Anders sind die abweichenden Zahlen nicht zu erklären.
Ach ja, was bringt das Ganze jetzt für den Kunden, wenn er weiß, ob wir für die Betreuung, Vermittlung und Unterstützung im Schadenfall für eine Privathaftpflicht 17,50 Euro oder 19,83 Euro pro Jahr bekommen?
Ist es für ihn nicht wichtiger, dass es basierend auf seine persönlichen Wünschen und seinem Risikoprofil die bestmögliche Lösung in Hinblick auf Preis und Leistung bekommt und im Schadenfall von uns sehr gut unterstützt wird?
Was weiter passierte: Ergänzung vom 4. Juni 2014
Wenn man nichts macht passiert nichts! Deshalb gab es ein Schreiben. Gesendet am 2. Juni 2014 an
das Bundesfinanzministerium. Eine Antwort gab es bis jetzt nicht.
Es gab ebenfalls ein Schreiben an das Mitglied des Bundestags (MdB) Franz Josef Holzenkamp. Auch hier gab es bis heute keine Antwort.
MdB Axel Knoerig in Diepholz beantwortete mein Schreiben auch nicht.
MdB Michael Meister, zuständiger Staatssekretär: Antwort bis heute – keine.
Am 4. Juni 2014 ging ein Schreiben an die Landesregierung Niedersachsen, da das Gesetz durch den Bundesrat zustimmungspflichtig ist. Auch hier: Anwort bis jetzt – keine.
Kontakt zur IHK Oldenburg: Antwort bis zum 5. Juni 2014
Die IHK wundert sich, dass von ihr keine Stellungnahme durch den Gesetzgeber angefordert wurde. Die IHK ist die Aufsichtsbehörde für Versicherungsvermittler und damit eigentlich Ansprechpartner für die Ministerien.
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