- Von Lorenz Klein
- 20.03.2020 um 17:00
Der Verfasser dieses Beitrags arbeitet bereits seit zehn Tagen im Homeoffice – und kann von dort zur Hamburger Niederlassung des Versicherers HDI hinüberschauen. „Vorbildich“, so der erste Gedanke. Alle Stockwerke sind verwaist. Ist dieses erfreuliche Bild repräsentativ für den Versicherungsstandort Deutschland? Wohl kaum.
Es seien längst nicht alle Büroarbeitsplätze auf Homeoffice umgestellt, beklagte der Präsident des IT-Branchenverbandes Bitkom, Achim Berg, am Donnerstag in einer Mitteilung. „Dabei stehen wir im Kampf gegen die Corona-Pandemie vor einer noch nie dagewesenen Herausforderung“, so Berg.
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Er adressierte mit seiner Kritik keine Branche im Speziellen, sondern die deutsche Unternehmenslandschaft insgesamt, aber dazu gehört die Versicherungswirtschaft eben auch. „Unternehmen, öffentliche Hand und jeder einzelne Bürger sind gefordert, sofort Konsequenzen zu ziehen“, appellierte Berg. „Das Gebot der Stunde heißt: Erstens Verzicht und zweitens möglichst viel in den digitalen Raum verlegen.“
„Nicht mal eben schnell alle Mitarbeiter ins Homeoffice“
Doch mit dem Verschieben in den digitalen Raum ist das so eine Sache – gerade für die Versicherungsbranche ist das eine durchaus knifflige Angelegenheit.
„Unternehmen mit großen Belegschaften, die stationär arbeiten (müssen), weil sie an Client-Desktops ihren Aufträgen nachgehen, haben allein dadurch schon einen Nachteil, weil sie nicht mal eben schnell alle Mitarbeiter in den Homeoffice-Modus versetzen können“, sagt Stephen Voss, Vorstand und Gründer der Neodigital Versicherung, im Gespräch mit dem „Versicherungsboten“.
Das gehe aus vielerlei Gründen nicht, so Voss. „Wegen der Technik, fehlender gesicherter Remote-Zugänge oder es hängt ganz banal an den Arbeitsverträgen, die Homeoffice nicht vorsehen“. Trete dann der Ernstfall ein, so dass der Zugang zu den Geschäftsräumen nicht mehr möglich sei, „brechen ganze Teile der Arbeitsabläufe eines Versicherers zusammen“.
Entrückte Insurtechs?
Ist diese Schwarzmalerei berechtigt? Dazu muss man natürlich wissen, dass Stephan Voss ein Insurtech leitet, also ein Versicherungs-Start-up. Der ein oder andere Vertreter dieser digitalen Versicherer gab sich zuletzt irritierend selbstbewusst, fast schon entrückt von „der Welt da draußen“ – Corona-Pandemie, ja gut, betrifft uns jetzt eher weniger.
„Die Ausfälle und Kosten durch den Ausbruch von Corona werden auf die gewaltige Summe von vier Billionen US-Dollar geschätzt – wir sehen dem gelassen entgegen“, erklärte Christian Wiens, Chef und Gründer des digitalen Versicherers Getsafe, allen Ernstes vor gerade mal einer Woche in einem Kommentar.
Einem Szenario „gelassen entgegenzusehen“, welches die Bundeskanzlerin vor wenigen Tagen als größte Bedrohung für unser gemeinsames Zusammenleben seit dem zweiten Weltkrieg bezeichnet hat? Hm. Panik ist zweifelsohne immer ein schlechter Ratgeber, aber muss es gleich das andere Extrem sein?
Es wurde nicht besser als Wiens sich dazu verstieg, die Corona-Pandemie im martialischen Sprach-Duktus als „Brandbeschleuniger“ für Insurtechs zu deuten. Der spezielle Fall von Corona unterstreiche, wie groß der technologische Vorsprung von Insurtechs gegenüber traditionellen Versicherern sei, so Wiens.
„Insurtechs sind dank mobile-first-Ansatz, technischer Infrastruktur und Direktvertrieb krisensicher und gerade jetzt eines der vielversprechendsten Geschäftsmodelle überhaupt.“ „Krisensicher?“ Soso. Das wird sich alles noch zeigen müssen.
Wie es jedenfalls um die technische Infrastruktur eines „traditionellen Versicherers“ in der Corona-Krise bestellt, dazu gab Alte-Leipziger-Hallesche-Chef Christoph Bohn am gestrigen Donnerstag ein paar Einblicke.
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