Stephan Busch (links) und Tim Schreitmüller (rechts) von CoachMeNetto interviewen Menschen aus der Branche zum Thema Honorarberatung. Dieses Mal: Vertriebsexperte Matthias Beenken. © CoachMeNetto/privat
  • Von Redaktion
  • 20.10.2022 um 15:20
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Für die Interview-Reihe „Mit Vision – Über die Lage der Honorarberatung“ luden Stephan Busch und Tim Schreitmüller dieses Mal Matthias Beenken zum Gespräch. Er ist Experte rund um die Themen Versicherungswirtschaft und -vermittlung und geht im Interview ausführlich auf die Vor- und Nachteile der verschiedenen Vergütungsmöglichkeiten ein.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an Versicherungen denken?

Sie sind immens wichtig. Allerdings machen sie es einem nicht immer leicht, sie deshalb zu lieben.

Wer inspiriert Sie?

Menschen, die für eine Sache brennen, aber nicht gewaltsam missionieren wollen.

Wofür sind Sie besonders dankbar?

Für die Gelegenheit, meinen Studierenden etwas aus 35 Jahren Berufserfahrung weitergeben zu dürfen.

Wenn Sie sich in die Rolle des Endkunden versetzen: Was bevorzugen Sie, die Provisions- oder die Honorarberatung?

Als Kunde erwerbe ich Versicherungen im Provisionsvertrieb und Finanzprodukte gegen Beratungsgebühren. Das hängt schlicht mit den jeweiligen Anbietern und deren Geschäftsmodellen zusammen, denen ich mein Vertrauen schenke.

Es wird häufig über rechtliche Unklarheiten und Gefahren bei der Honorarberatung gesprochen. Welche sehen Sie?

Die häufigsten Missverständnisse sind nach meiner Wahrnehmung, dass Honorarberatung erstens eine reine Aufwandsvergütung und zweitens komplett an den Interessen der Kunden ausgerichtet ist. Schon der Begriff Honorarberatung wird vom Gesetzgeber nicht definiert, ebenso wenig wie derjenige des Nettotarifs. In der Praxis finden sich sowohl Aufwands- als auch Erfolgsvergütungen unter Begriffen wie Honorar, Gebühr oder Kostenausgleich. Bei Erfolgshonoraren ist keine systematische andere Interessenausrichtung zu erwarten als bei Provisionen. Selbst bei Aufwandsvergütungen, wie zum Beispiel einem Stundensatz, sind Interessenkonflikte nicht per se ausgeschlossen.

Ich bin gegen Gewinnmaximierungsmodelle zulasten der Kunden.

Das Damoklesschwert „Provisionsabgabeverbot“ nach Paragraf 48b VAG löst bei manchen eine gewisse Vorsicht aus und hindert auch einige daran, den Schritt in die Honorarberatung zu wagen. Dürfen bei der Honorarvermittlung wirklich nur Nettopolicen angeboten werden oder gibt es eine Möglichkeit, auch Bruttopolicen anzubieten und trotzdem Honorarvermittlung zu leben?

Es gibt eine Möglichkeit: Man kann seine Gewerbeerlaubnis in diejenige des Versicherungsberaters nach Paragraf 34d Absatz 2 GewO umtauschen und anschließend sowohl Nettopolicen als auch Bruttopolicen mit Durchleitung der Provisionen durch den Versicherer – Paragraf 48c VAG – vermitteln. Ich bin der Meinung, dass man sich klar entscheiden sollte, in welchem Bezahlungsmodell man arbeiten möchte, um damit auch den Kunden eine eindeutige und nicht irreführende Auskunft über sein Geschäftsmodell zu geben. Wer zum Beispiel gegen Honorar tätig sein möchte, sollte dies also ausschließlich tun. Ich bin gegen Gewinnmaximierungsmodelle zulasten der Kunden, bei denen beiden Seiten – dem Versicherer wie dem Kunden – die Hand aufgehalten wird, der Kunde darüber aber im Unklaren gelassen bleibt.

Das Thema Honorarberatung wird nun seit über zehn Jahren in der Fachpresse als „die Chance für Vermittler und Berater“ kommuniziert. Nicht selten wird die Honorarberatung folglich als die Lösung der Zukunft gehandelt. Warum wird die Honorarberatung von Vermittlern und Beratern aus Ihrer Sicht noch nicht aktiv angepackt?

Entscheidend für Kunden ist die Qualität der Beratung und die Beziehung zum Beratenden und weniger dessen Bezahlmodell. Selbst im vermeintlichen Vorzeigeland der Honorarberatung, Großbritannien, wird auch nach dem „Provisionsverbot“ von 2013 überwiegend weiterhin eine erfolgsabhängige Vergütung durch den Versicherer oder die Anlagegesellschaft mit dem Kunden vereinbart. Das nennen wir Courtage. Der einzige Unterschied zu uns ist, dass diese mit dem Kunden transparent vereinbart werden muss. Als Ökonom glaube ich daran, dass Märkte solche Fragen sehr gut selbst regeln können. Wenn die Kunden ein erfolgs- oder ein aufwandsabhängiges Honorar fordern, werden die Anbieter sich danach ausrichten und es anbieten. Wenn nicht, dann nicht. Seit 2011 mache ich alle fünf Jahre gemeinsam mit der Universität zu Köln eine Marktbefragung, die zeigt, dass es mittlerweile ein breites Angebot sowohl an Nettotarifen als auch sogar an – verwaltungsaufwändigen – Durchleitungslösungen für den Versicherungsberater gibt. Die Marktanteile im Neugeschäft mit solchen Tarifen stagnieren im einstelligen Promillebereich.

Die Abschreckungswirkung einer Honorarforderung ist nicht zu unterschätzen.

Was wird Ihrer Meinung nach in den nächsten fünf Jahren zum Thema Vergütung auf die Versicherungsbranche zukommen?

Wenn Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler sich weiter sperrig zeigen beim Verzicht auf traditionelle, einseitig Abschlussprovisions-fokussierte Vergütungsmodelle, erwarte ich weitere legislative und aufsichtsrechtliche Maßnahmen. Die Branche sollte es als eine Chance begreifen, dass die Politik derzeit andere Sorgen hat, als den im Koalitionsvertrag der Ampel angedeuteten Radikalumbau der privaten Vorsorge anzugehen. Sie könnte jetzt Reformbereitschaft zeigen, um auch künftig ein respektierter Partner in der Altersvorsorge und Einkommenssicherung zu bleiben.

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