- Von Lorenz Klein
- 10.07.2019 um 14:32
Pfefferminzia: Klimawandel, Plastikmüll und Waffenexporte – Nachhaltigkeit und ethisches Verhalten bestimmen aktuell den politischen Diskurs. Inwieweit macht sich dieser Trend auch in der Kapitalanlage und in der Risikoabsicherung bemerkbar?
Marcus Reichenberg: Die Klimaschutzdebatte wird auch die Finanz- und insbesondere die Versicherungsbranche erreichen. Die EU-Kommission arbeitet bereits seit Mai 2018 an der Umsetzung des Aktionsplans für nachhaltige Finanzen. Für den Finanz- und Versicherungsvertrieb wird dies voraussichtlich bedeuten, dass Kunden zukünftig vorab gefragt werden müssen, ob sie Nachhaltigkeitskriterien in ihren Angeboten berücksichtigt haben möchten.
Können Sie das näher erläutern?
Die ESG-Kriterien – diese stehen für Environmental, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung – sollen sich auf Anbieter wie Produkte beziehen. ESG-Themen sollen demnach sowohl in MiFiD II – Richtlinie 2014/65 / EU, der IDD-Richtlinie 2016/97 und in Solvency II – Richtlinie 2009/138 EG integriert werden.
Bei Auswahl nachhaltiger Fonds genau hinschauen
Müssen Makler bald den Kundenwunsch Nachhaltigkeit abfragen?
„Kunde muss nicht zwischen gutem Gewissen und Rendite entscheiden“
Wie bewerten Sie das Vorhaben?
Die Greensurance Stiftung für Mensch und Umwelt begrüßt den Vorstoß der EU-Kommission und unterstützt Versicherungsunternehmen in der Verwirklichung ihrer Nachhaltigkeitsziele und -leistungen. Sie bietet beispielsweise Beratern die Weiterbildung zum ESG-Berater/Fachberater für nachhaltiges Versicherungswesen an.
Und noch ein ergänzendes Wort zu Ihrer Eingangsfrage: Mit der politischen Agenda und dem immer größer werdenden öffentlichen Druck, gerade der jungen Generation, darf nicht mehr von einem Trend, sondern von einer Notwendigkeit gesprochen werden. Versicherungen und Berater, die sich auf einen zukunftsfähigen Vertrieb einstellen, haben einen Wettbewerbsvorteil – schon heute.
Welche Vorteile bieten sich sowohl für Vermittler als auch Kunden, sich mit „grünen“ Versicherungsprodukten zu befassen?
Grüne Versicherungsprodukte werden sich etablieren und in ein paar Jahren nicht die Ausnahme, sondern der Standard sein. Es ist zu spüren, dass sich das Kundenverhalten ändert. Gezielt werden nachhaltige Produkte, nicht nur über das Internet gesucht, sondern auch gefunden. Kunden wollen, dass das Produkt ihrem Lifestyle entspricht und sie werden die Vorteile daraus ziehen. Sie erhalten ein grünes Versicherungsprodukt mit Mehrleistungen für nachhaltigen Schadenersatz von Versicherern, die sich in der großen Transformation einer nachhaltigen Entwicklung befinden. Es wird einen Wettstreit der Nachhaltigkeit geben. Makler werden zukünftig immer mehr damit konfrontiert sein, nicht das günstigste und beste Versicherungsprodukt zu wählen, sondern auch das Nachhaltigste.
Welche Bedenken und Hindernisse sehen Sie noch für eine nachhaltige Versicherungswirtschaft?
Leider sehen viele nur die Einschränkungen, die durchaus mit einer nachhaltigen Wirtschaft, einem nachhaltigen Lebensstil verbunden sein können und nicht die daraus resultierenden Vorteile. Auch die Versicherungsberatung wird durch die Integration von Nachhaltigkeitsthemen nicht einfacher und leichter, aber mit Sinnstiftung für eine lebenswerte Zukunft viel befriedigender.
Am Ende geht es doch darum, dass so viele Klimagase – unter anderem fossiles Kohlendioxid und Methan – wie möglich eingespart werden, damit sich die uns umgebende Atmosphäre nicht mehr als 1,5 Grad Celsius beziehungsweise maximal um 2,0 Grad Celsius aufheizt. Das ist die Forderung des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahre 2015.
Gerade die Versicherungswirtschaft sollte ein großes Interesse an einem weiterhin gemäßigten Klima haben. Denn in einer aufgeheizten Atmosphäre werden sich die volks- und betriebswirtschaftlichen Schäden durch Umwelteinflüsse an Mensch und Umwelt drastisch erhöhen. Das größte Hindernis einer nachhaltigen Versicherungswirtschaft ist die mangelnde Zeit und die Bereitschaft, sich intensiv mit der Umsetzung zu beschäftigen. Die Greensurance Stiftung sieht deshalb gerade auch den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV in der Verantwortung, aktiver zu handeln, um Lösungsansätze zu bieten.
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