Rechtsanwalt Stephan Michaelis. © Kanzlei Michaelis
  • Von Redaktion
  • 01.12.2020 um 16:49
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Rät ein Versicherungsvertreter einem Kunden zu einem Wechsel des Versicherers gelten für ihn die gleichen Aufklärungs- und Beratungspflichten wir für den Versicherungsmakler. Auf ein aktuelles Urteil zum Thema weist der Hamburger Rechtsanwalt Stephan Michaelis in seinem Gastbeitrag hin.

Viele unterliegen dem Irrglauben, dass ein Versicherungsvertreter, also ein Agent, keiner weitreichenden Haftung unterliegt. Auch viele Mehrfachvertreter fühlen sich unter dem „Haftungsdach“ eines Versicherers sicherer.

In der Tat war es früher einmal so, dass der Vertreter nur dann haftete, wenn er ein besonders persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hatte. Bei einem normalen Vermittlungsvorgang war dies in der Regel nicht der Fall. Außerdem kommt hinzu, dass das Verhalten des Vertreters (Agenten) regelmäßig dem Versicherer zugerechnet wurde. Daher war im Falle eines Prozesses der Versicherer immer der solventere Schuldner.

Durch die Reformierung des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) erfolgte bei den meisten Vertretern eine unbegrenzte Haftungsübernahme seitens der Versicherer. Ansonsten besteht natürlich auch für den Vertreter die Versicherungspflicht. Wichtig ist, dass der Vertreter, genauso wie ein Versicherungsmakler, der Anspruchsgrundlage des Paragrafen 63 VVG unterliegt. Dementsprechend trifft den Vertreter auch eine eigene unbegrenzte Haftung gegenüber seinem Kunden. Es kommt nur hinzu, dass in der Regel der Vertreter und der Versicherer als Gesamtschuldner haften.

Dazu eine aktuelle gerichtliche Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main (Urteil vom 23. April 2020, Aktenzeichen 2-30S 5/18).

Was war geschehen?

Kunde und Vertreter besprachen eine Immobilienfinanzierung. Der Kunde hatte bereits eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Der Vertreter empfahl (strittig aber ohne Belang), die ursprüngliche BU-Versicherung zu kündigen und bei dem Vertreter eine neue abzuschließen. So wurde es auch umgesetzt.

Aus der Berufsunfähigkeitspolice ging nicht hervor, dass auch eine Dienstunfähigkeit mitversichert ist. Im Antrag hieß es aber unter sonstige Vereinbarungen: „Dienstunfähigkeitsklausel gilt als vereinbart“.

Erst deutlich nach dem Versichererwechsel merkte der Kunde, dass er in seinem neuen Versicherungsvertrag keine DU-Klausel mehr hat. Er nahm daraufhin den Versicherer und den Vertreter in Anspruch, die Prämiendifferenz zu einer neu abzuschließenden BU mit DU-Klausel zu bezahlen. Außerdem verlangte er als Schadenersatz die Versicherungsprämie, die er für die neu abgeschlossene BU zahlen musste. Diese Schadenersatzansprüche wurden dem Kläger beide zugesprochen.

Genauen Umfang des vorherigen Versicherungsschutzes klären

Sowohl für den Versicherungsmakler als auch für den Vertreter gilt, dass der VN in der Regel weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung des Versicherungsschutzes in Kauf nehmen will (Oberlandesgericht Saarbrücken vom 26. April 2017, Aktenzeichen 5 U 36/16). Jeder Vermittler muss also den Kunden umfassend aufklären und auf die Vor- und Nachteile des Versichererwechsels hinweisen, informieren und diese ausführlich darstellen. Der Vertreter muss sich auch nicht nur die Police des Vorversicherers zeigen lassen. Er muss den genauen Umfang des Versicherungsschutzes klären und hätte gegebenenfalls auch nach dem Antrag beziehungsweise den weiteren Erklärungen fragen müssen, um den vorherigen Versicherungsschutz umfassend einzuschätzen.

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