- Von Stephan Michaelis
- 03.05.2021 um 12:37
Jahrzehntelang wurde die sogenannte „Erklärungsfiktion“ in Versicherungsmaklerverträgen rechtlich nicht beanstandet. So war es gerade in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken üblich, dass diese einseitig durch den Verwender (Bank) geändert werden konnten, wenn die Kunden den geänderten Regelungen nicht widersprechen. Dann sollte über eine solche Klausel die Zustimmung des Kunden zur Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als akzeptiert gelten, wenn also insbesondere der Kunde schweigt.
„Das Ass im Ärmel des Maklers ist seine persönliche Beratung“
„Finanzberatung hat Zukunft“
Auch beim Online-Abschluss bleiben Vermittler gefragt
Die Möglichkeit, der vertraglichen Änderung zu widersprechen, oder das Recht zur Kündigung bleibt einem Kunden natürlich immer unbenommen. Daher war es mit einer solchen Regelung auch dem Versicherungsmakler möglich, seine vertraglichen Grundlagen des Maklervertrages mit dem Kunden in der Zukunft gegebenenfalls relativ leicht anzupassen und Vertragsänderungen zu erwirken, wenn der Kunde schweigt, wovon in der Regel auszugehen ist.
Versicherungsmakler haben nach meinem Kenntnisstand von einer solchen vertraglichen Änderungsmöglichkeit bislang keinen Gebrauch gemacht. Derartige inhaltliche Vertragsänderungen wären nicht wirksam! Es gab aber zum Glück keinen wirklichen Änderungsbedarf in den Versicherungsmaklerverträgen und in der Regel wurde eher ein neuer Versicherungsmaklervertrag eingeholt, der den alten dann ersetzt hatte.
Künftig wird wohl nur noch diese Regelung möglich sein. Eine automatisierte Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versicherungsmaklervertrages auf den gesamten Versicherungsbestand eines Maklers wird nach aktueller Rechtsprechung (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. April 2021, Aktenzeichen XI ZR 26/20) nicht mehr möglich sein. Als Konsequenz dieser aktuellen BGH-Entscheidung vom 27. April 2021 haben wir daher aus den Musterverträgen von „Appriori“ (unserer Mustervertrags-App für Makler) die Klausel „Erklärungsfiktion“ herausgenommen.
Zunächst einmal möchte ich Ihnen sehr zusammengefasst von dieser aktuellen BGH-Entscheidung berichten:
Derartige Klauseln unterliegen vollumfänglich der AGB-Kontrolle. Die Regelungen der AGB betreffen alle Änderungen dieser Geschäftsbedingungen, die das gesamte Tätigkeitsspektrum (der Bank) umfassen. Die AGB-Regelung betrifft nicht nur Anpassung von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen der Parteien mittels einer fingierten Zustimmung, sondern ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung jede vertragliche Änderungsvereinbarung.
Eine solche Regelung weicht damit vom wesentlichen Grundgedanken der Paragrafen 305 Absatz 2, 311 Absatz 1 und 145 und der darauffolgenden Paragrafen im Bundesgesetzbuch (BGB) ab, indem sie das Schweigen des Verwendungsgegners (Kunde) als Annahme eines Vertragsänderungsantrages qualifiziert. Diese Abweichung benachteiligt die Kunden unangemessen nach Paragraf 307 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1, Satz, 2 Nummer 1 im BGB.
Die allgemeine Änderungsklausel bietet eine Handhabe unter Zuhilfenahme einer Zustimmungsfiktion, im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten. Für so weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehung der Parteien betreffenden Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrages gleichkommen könnte, ist laut der BGH-Pressemitteilung vielmehr ein Änderungsvertrag nötig.
Obwohl es eine jahrzehntelang andere praktische Handhabung gab, gilt es, diese BGH-Entscheidung nicht zu beanstanden. Es wird vielmehr sehr deutlich klargestellt, dass nach wie vor einer der obersten Grundsätze in unserer Rechtsprechung Bestand hat:
„Schweigen ist keine Zustimmung“
Der BGH untersagt mit dieser strengen Rechtsprechung eine vorherige Aufweichung dieses Grundsatzes, denn ohne die vertraglich zugrundeliegende Klausel der „Erklärungsfiktion“ wäre eine einseitige Vertragsänderung durch Schweigen des Kunden ohnehin nicht möglich. Daher bedürfte man der vorweggenommenen Einwilligung des Kunden, dass er die künftigen Geschäftsbedingungen akzeptieren wird und damit auch die einseitige Änderungsmöglichkeit des Vertragspartners, wenn der Kunde auf einen vertraglichen Änderungswunsch schweigt.
Dieser bislang gültigen Systematik wird mit der vorliegenden Entscheidung ein Ende bereitet. Der BGH erachtet derartige Klauseln nunmehr als unangemessene Benachteiligung und als Abweichung von wesentlichen Grundgedanken zum Vertragsschluss.
0 Kommentare
- anmelden
- registrieren
kommentieren