Andreas Schwarz (links) und Klaus Möller. © BVSV/Defino
  • Von Redaktion
  • 29.04.2020 um 17:32
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In allen Umfragen über die Reputation und Vertrauenswürdigkeit von Berufsgruppen gibt es nur eine, die im Ranking regelmäßig noch hinter den Versicherungsvermittlern steht: die Politiker. Und doch scheint es, dass die Finanz- und Versicherungsbranche in der Corona-Krise einiges von den Politikern – und vor allem von ihren Beratern – lernen kann, sind unsere Gastautoren Klaus Möller, Defino Institut, und Andreas Schwarz, Bundesvorsitzender des Bundesverbands der Sachverständigen für das Versicherungswesen (BVSV), überzeugt.

Wer könnte für sich in Anspruch nehmen, dass ihm vor zwei Monaten die Namen Lothar Wieler, Christian Drosten, Hendrik Streeck oder Melanie Brinkmann geläufig gewesen wären? Die wenigsten von uns. Heute laufen sie in der Popularität selbst den wenigen seit Jahren regelmäßig im Rampenlicht stehenden Wissenschaftlern wie Ifo-Chef Clemens Fuest den Rang ab und sind definitiv bekannter und vor allem populärer als manche Bundesminister wie Christine Lambrecht, Anja Karliczek oder Gerd Müller. Sie sind die neuen „Stars“ der Nachrichtensendungen und Talkshows.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat Melanie Brinkmann und Christian Drosten zu neuen „Sexsymbolen“ gekürt, Brinkmann zur „Virologin fürs Herz“ und Drosten zum „Posterboy der Stunde“. Für derlei Kultstatus haben Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans noch heftig zu arbeiten.

Die Fachleute sind auf dem Vormarsch in unserer Gesellschaft und auf der ganzen Welt. Sie laufen gerade den Politikern, den lautsprechenden Manipulatoren, denen, die nicht informieren, sondern im eigenen Interesse Meinung machen wollen, den Rang ab. In den USA hat der mahnende und Trump-kritische Virologe Anthony Fauci einen Zustimmungswert von 80 Prozent, Trump selbst einen von 45 Prozent.

Die Unsicherheit ist immens

Diese Entwicklung ist nicht verwunderlich. Wenn selbst die Wirtschaftsweisen formulieren: „Die Unsicherheit ist immens“ und damit ihre üblicherweise sehr fundierten Prognosen meinen, dann beschreibt das prägnant den Grad der Verunsicherung in allen Teilen unserer Gesellschaft. Und es ist verständlich, dass dieser Verunsicherung ein starkes Bedürfnis nach echter, begründeter Sicherheit entspringt.

Das spüren alle: Politiker, Journalisten, Wissenschaftler. Deshalb gehen diejenigen, die am meisten fundierte, objektive Expertise zu bieten haben, jetzt voran und geben den Ton an: Die Vorschläge für die sukzessive Lockerung der aktuellen Restriktionen kamen nicht von Parteien oder aus Bundestagsausschüssen, sondern von der Nationalen Akademie Leopoldina und dem Robert-Koch-Institut.

Die Journalisten geben diesen Einrichtungen derzeit mehr Raum in Zeitungen, Radio und Fernsehen. Und die Politiker halten sich mit ihren oberflächlichen Streitereien, mit Kraftmeierei und Macho-Tum wohltuend zurück und übernehmen in einer nie gekannten Sachlichkeit die Expertenmeinungen. Die sonst lautstark polarisierenden Ränder des politischen Spektrums sind aktuell kaum wahrnehmbar. Wenn die Politiker diskutieren, dann an den Konzepten der Wissenschaftler entlang. Selbst ein Donald Trump hat sich vor wenigen Tagen zu der unglaublichen Äußerung verstiegen: „Ich will geleitet werden.“

Es zählt der ganzheitliche Blick

Der Grund für die relative Zurückhaltung der Politiker mag darin liegen, dass sie damit überfordert sind, dass ihr übliches Verhaltensmuster, sich sensible Einzelthemen zu greifen und bis zur kollektiven Übelkeit zu penetrieren, gerade nicht verfängt. Denn aktuell zählt nur eines – alle Facetten des Lebens, Gesundheit, Wirtschaft, Bildung, Kultur, Soziales sorgsam abzuwägen und auszutarieren.

Dafür bedarf es der Fähigkeit und der Instrumente für eine differenzierte Blickweise auf das Ganze und nicht nur auf einzelne instrumentalisierbare Einzelthemen. Diese Fähigkeit haben viele in Berlin und den anderen Hauptstädten Europas und der Welt verloren. Deshalb hören sie derzeit mehr als früher auf diejenigen, die den differenzierten Blick und die Suche nach fundiertem, objektivem Wissen gewohnt sind und täglich praktizieren: die Wissenschaftler, die Experten.

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